Standpunkt: STOP! ES REICHT!

zu Guttenberg Manchmal reicht es nicht aus eine Haltung zu haben, ich muss sie äußern. Sonst mache ich mich gemein mit Menschen und einer Sache, die nicht die meine sein kann:

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Lange nehme ich zu Guttenberg „nur“ als optischen Zwilling von Kai Diekmann (Bild) und Artgenossen von Lothar Matthäus (Franke) wahr. „Geblendet“, das muss ich vielleicht doch hinzufügen werde ich höchstens von der Sonne und beherzige ansonsten beim Blick auf die Welt, den Satz: es gibt nichts, was es nicht gibt.

G’s Plagiat überraschte mich nicht wirklich. Das liegt aber weniger an seiner Person, sondern begründet sich durch meine Erfahrungen im Wissenschaftsbetrieb. Auch dort wird nur mit Wasser gekocht und reproduzierendes Studieren und Arbeiten (ja, ja mit Quellenangabe und Fußnoten) macht das Hauptgeschäft des Wissenschaftsbetriebes aus.

Journalismus verstehe ich als anwendungsbezogene Zunft, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert im Selbstverständnis des ‚gatekeepers‘, Ereignisse und Informationen als „Fakten“ der Öffentlichkeit präsentiert. Presserechtlich zumindest wird unterschieden zwischen Tatsachenbehauptungen (Äußerungen, die notfalls ‚objektiv‘ überprüft werden können, z.B. Meldungen, Nachrichten, Reportagen etc.) und Meinungsäußerungen (subjektiv, wertende Stellungsnahmen, z.B. Kommentar, Kritik, Glosse, Essay).

Allerdings verkauft sich Meinung besser als abwägende Diskussion. Und nicht nur für den Leser ist sie ist weniger anstrengend als die eruierende Nachfrage . Längst ist journalistischer Usus, meinungsäußernde Artikel zu veröffentlichen und sie durch die Hintertür als objektives Statement zu gewichten. Nicht ein Journalist behauptet xyz. Vielmehr lässt Redaktion (hier: STERN online) einen Außenstehenden, einen der es doch genau wissen muss, demnach einen Angehörigen der wissenschaftlichen Zunft, zu Wort kommen: www.stern.de/politik/deutschland/psychoanalytiker-ueber-guttenberg-inszenierung-eines-chaoten-1756615.html

Zum Thema Ferndiagnosen hat Magda in einem anderen Zusammenhangwww.freitag.de/community/blogs/magda/all-about-angela---von-friesen-bis-jung, Stellung bezogen. Zur Psychoanalyse, ob in Form von wissenschaftlicher Theorie oder therapeutischer Methode mangelt es mir seit jeher an Einsicht und an Glauben. Der Rest ist Fremdschämen und Til Mette .

Ps) Guttenbergs/Di Lorenzos Buch habe ich zwischenzeitlich gelesen. Vorsätzliche Täuschung und da gebe ich G. recht, ist im Falle einer geisteswissenschaftlichen Arbeit genauso aufwendig, wie die Arbeit mit jenen kleinen Ziffern zu versehen, die auf ein Zitat hinweisen oder Literaturübername kennzeichnen. Einen ghostwriter zu beauftragen wäre dann die bessere Variante. Dieser wiederum könnte sich Handwerkspfusch dieses Ausmaßes schon aus rein geschäftsschädigenden Gründen allerdings nicht leisten.

Schludrigkeit, PfuschHandwerk und Selbstüberschätzung kenne ich. Sie haben sich mir unauslöschlich eingebrannt: In meiner Vordiplomsarbeit schreibe ich über Neill und Summerhill (anti-autoritäres Erziehungs- und Schulkonzept). Den damaligen ‚Erfolg‘ dieses Erziehungskonzeptes möchte ich in die Ecke der personengebundenen (statt theoretischen) Leistung rücken und schreibe beflügelt im Rausch meiner Beweisführung den Schlußsatz: „… zeigt sich auch daran, dass die Schule nach Neils Tor geschlossen wird“. Einige Wochen später (Arbeit war durch, Hauptstudium begonnen) höre ich im Radio, dass Neills Tochter Zoe die Schule weiter führt.

Gravierender fällt ins Gewicht, was ich Jahre später bei der Vorbereitung einer Doktorarbeit erlebe: In einer interdisziplinär angelegten Arbeit wird mehrfach die niederländische Grundlagenforscherin und Erziehungswissenschaftlerin Heijting zitiert. Der zuständige C2 Professor und Rektor der Universität streicht den Namen Heijting durch und ersetzt ihn durch ‚von Hentig‘ (Pädagoge und Leiter der Laborschule in Bielefeld).

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kmv

kmvotteler | Jedes ausgesprochene Wort erregt den Gegensinn. (Ottilie, Die Wahlverwandtschaften)

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