In einer Stellungnahme vom 23. April 2020 verweist der Grüne Europaabgeordnete Sven Giegold auf massive Lobbyistenaktivitäten, die den so genannten Green New Deal ausbremsen sollen.
Erst im Dezember 2019 hat die EU-Kommission das vermutlich größte nachhaltige Wirtschaftsprogramm in der Geschichte Europas verkündet: den Europäischen Green Deal. Seven Giegold betont, dass dieser Green Deal ein beeindruckendes Zeugnis europäischen Klima- und Umweltschutzes sei, der die europäische Wirtschaft bis zum Jahr 2050 grundlegend reformieren und zukunftssicher machen könne.
Gerade angesichts der Corona-Krise sei es erforderlich, nachhaltiger (und europäischer) zu handeln, um uns in der Zukunft vor ähnlichen Katastrophen zu schützen, so der Europaabgeordnete weiter. Der wirtschaftliche Aufschwung nach Corona müsse daher auf Grundlage von massiven Investitionen in zukunftsfähige, sichere Technologien erfolgen.
Allerdings lassen sich aus der Coronakrise auch ganz andere Schlüsse ziehen. Den Gegnern des Green New Deal scheint sie ein gelegener Anlass zu sein – mit Blick auf die Kosten der Coronakrise – wahlweise auf eine Abschwächung, auf eine Verschleppung oder gar gänzlich auf eine Beendigung des Green Deals zu drängen.
Sven Giegold hat mit seinem Team eine lange Liste der Lobbyversuche zusammengetragen. Sie beinhaltet klassische Industriezweige wie Automobilhersteller und Fluggesellschaften, aber auch von der Krise weit weniger getroffene Sektoren wie die Plastikindustrie und Elektronikhersteller. “Sie alle”, so Giegold, “haben sich gegen Umwelt- und Klimaschutz ausgesprochen und es mit der Corona-Krise begründet.”
Abschließend mahnt der Abgeordnete die EU-Kommission, das Europaparlament und die Mitgliedstaaten, sich keinesfalls auf die Lobbyinteressen einzulassen. Gerade in Krisenzeiten sei es nötig, an die Zukunft zu denken. Jetzt nicht zu handeln bedeute, dass zu dieser Zukunft eine sich anbahnende Wirtschaftskrise genauso zählen werde wie der Kollaps der Ökosysteme, ungeahntes Artensterben und ein unaufhaltsamer Klimawandel. Giegold ist überzeugt, dass der Europäische Green Deal das Fundament für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung und den europäischer Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz ist. Ihn zu verschleppen würde bedeuten, die Zukunft Europas aufs Spiel zu setzen.
Im folgenden das bisherige Ergebnis der Recherchen von Sven Giegold und seinem Team:
Autolobbyisten1.In Deutschland setzen sich dieAutolobbyistendafür ein, dass eines der Kernversprechen des Green Deals nicht umgesetzt wird. Sie fordern von der Bundesregierung, die im Green Deal angekündigte Überprüfung und Verschärfung von CO2-Grenzwerten für PKW zu verhindern. Dazu intervenierten die deutschen Hersteller wiederholt bei der Bundesregierung, obwohl diese sich schon im Januar auf die Seite der Automobilindustrie und gegen den Green Deal geschlagen hatte.
In Brüssel verlangt der europäische Dachverband der Automobilindustrie in einem Brief an die Präsidentin der EU-Kommission, bereits vor Jahren beschlossene Ziele zur CO2-Reduzierung zu verschieben. Es sind eben jene Ziele, die dafür sorgen sollen, dass die Industrie in zukunftsfähige CO2-freie Autos investiert. Dabei waren es wohl vor allem amerikanische Hersteller, die diesen Brief vorangetrieben haben. Deutsche Autobauer wollten anscheinend immerhin keine Verschiebung schon beschlossener Ziele fordern.
Fluggesellschaften2.Fluggesellschaften, die bald in ganz Europa mit Milliarden Euro Steuergeld gerettet werden müssen, positionieren sich schon jetzt scharf gegen jegliche Steuern auf Kerosin. Damit in Zukunft niemand auf die Idee kommt, über angemessene Abgaben auf den fossilen Brennstoff nachzudenken, wenn durch den Flugverkehr wieder reichlich Gewinne erflogen werden.
