Trump und der US-amerikanische Rassismus

USA Die Wahl Trumps war kein historischer Unfall, sondern Ausdruck der Zuspitzung eines lang andauernden innergesellschaftlichen Konfliktes, argumentiert Albert Scharenberg

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Trump und der US-amerikanische Rassismus

Foto: Nicholas Kamm/AFP via Getty Images

Die Wahl von Trump wird nicht selten als eine Art historischer Unfall betrachtet. Dieser Betrachtung widerspricht Albert Scharenberg in seinem Long-Read „Die offenen Wunden der USA vor und nach Trump“, in dem er sich sowohl mit der jüngeren Geschichte als auch mit den aktuellen politischen Konflikten in der US-amerikanischen Gesellschaft auseinandersetzt.

Albert Scharenberg ist Leiter des Historischen Zentrums der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin. Zuvor war er von 2012 bis 2018 Ko-Direktor des New Yorker Büros der Stiftung. Und davor war er Redakteur der ›Blätter für deutsche und internationale Politik‹ und Lehrbeauftragter für Nordamerikastudien an der FU Berlin.

Scharenberg stellt die Wahl Trumps in den Kontext der langen Auseinandersetzung in der US-amerikanischen Gesellschaft um „Rassismus als ein historisch gewachsenes Herrschaftsverhältnis“, die zu sich überlagernden Konfliktlinien geführt hat und deren politische Aufarbeitung komplex und deshalb nicht kurzfristig leistbar ist und nicht in einer schnellen und im humanitären Sinne positiven Lösung mündet.

Den Grundkonflikt US-amerikanischer Politik beschreibt Scharenberg so:

„Man kann sich nicht farbenblind stellen, darf aber andererseits auch nicht allein darauf gestützt Politik organisieren. Anders ausgedrückt: Man muss eine Ansprache finden, die universalistisch genug ist, aber sich nicht farbenblind geriert. Denn die entscheidende Spaltungslinie in der US-amerikanischen Gesellschaft ist historisch nicht einfach jene zwischen ›Oben und Unten‹, Besitzenden und Nicht-Besitzenden, sondern diejenige zwischen Schwarz und Weiß. Das ist die offene Wunde des Landes, der Knacks im eigenen Selbstbild, den die Politik bisher nie hat kitten können.“

Ausgehend von diesem Grundkonflikt analysiert Scharenberg die aktuellen Auseinandersetzungen in der US-amerikanischen Gesellschaft und zugleich die Perspektiven der beiden großen politischen Parteien der USA, der Republikaner und der Demokraten.

Den Republikanern prognostiziert er den baldigen Verlust einer strukturellen Mehrheit in der US-amerikanischen Gesellschaft, die bisher noch kaschiert wird durch allerlei Tricksereien beim Zuschnitt von Wahlkreisen und der Registrierung der WählerInnen.

Den Demokraten prognostiziert er, dass sie aufgrund ihrer politischen Bandbreite (Scharenberg beschreibt sie als eine Partei, „die sich in der Bundesrepublik über das gesamte Spektrum von der Merkel-CDU bis zur Linkspartei verteilen würden“) mit starken inneren Konflikten zurechtkommen müssen.

Aus der Perspektive von Scharenberg ist die Wahl von Trump kein historischer Unfall, sondern Ausdruck der Zuspitzung eines massiven, lang andauernden innergesellschaftlichen Konfliktes, der auch mit der möglichen Abwahl von Trump (so sehr das zu wünschen ist) nicht gelöst wird und nicht verschwinden wird.

Der Beitrag von Albert Scharenberg ist in dem neuen Essay-Magazin "Grenzgängerin" unter dem Titel "Die offenen Wunden der USA vor und nach Trump" erschienen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

klute

Jürgen Klute, Mitglied des Europäischen Parlaments von 2009 - 2014. Theologe, Sozialpfarrer, Publizist & Politiker aus dem Pott.

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