Nachdem bekannt wurde, dass die EU-Kommission bereits seit Jahren, vorrangig mit Wirtschaftsvertretern aus den USA und aus Europa im Geheimen über die Schaffung der weltweit größten Freihandelszone berät und im Sommer 2013 bereits die erste, ebenfalls geheime Verhandlungsrunde zwischen den USA und der EU-Komission lief, war die Empörung groß.
Nun sind inzwischen viele weitere Details zu diesem geplanten Abkommen bekannt geworden und die prognostizierten positiven Effekte, wie gesteigertes Handelsvolumen, neue Arbeitsplätze und höheres Wirtschaftswachstum erscheinen vor dem bekannten Hintergrund zumindest als sehr fraglich.
Und doch, trotz der Kritik am undemokratischen Vorgehen in dieser Sache und weitreichenden Zweifeln am Nutzen eines solchen Abkommens, wird weiter intensiv verhandelt. Die von vielen Kritikern befürchtete Harmonisierung von Gesetzen und Richtlinienen, jeweils auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner der Vertragsstaaten, wird von den Beteiligten zwar bestritten, Instrumente, welche ein solches "race to the bottom" verhindern könnten, sind aber bisher nicht bekannt geworden.
Vielmehr wird das intransparente Vorgehen der EU-Kommission als erforderlich bezeichnet, um die Verhandlungsposition Europas gegenüber den USA zu stärken, was, in Anbetracht der, durch die USA, in Europa betriebenen Abhöraktivitäten und Spionage, nur als Scheinargument betrachtet werden kann. Gleichzeitig aber werden somit auch die europäische Bevölkerung und die nationalen Parlamente, sowie das EU-Parlament, an den Verhandlungen nicht beteiligt und letztere dürfen das Endergebniss dann lediglich "im Paket" abstimmen, was bei Schriftsätzen von mehreren tausend Seiten erfahrungsgemäß ohne die notwendige Sorgfaltspflicht und in "blindem Vertrauen" geschieht.
Neben den heftig kritisierten Investitionsschutzklauseln, welche ihren Ursprung in Vetragswerken mit Entwicklungsländern haben, um z.B. willkürlichen Enteignungen vorzubeugen, und die zu Schiedgerichtsverfahren, unter Ausschluss der eigentlich zuständigen Gerichte, führen können, stoßen auch die Pläne zur Liberalisierung von Marktzugängen, von regulatorischen Fragen und von nichttarifären Handelshemmnissen vermehrt auf Widerstand.
Interessanterweise sind solche Schiedgerichtsverfahren in Europa bereits in vielen Vetragswerken zu so genannten Public-Private-Partnership Projekten enthalten und führten in der Vergangenheit bereits zu unangenehmen Folgen.
Das in England, unter der Labour-Regierung von Tony Blair, entwickelte PPP-Konzept entstand vor dem Hintergrund der schlechten Erfahrungen mit Privatisierungen von Staatseigentum in der Thatcher-Zeit.
Nun ist Deutschland mit ca. 130 PPP-Pilotprojekten, im Vergleich zu England, ein noch weitgehend unbeackertes Feld für die regelmässig in diesem Bereich agierenden europäischen Big-Player Hochtief, Bilfinger Berger, Serco (England), SKE (deutscher Ableger von Vinci), Goldbeck und Royal BAM Group (Niederlande). Deren Bemühungen um Aufträge in Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand erstrecken sich bisher auf Schulen, Rathäuser, Krankenhäuser, Gefängnisse, Straßen, Straßenbeleuchtung, und es werden laufend weitere Projekte konzipiert.
Eine eher unrühmliche Rolle im Gesamtszenario spielt die Bertelsmann-Stiftung:
In seinem Text stellt Pan Pawlakudis bereits die Verbindung zwischen TTIP und PPP her und dieses wohl sehr zu Recht.
Wird die "Liberalisierung von Marktzugängen" bedeuten, das das TTIP Investoren in Zukunft Tür und Tor für PPP-Projekte öffnet, nur weil in anderen Staaten solche Projekte bereits weitere Verbreitung gefunden haben?
Soll hiermit, über Umwege, Projekten der Weg geebnet werden, die ansonsten am Widerstand der Öffentlichkeit scheitern würden, wie z.B. privat betriebene Justizvollzugsanstalten?
Neben den bereits an vielen Stellen formulierten Kritikpunkten am TTIP, ist dieses ein weiterer Kritikpunkt, der weit schwerer wiegt als die Frage, ob ein Hänchenschenkel vor dem Verpacken in einem Chlorbad keimfrei gemacht wurde.
Tom, 13.05.2014
Weitere Links zum Themenkomplex.
Pan Pawlakudis - SPD - Kommunale Auswirkungen von TTIP
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