Bauernverbände3.Bauernverbändeversuchen, das menschliche Leid sowohl in Deutschland wie auch auf EU-Ebene auszunutzen. In Brüssel setzt sich der Dachverband für eine Verschiebung der “Vom Hof auf den Tisch” Strategie ein. Diese im Green Deal angekündigte Strategie soll die europäische Agrarindustrie nachhaltiger machen. Sie zu verschieben zögert nicht nur dringend notwendige Reformen hinaus, es blockiert auch Investitionen in zukunftsfähige Technologien im Agrarsektor.
Um neue Regeln zur Verringerung der massiven Belastung unserer deutschen Gewässer durch Düngemittel zu verhindern, drohten die Bauern gar mit einer absichtlichen Verknappung der Lebensmittelproduktion in der Krise. Die neue deutsche Düngeverordnung wurde am Ende gegen den großen Widerstand der Bauernverbände angenommen. Das Inkrafttreten wichtiger Teile der Verordnung wurde jedoch tatsächlich vom Bundesrat um drei Monate verschoben.
Christdemokraten im Europaparlament4.DieChristdemokraten im Europaparlament(EVP) sind sich nicht zu schade, die globale Krise zu nutzen, um, ganz wie die Bauernlobby, eine erneute Verschiebung der dringend benötigten Agrarstrategie des Green Deal zu fordern. Sie nutzen die Corona-Pandemie als Steigbügelhalter, um wichtige Reformen in der Landwirtschaft zu verschleppen. Dabei wissen wir: neben dem Klimaschutz sind es insbesondere mehr Biodiversität und nachhaltige Praktiken in der Landwirtschaft, die in der Zukunft helfen können, globale Epidemien zu vermeiden. Die Agrarstrategie der EU-Kommission, die bereits im März vorgestellt werden sollte, soll nach Wunsch der EVP bis “mindestens nach dem Sommer” verschoben werden.
Plastikindustrie5.DiePlastikindustriebittet die EU-Kommission, die Frist für die Umsetzung der Einwegplastik-Richtlinie auf nationaler Ebene um mindestens ein weiteres Jahr zu verschieben. Darüber hinaus sollen alle Verbote für Einwegkunststoffe aufgehoben werden. Doch was die Corona-Krise mit Plastikbesteck und Trinkhalmen zu tun hat, können sie nicht erklären. Diese Verbote wurden in der EU-Einwegplastik-Richtlinie im Jahr 2019 beschlossen. Die Mitgliedstaaten müssen die Verbote und weitere Maßnahmen zur Verringerung der Nutzung von Einwegplastik ab Juli 2021 umsetzen.
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)6.DerBundesverband der Deutschen Industrie (BDI)hat in einem Schreiben an die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) gefordert, auf Grund der Corona-Krise die Einführung einer Datenbank für gefährliche Chemikalien in Produkten zu verschieben. Die Datenbank soll Verbrauchern, Behörden und Produzenten mehr Transparenz ermöglichen. Verbraucher sollen so besser abschätzen können, welche besonders gefährlichen Chemikalien sich in Produkten befinden und wie sie mit diesen Produkten umgehen müssen.
Der BDI erhofft sich auch, dass das Verbot von Perfluoroctansäure (PFOA), einer äußerst langlebigen Chemikalie verschoben wird. PFOA reichert sich im Körper und in der Umwelt an und wird praktisch nicht abgebaut. Die EU-Kommission hatte das Verbot dieser gefährlichen Substanz bereits im letzten Jahr beschlossen. Es soll im Juli 2020 in Kraft treten. Darüber hinaus fordert der BDI, Konsultationen zu Einschränkungen und Verboten von Chemikalien sollten verschoben werden und die Arbeit an neuen Maßnahmen erst gar nicht angefangen werden.
