Türkische Kriegsverbrechen vor Völkertribunal

Konflikt Türkei / Kurden Am 15. und 16. März 2018 fand in Paris ein Völkertribunal zu türkischen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen gegenüber Kurden statt.

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(Ein ausfürlicher Bericht über das Tribunal findet sich hier)

Am 15. und 16. März 2018 fand in Paris das Permanent Peoples Tribunal on Turkey and Kurds statt. Dieses Tribunal in der Tradition des Russel-Tribunals hat sich mit dem Konflikt zwischen dem türkischen Staat und den Kurden bzw. der PKK befasst. Ziel des Tribunals war es, die Frage zu klären, ob das Vorgehen des türkischen Staates gegen die kurdische Bevölkerung und gegen die PKK als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen einzustufen sind.

Das Tribunal konzentrierte sich auf vermutliche Kriegsverbrechen in den Jahren 2015 bis 2017 in den Städten Cizre, Nusaybin, Sirnak und Sur, der Altstadt von Diyarbakir, auf das Roboski-Massker und auf False-Flag-Aktionen des türkischen Staates sowie auf gezielte Tötungen von kurdischen Politiker*innen und Aktivist*innen seit den 1990er Jahren, insbesondere der Dreifach-Mord an den kurdischen Aktivistinnen Fidan Doğan, Sakine Cansız und Leyla Şaylemez am 9. Januar 2013 in Paris.

Eröffnet wurde das Tribunal mit der Anklage, die von Jan Fermon und Sara Montinaro vorgetragen wurde. Die Hauptklagepunkte sind Kriegsverbrechen unterschiedlicher Art in den Jahren 2015 bis 2017 sowie eine Reihe von Akten staatlichen Terrors gegen Bürger und Bürgerinnen in den letzten Jahrzehnten.

Zu klären ist dabei, ob die für die Taten verantwortlichen Personen auf eigene Initiative handelten oder mit Wissen und im Auftrag oder zumindest mit dem Einverständnis des türkischen Staates bzw. staatlicher Institutionen.

Anders formuliert geht es darum, wie der Staat mit dem ihm zugestandenen und übertragenem Machtmonopol in Form von Polizei, Militär und Gerichtsbarkeit umgeht. Setzt er sie ein zum Schutz von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Minderheiten oder missbrauchen staatliche Instanzen und deren Vertreter das staatliche Machmonopol im eigenen bzw. im Interesse bestimmter gesellschaftlicher Gruppen.

Eine zweite Frage von zentraler Bedeutung in der Klage war, wie der Konflikt zwischen dem türkischen Staat und der PKK einzustufen ist. Ist die PKK, wie der türkische Staat behauptet, eine Terrorgruppe oder ist sie Konfliktpartei in einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. Da die PKK nicht wahllos Ziele angreift, sondern gezielt bewaffnete Repräsentanten des Staates und weil sie eine innere Struktur aufweist, die bewaffneten Akteure in eine Befehlskette eingebunden sind und die Ausrüstung von der PKK als ganzer organisiert wird, geht die Anklage davon aus, dass es sich bei der PKK nicht um eine Terrorgruppe handelt, sondern um eine bewaffnet Widerstandsgruppe.

Damit geht einher, dass die militärischen Aktionen der PKK nicht als Terrorakte zu werten sind und es sich bei dem Konflikt zwischen dem türkischen Staat und der PKK nach internationalem Recht um einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt handelt. Was allerdings nicht ausschließt, wie die Anklage betonte, dass es im Einzelfall auch in solch einem Konflikt zu Terrorakten kommen kann.

Die Anklage betonte, dass es sich bei den Vorwürfen gegen den türkischen Staat zwar auch um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt, vor allem aber handle es sich um Kriegsverbrechen. Genau das hat die türkische Regierung bisher abgestritten. Eine Anerkennung, dass es sich nicht nur um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handele, sondern zugleich um Kriegsverbrechen, würde eine Anerkennung des Konfliktes zwischen der Türkei und den Kurden als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt bedeuten. Damit würde die türkische Regierung anerkennen, dass die PKK keine Terrorgruppe ist. Das lehnt die türkische Regierung ab, obgleich der ab 2009 begonnene Friedensprozess zumindest eine indirekte Anerkennung dieses Sachverhaltes ist.

Das Ergebnis des Tribunals soll im Mai 2018 zeitgleich sowohl in Paris als in Brüssel im Europäischen Parlament veröffentlicht werden.

Siehe auch: Deutsche Sparpolitik und der türkische Krieg gegen die Kurden

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Geschrieben von

klute

Jürgen Klute, Mitglied des Europäischen Parlaments von 2009 - 2014. Theologe, Sozialpfarrer, Publizist & Politiker aus dem Pott.

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