Die Freundschaftsfalle

friendly fire - Beobachtet man junge Menschen zwischen 20 und 35 Jahren in der Arbeitswelt, kann man schnell ins Nachdenken kommen. Die Kollision der Werte ist nicht zu übersehen.

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Zwei Freundinnen beginnen in der gleichen Firma in derselben Abteilung. Nach einiger Zeit wird die Ehrgeizigere von beiden befördert. Die Pausenzeiten ändern sich, der Umgang von Vorgesetzten mit Untergebenen in der Freizeit wird, außer bei teambildenden Maßnahmen, nicht gern gesehen. Nach kurzer Zeit geht die beförderte Freundin meist allein zum Essen, die Andere aber hat sich eine neue Freundin für die Mittagspause gesucht.

Freundschaft, Loyalität und Treue zueinander, sind Werte, die im derzeitigen Arbeitsleben nur äußerst selten zu finden sind. Freundschaften pflegt man außerhalb der Firma, wenn man denn dazu kommt, treu ist man seinem Partner, wenn man denn einen hat, und die Loyalität gehört der Familie. Für die Arbeitswelt, die für sämtliche Beteiligte genau so viel Platz im Leben einnimmt, wie die drei oben genannten Bereiche des sozialen Lebens zusammen, bleiben somit nur die ich-bezogenen Werte übrig. Konkurrenzdenken, Wettbewerb und Durchsetzungsfähigkeit gegen Andere.

Nun ist eine solche Organisation der Arbeitswelt nicht nur nicht effektiv oder effizient, sondern ganz im Gegenteil, sie ist verschwenderisch und gesellschaftlich schädlich. Leider wird von den Beteiligten im Arbeitsprozess nicht erkannt, wie sich dort selbst eine scheinbar effiziente und effektive geschäftliche Vorgehensweise vorgegaukelt wird, indem starre Bewertungsparameter und Regelvorgaben nur quasi erfüllt oder mit Nichtigkeiten gefüllt werden. Hinzu kommt die fehlende Weitsicht, den Effekt des eigenen Handelns in genau diesem Unternehmen auf die Außenwelt widerzuspiegeln und zu reflektieren.

Nimmt man die derzeitigen Branchen in denen im europäischen Dienstleistungsbereich viele Menschen tätig sind, sind das: Kreditwesen, Tourismus, Telekommunikation, Unterhaltung, Konsumgüter.

Individualtourismus mal ausgenommen, aber der wird ja meist auch nicht über eine Hotline verkauft, sind es all diese Bereiche, die zum Wertekanon der jetzigen jungen Generation der 20 bis 35 Jährigen geführt haben. Dazu, den Arbeitsplatz als einen Ort zu sehen, an dem man höchstens Allianzen schliesst, aber ansonsten keine Gefangenen macht. An dem man einen "Job to do" hat, und das "Teamwork" vom Vorgesetzten beschworen wird, weil die Höhe seines Monatsgehalts vom erreichen der Zielvorgaben für sein Team abhängt.

Wie Paul Verhaeghe scheibt:

"The current economic system is bringing out the worst in us."

Es scheint er hat damit recht, denn die Verteilung der Werte, bei einer Vollzeitbeschäftigung führt dazu, dass der Egoismus der Karrieristen, welcher ja wiederum Abwehrmechanismen der Übergangenen und Geopferten bedingt, wozu Alkohol und Drogenkonsum, innere Kündigung, Krankeitserscheinungen, und letztlich eine hohe Fluktuation in den Unternehmen gehören, Überhand nimmt. Die ausgleichenden Pole, welche die menschliche Seele in langjährigen Freundschaften, einem gesunden Familienleben und einer vertrauensvollen Partnerschaft finden kann, können diese negativen Einflüsse nicht ausgleichen.

Der Widerspruch in sich setzt sich fort, wenn man mit beachtet, dass es genau die Arbeitgeber in diesen Branchen sind, welche für diesen Wertekanon und die Gewichtung mit verantwortlich sind. Ältere wissen noch, welche Kritikpunkte gegen die Ausweitung von Privatfernsehen hervorgebracht wurden. Die negativen Auswirkungen auf den Bildungsstand der Gesellchaft haben viele damals bereits vorausgesehen. Es waren und sind die Verführungs-, Ablenkungs- und Gierindustrien, welche dieses Bild der Gesellschaft vorhalten und in den Unternehmen, die ihnen dienen, wird ein Alltag konzipiert, der glauben machen soll, dieses Konzept funktioniert.

Tut es aber nicht.....,

denn es geht nicht um Effizienz und Effektivität.

In all diesen Branchen soll nicht der bestmögliche Service für annähernd Jeden, unter sparsamen Einsatz der Mittel geboten werden, sondern es geht erst einmal darum, dass überhaupt ein Service existiert, mit dem man sich schmücken kann, denn man weiss, dass inzwischen 90% der Kunden ohne die Hotline auskommen. An denen wird so viel verdient, dass die "Problemfälle" kaum ins Gewicht fallen. Nimmt man die 90% als Basiswert, müsste eigentlich jeder "Problemfall" handgestreichelt und dreimal gewickelt werden können, wenn das Geld im Großen und Ganzen fast nur noch durch die Maschinen und ein paar IT-Ingenieure verdient wird.

Man stelle sich vor, es gäbe Wettbewerb in der Geschäftswelt, auch dann könnte kein Unternehmen es sich erlauben, auch nur einen Kunden wegen schlechtem oder zu spätem Service zu verlieren. Nun treten die verschleierten Duo- oder Oligopole zwar immer weiter aus dem Nebel hervor, aber wenn man gänzlich damit beschäftigt ist, sich ablenken zu lassen, von Sony, oder Apple, dann merkt man am Ende auch nicht mehr, was es bedeutet, wenn es nur noch Sony-Äpfel gibt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

knattertom

reisewütiger Mit40er der "D" den Rücken gekehrt hat, um neues zu entdecken. Interessierter Beobachter von aussen so to say...: knattertom@freenet.de

knattertom

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