Business Europe7. Business Europe, der wohl mächtigste Lobbyverband in Brüssel, zu dessen Mitgliedern neben dem Bundesverband der deutschen Industrie zahlreiche namhafte deutsche Unternehmen – von Bayer und Bosch über Henkel und Siemens bis zu Volkswagen – zählen, verkündet: es sei unausweichlich, dass der Zeitplan und der Umfang neuer, großer europäischer Initiativen geändert werden müsse. Alle Konsultationen im Umwelt- und Klimabereich sollten ausgesetzt werden.
Mindestens zwei Business Europe Mitglieder,Renault und ENGIE, haben sowohl den Brief des Lobbyverbands unterschrieben, als auch den Aufruf für eine “Green Recovery”, den mehr als 180 Politiker, CEOs und Vertreter der Zivilgesellschaft unterzeichnet haben, darunter auch ich und viele andere Grüne. Sie nutzen ihren guten Namen also in öffentlichen Aktionen für Umwelt- und Klimaschutz, kämpfen aber versteckt in einer anonymen Lobbyorganisation für das genaue Gegenteil.
Einzelhändler8. Einzelhändlerhaben gleich einen ganzen Katalog von Vorschlägen, um den Green Deal aufzuweichen. Auf europäischer Ebene wollen die Vertreter der Einzelhändler unter anderem genau wie der BDI eine neue Datenbank mit Informationen zu gefährlichen Substanzen in Produkten hinauszögern. In Deutschland bitten sie die Bundesregierung, wichtige Teile des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu begraben. Auch hier sträuben sich die Verbände gegen neue Regeln zur Transparenz. Der Handelsverband Textil fordert, nach der Corona-Krise Zugangsbeschränkungen für Autos in Innenstädten, also Umweltzonen und Umweltspuren in Deutschland aufzuheben.
Schifffahrtsindustrie9.DieSchifffahrtsindustriedroht: “wenn die Fristen (des Green Deal) um jeden Preis eingehalten werden, ohne zuvor die Gesundheit unserer Wirtschaft und unserer Mitarbeiter zu berücksichtigen, werden Tausende von Unternehmen und Arbeitnehmern zurückbleiben”. Sie verschweigt, dass nur mit Investitionen in nachhaltige Schiffe Arbeitsplätze auf dauer gesichert werden können.
Die Stahl- und Zementindustrien10. Die Stahl- und Zementindustrienerhofften sich eine Ausnahme vom Europäischen Emissionshandel (ETS). Sie wollen Fristen um die Emissionen im letzten Jahr an die EU zu melden wollten sie auf Grund der Corona-Krise verschieben.
Verband der Verbrauchertechnologie11.DerVerband der Verbrauchertechnologiefordert die EU- Kommission in einem Schreiben auf, neue Ökodesignregeln für externe Netzteile auszusetzen. Diese wurden am 1. Oktober 2019 beschlossen und traten am 1. April 2020 in Kraft. Der Brief der Lobbyverbands kam erst am 6. April, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Hersteller sich schon an die neuen Regeln hätten halten müssen.
SME Europe, die Wirtschaftsvereinigung der Europäischen Volkspartei (EVP)12. SME Europe, die Wirtschaftsvereinigung der Europäischen Volkspartei (EVP),fordert in einem Schreiben an die Präsidentin der EU-Kommission ein neues “Instrument einzurichten, das es der Kommission ermöglicht, die Frist für neue Gesetze zu verschieben, die sonst während der Krise in Kraft treten würden”. Auch sie fordern unter anderem neue Ökodesignregeln für Ladegeräte zu verschieben.
Wirtschaftsrates der CDU13.Der Generalsekretär desWirtschaftsrates der CDUfordert, “alle Sonderbelastungen der deutschen Wirtschaft auf den Prüfstand” zu stellen, dazu gehören auch die Klima- und Energiepolitik. Auf EU-Ebene solle sich Deutschland “für eine zeitliche Streckung der klimapolitischen Zielvorgaben einsetzen”.
AfD14.DieAfDwill wegen der Corona-Krise die Energiewende beenden, den Kohleausstieg rückgängig machen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz abschaffen.
Umweltpolitische Sprecher der rechtskonservativen bis rechtspopulistischen EKR-Fraktion15.Derumweltpolitische Sprecher der rechtskonservativen bis rechtspopulistischen EKR-Fraktionim Europaparlament fordert von der Kommissionspräsidentin, alle neuen Gesetze und Initiativen des Green Deal bis nach der Corona-Krise zu verschieben. Die Kommission solle ihre regulatorischen Ambitionen von vor der Krise radikal reduzieren und ihre politischen Prioritäten ü
Der liberale tschechischer Premierminister16.Derliberale tschechischer Premierminister Andrej Babišwill den Green Deal gleich ganz “vergessen”.
Die polnische Regierung17.Diepolnische Regierungwill Ausnahmen für Polen vom europäischen Emissionshandel herausschlagen.
Quelle:Webseite von Sven Giegold
Webinar zu Lobbyismus in der Coronakrise
Zum Thema“Angriff der Lobbyisten auf den Klimaschutz – Wie der Lobbyismus die Corona-Krise missbraucht” organisiere ich ein Webinar am 12. Mai um 20.00 Uhr.Ich würde mich freuen, mit vielen von euch zu diskutieren, wie wir den Europäischen Green Deal stärken und vor der Lobby schützen können.
Kommentare 14
Vielen Dank für die regelmäßigen Informationen aus Brüssel.
Mit Sven Giegold und Ska Keller liefern die Grünen gute Arbeit ab in Brüssel. Hut ab !
Danke für das Feedback.
„Mit Sven Giegold und Ska Keller liefern die Grünen gute Arbeit ab in Brüssel. Hut ab !“
Kennen Sie dies?
Ihnen vielen Dank für die umfangreiche Aufzählung.
Hatten Sie etwas anderes erwartet?
"Krise" ist immer nur die Deutung der Verlierer. Auf der Gewinnerseite heißt dasselbe Ding "Geschäftsmodell".
„Never let a good crisis go to waste“ ist die Devise. Die monetären Eigentümer dieser Welt gestalten und pflegen gemeinsam mit devoten Politikern eine verhängnisvolle Kultur des permanenten fiskalischen Tohuwabohu, um ihre maßlosen Ziele zu erreichen. Hierfür nutzen sie ausnahmslos jede Gelegenheit.
Hierüber haben wir zwei vor einigen Jahren hier in Castrop-Rauxel bereits gestritten. Damals ging es im hiesigen Agora Kulturzentrum der Griechische Gemeinde um die sogenannte Griechenlandkrise. Ingo Boxhammer war auch dabei. – Damals waren Sie meiner These nicht zugänglich.
Ja Flegel, ab einer bestimmten Altergrenze ist man sich zu nichts zu fein, einer soll ja den Grabstein bezahlen, nicht wahr?
Passen Sie mal gut auf sich auf, dass Sie diese beneidenswerte Altersgrenze überhaupt erreichen.
No way Flegel, deinen Level, das packe ich beim bestem Willen nicht.
:(
Die Nachdnekseiten fand ich anfangs ganz brauchbar. Mittlerweile scheinen sie aber ihre Orientierung verloren zu haben. Ich kenne Sven Giegold ganz gut. Was sich die Nachenkseiten da aus den Fingern gesogen haben, kann beim besten Willen nicht nachvollziehen.
Dass es Lobbyisten gibt ist nicht neu. Sie gehören zur Demokratie hinzu. Auch dass sie Interessen vetreten ist nicht neu. Sonst wären es ja auch keine Lobbyisten. Der Wert der Arbeit von Sven Giegold und seinem Team liegt also nicht darin, auf ein ein bekanntes Phänomen hingewiesen zu haben, sondern darin, die konkrete Arbeit von Lobbyisten in einem konkrenten Kontext transparent und öffentlich zu machen. – Ansosnten folge ich Ihren Thesen heute so wenig wie damals, weil sie in ihrer Allgemeinheit so falsch sind wie sie richtig sind – also keine Handlungsrelevanz haben. Die reale Welt es einfach etwas vielschichtiger Ihr etwas arg holzschnittartiges Bild dieser Welt. Politik ist nun mal ein Aushandlungsprozess von uterschiedlichen und teils gegensätzlichen Interessen. Das kann man entweder halbwegs zivilisiert in einem parlamentarischen und zivigesellschaftlichen Raum machen. Oder aber man macht es unzivilisiert und versucht seine Interessen mit brachialer Gewalt durchzusetzen. Ich ziehe die zvilisierte Form vor.
»Ansosnten folge ich Ihren Thesen heute so wenig wie damals, weil sie in ihrer Allgemeinheit so falsch sind wie sie richtig sind – also keine Handlungsrelevanz haben. Die reale Welt es einfach etwas vielschichtiger Ihr etwas arg holzschnittartiges Bild dieser Welt. Politik ist nun mal ein Aushandlungsprozess von uterschiedlichen und teils gegensätzlichen Interessen.«
...
„Aushandlungsprozess“? Von welchem Aushandlungsprozess sprechen Sie?
Z.B.:
Die »zusammenbrechenden« Finanzmärkte vor gut 10 Jahren etwa waren nicht das Ergebnis von „Aushandlungsprozessen“. Sie waren das Ergebnis kriminellen, erpresserischen Handelns von Bankstern eben dieser monetären Machthaber. Sie haben in gigantischem Ausmaß über Jahrzehnte Hypothekenkredite vergeben, von denen sie wussten, dass die Immobilien das Geld nicht Wert waren und von denen sie zudem wussten, dass sie Kreditnehmer in die Insolvenz treiben.
Die infrage stehenden Bankster der monetären Machthaber wussten angesichts devoter Politiker zu jeder Zeit, dass sie mit diesem Geschäftsmodell die Politik weltweit auf sich fixieren, den Kapitalismus also einer neuen Dimension zuführen würden. Die Bevölkerungen waren ihnen nur insofern wichtig, als man sie als Arbeitskräfte und Bürgen brauchte. DA WURDE NICHTS AUSGEHANDELT – DA WURDE ERPRESST. Das wurde „unzivilisiert“ und mit „brachialer Gewalt“ durchgesetzt und kostete die Welt schließlich ca. 50-Billionen-US-Dollar.
Zwischen Anfang der 1990er und 2007 hatten Wall-Street-Banker unter den Augen der Politiker Unmengen toxischer Quasi-Geld-Derivate zusammengeschustert und es geschafft, dass deren Marktpreise stark anstiegen.
»Es dauerte nicht lange, bis die Auswirkungen überall zu spüren waren. Gewissheiten, die auf der jahrzehntealten Denke des Establishments basierten, lösten sich in Luft auf, zusammen mit Vermögenswerten in Höhe von rund 40 Billionen US-Dollar weltweit und 14 Billionen US-Dollar an Vermögen privater Haushalte allein in den USA. Dort gingen 700.000 Arbeitsplätze pro Monat verloren, unzählige Hauskäufer mussten ihr Heim wieder aufgeben, weil sie ihren Kredit nicht bezahlen konnten; die Liste ist so lang, wie die Zahlen, die sie enthält, unfassbar sind. Sogar McDonald’s – wie krass ist das denn? – bekam von der Bank of America keinen Dispokredit mehr.«
Politik hätte durchaus die Alternative zur Verfügung gestanden, die Bankeigentümer zum Schadensersatz heranzuziehen. Stattdessen wurden die Betrugsinstrumente Bail in und Bail out geschaffen, die den Bankstern Zugriff auf staatliches Geld oder auf das Geld der Einleger gewährleisten.
Es wurden „Bad Banks“ geschaffen und im Übrigen der Kapitalmarkt mit Monopoly-Geld in zig-Billionenhöhe geflutet. Ich könnte noch ein ganzes Referat über den volkswirtschaftlichen Schaden anführen, lasse es aber.
…
Z.B.:
Griechenland 2015
Alexis Tsipras war durch seine Wahl im Januar 2015 mit einem komfortablen Mandat gegen die Austeritätspolitik der EU ausgestattet gewesen und wurde durch das Referendum am 5. Juli 2015 hierin erneut überzeugend bestätigt.
Doch eine Woche später unterwarf sich Griechenlands Premier mit der "einstimmigen Einigung" vom 13. Juli 2015 völlig ohne Not wesentlich härteren Sparauflagen als jenen, die 61 Prozent der griechischen Bevölkerung in ihrem Referendum abgelehnt haben.
Alexis Tsipras selbst hatte dieses Referendum bewirkt und agitierte das griechische Parlament paradoxerweise schließlich, dieses Ergebnis am 15. Juli 2015 zu ignorieren und stattdessen den Austeritätsauflagen von Merkel/Schäuble/Dijsselbloem & Co. zuzustimmen. Und – man höre und staune – das Parlament folgte seinen empörenden Empfehlungen! –
Und damit wir uns nicht falsch verstehen, es waren jene Politiker, die er noch während seines Wahlkampfes anprangerte und die ihm für die Fortführung der Austeritätspolitik eine Mehrheit verschafften. - Seine eigenen Leute waren ihm zu Hauff davon gelaufen.
Alexis Tsipras war u. a. ausgezogen, um die Gläubiger-Troika wegzujagen, kam stattdessen jedoch mit einer Institution-Quadriga (the institutions representing creditor interests) zurück. Tsipras hat sich entgegen seiner vorlauten Ankündigung deren Kuratel unterworfen. Die griechische Regierung muss ihre Hausaufgaben also weiterhin unter Oberaufsicht der Gläubiger-Quadriga verrichten – welch eine Demütigung. Sie ist zudem lt. Erklärung des Brüsseler Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 ab sofort verpflichtet, "die Institutionen (= the institutions representing creditor interests, eigene Anmerkung) zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf zu konsultieren und sich mit ihnen abzustimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird."
Was war passiert?
Die Syriza-Regierung musste Kapitalverkehrskontrollen einführen, das Bargeld wurde knapp, durch Europa gingen Bilder von immer längeren Schlangen vor den Geldautomaten.
Das Geld wurde knapp, weil Wolfgang Schäuble der griechischen Regierung mit seinen öffentlichen Grexit-Fantasien listig einen Bankenrun an den Hals geredet hatte und in konzertierter Aktion EZB Präsident Mario Draghi ihr parallel dazu den Geldhahn zudrehte. Während der entscheidenden Nachtsitzung zum 13. Juli 2015, als Angela Merkel dem griechischen Premier Alexis Tsipras Stunde um Stunde die Folterwerkzeuge vorführte, mussten 16 Regierungschefs im Wartezimmer der Macht Platz nehmen und durften am nächsten Tag die Ergebnisse zur Kenntnis nehmen.
Nochmals: Die griechische Regierung wurde lt. Erklärung des Brüsseler Euro-Gipfels vom 12. Juli 2015 ab sofort verpflichtet, "die Institutionen (= the institutions representing creditor interests, eigene Anmerkung) zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf zu konsultieren und sich mit ihnen abzustimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird."
DA WURDE NICHTS AUSGEHANDELT – DA WURDE ERPRESST. Da wurde „unzivilisiert“ und mit „brachialer Gewalt“ durchgesetzt – von Ihrer Spezies im Übrigen.
…
Z.B.:
Europa-Wahl 2019
Die Bevölkerung durfte zwar wählen, die einflussreichen Pöstchen allerdings verteilte der europäische Politikadel unter sich, ganz im Sinne eines Belohnungssystems, das immer nur die Ergebensten auszeichnet.
Auf einmal steht die devote Politik-Eiferin Ursula von der Leyen an der Spitze der mächtigen EU-Kommission – eine Frau, die nie für die EU kandidiert hat, sich aber ansonsten als ergebene Sachwalterin der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft einen Namen gemacht hat.
Und wir haben ein schwaches, zwar gewähltes, aber als Kontrollorgan weitgehend kastriertes Europaparlament, einen zahnlosen Tiger, ein Feigenblatt.
…
Sehr dekorativ übrigens, Ihre Charakterbeschreibung, die Sie sich da zugelegt haben:
»Politik ist nun mal ein Aushandlungsprozess von uterschiedlichen und teils gegensätzlichen Interessen. Das kann man entweder halbwegs zivilisiert in einem parlamentarischen und zivigesellschaftlichen Raum machen. Oder aber man macht es unzivilisiert und versucht seine Interessen mit brachialer Gewalt durchzusetzen. Ich ziehe die zvilisierte Form vor.« – Und typisch für die meisten Politiker!
https://www.spiegel.de/politik/ausland/klimawandel-entwicklungsminister-gerd-mueller-fordert-europaeischen-green-deal-fuer-afrika-a-c01e2fc3-ae9b-4c5e-9614-233badded39d
Das ist eine sehr wichtige Forderung von dem Entwicklungsminister Müller und sollte auf europäischer Ebene unbedingt im Auge behalten werden.
Vielleicht haben Sie schon mal davon gehört, dass es auf die EU-Krise politische Reaktionen gab? Was glauben Sie denn, wie die Regulerungen der Finanzmärkte zustande gekommen sind? Das Europapaarlament unterschätzen Sie übrigens um einiges. Ohne das Europaparlament hätte es so gut wie keine Regulerungen der Finanzmärkte gegeben. Die Mitgleidsländer waren daran wenig interessiert. Davon abgesehen hätten die kleineren EU-Mitgliedsländer, die Mehrzahl der Mitgliedsländer darstellen, aufgrund ihrer geringen Größe überhaupt keine Chancen, globalisierte Finanzmärkte zu regulieren. Ich gestehe gerne zu, dass die Regulierung an vielen Stellen hätte sehr viel weiter gehen können und müssen. Aber ohne das Europäische Parlament hätte es keine auch nur im Ansatz wirksame Regulierung gegeben.
Ja schön. Aber ich frage mich trotzdem, wie man eine Schattenbank, die die EZB berät regulieren will.
»Vielleicht haben Sie schon mal davon gehört, dass es auf die EU-Krise politische Reaktionen gab?«
Sehen Sie, Sie reden über das Agieren der Politiker DANACH. Wo waren Sie (Plural) eigentlich WÄHREND der Entstehungsprozesse. Die Ereignisse, die zur Lehman-Pleite geführt haben, sind über einen Zeitraum von mindestens einer Dekade entstanden. – Unter den AUGEN der Politiker!
Ähnliches könnte ich Sie hinsichtlich Zypern fragen, hinsichtlich Griechenland, hinsichtlich Italien, wo Politik, auch die der EU, nach allen Regeln der Kunst immer wieder nahezu ausschließlich Banken gerettet hat, zu Lasten der Bevölkerungen.
»Ohne das Europaparlament hätte es so gut wie keine Regulerungen der Finanzmärkte gegeben.«
Von welchen Regulierungen sprechen Sie? Von den Minibeschränkungen, die Banken immer nur aufschreien, aber nicht abschrecken lassen und die nichts andres sind als ein Feigenblatt. Reden Sie von den lächerlichen Crashtests für Banken, von der Haftung der Bankeninhaber?
Die Regulierungen, die von Politik getroffen wurden, waren resp. sind Geschenke an die monetären Machthaber, nennen sich Bad Bank, Bail-in, Bail-out, regulieren geradezu deren Zugriff auf öffentliche Gelder bzw. auf die der Einleger. Theoretisch müssen seit einiger Zeit Bankeninhaber mithaften, doch über die praktische Handhabung lachen die sich kaputt, liefern Nationen ein fiskalisches Tohuwabohu nach dem anderen.
Auf meine konkreten Beispiele, die ich ausnahmslos IMMER anwende, antworten Sie politikertypisch mit einem lapidaren Satz: »Ich gestehe gerne zu, dass die Regulierung an vielen Stellen hätte sehr viel weiter gehen können und müssen.« So machen es Politiker immer, um sich danach ungeniert von ihrer Routine leiten zu lassen.
Ich betrachte derartige Aussprüche als Lächerlichkeitspose, weil sie keine Konsequenzen haben.
»Aber ohne das Europäische Parlament hätte es keine auch nur im Ansatz wirksame Regulierung gegeben.« – ALS DA WÄREN?
Wissen Sie nicht, dass sich Regierungen – nicht nur in Deutschland – einen Dreck um Regelwerke scheren, dass sich Big Money einen Dreck um bestehende Regelwerke kümmert?