Operation am offenen Herzen

Sozialunion Kurz vor dem Europawahltermin mehren sich die Stimmen aus der Regierungskoalition gegen den Zuzug von Ausländern in das deutsche Sozialsystem.

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In zwei Interviews, einem mit der "FAZ" vor einigen Tagen und einem mit der "Passauer Neuen Presse" von Heute, betont Angela Merkel, in Hinblick auf die just veröffentlichten Zahlen, zu Migrationsbewegungen und an Nicht-Deutsche ausgezahlte Sozialleistungen, dass die Europäische Union keine Sozialunion sei.

Nun könnte man diese Äusserungen, mit dem Hinweis auf die Europawahlen am nächsten Wochenende, als reines Wahlkampfgetöse abtun, sollte sich aber gleichzeitig fragen, ob es damit getan ist, denn gewöhnlich kommen solch zuspitzende Aussagen vor Wahlterminen häufiger vor, aber doch kaum aus dem Mund der Kanzlerin und Parteivorsitzenden, sondern sonst eher aus der zweiten oder dritten Reihe der Parteisoldaten.

Auch kann es verstören, wenn in Hinblick auf die verfehlte Politik um die Staatsschuldenkrise in Griechenland, deutsche und ausländische Banken und deren Investoren mit deutschen Steuergeldern vor Verlusten gerettet werden, aber Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten, die während ihrer Arbeitssuche in Deutschland die hier üblichen Sozialleistungen beziehen, eine betrügerisches und unsoziales Verhalten unterstellt wird.

Also, ist die EU, nach dem Verständnis der Kanzlerin nur so lange eine Sozialunion, so lange es Investoren vor Verlust zu bewahren gilt, sobald aber die Benachteiligten einer nicht existenten Sozialunion für alle, sich an den Ort begeben, an dem die Verwerfungen, der nicht selbstverschuldeten Krise, noch die geringsten Auswirkungen zu haben scheinen, dann ist ganz schnell Schluss mit "sozial".

Nun sind es ja vor allem die Töne der "Christlich Sozialen Union" mit Ihrem dummdreisten Slogan "Wer betrügt, der fliegt", welche die gesamte Diskussion mit ausgelöst haben.

Das dabei gleich mehrere Errungenschaften des europäischen Einigungsprozess, die allgemeine Freizügigkeit und die freie Wahl des Arbeitsplatzes in Frage gestellt werden, lässt Zweifel daran aufkommen, inwiefern unsere Politiker überhaupt noch hinter der Europäischen Idee stehen.

Im Zuge der SPD/Grünen-Regierung unter Gerhard Schröder, wurde das deutsche Sozialsystem stark beschnitten, den Menschen eigentlich zustehende Leistungen, wie die Arbeitslosenhife, wurden gestrichen. Aber trotzdem ist die Situation für Menschen, die ihre Arbeit verlieren, in Deutschland noch immer sehr viel erträglicher als in den meisten anderen EU-Staaten. Bereits damals von der Oppositionsbank und später als Regierungspartei, hätte die Union ausrechend Zeit und Gelegenheit gehabt, mit dafür zu sorgen, dass sich ein ähnliches Sozialsystem in anderen europäischen Ländern ebenfalls durchsetzt. Verantwortungsvolle und vorausschauende Politik hätte versucht, genau dafür zu sorgen, um einer Situation, wie aktuell vorzubeugen und die Einheit Europas von Grund auf zu stärken.

Allerdings wäre es dann heute nicht möglich die Bevölkerungen der einzelnen EU-Staaten in der Form gegeneinander aufzubringen, wie es die derzeitige Politik tut. Als unvoreingenommener Beobachter könnte man in Angesicht der jetzigen Situation unschwer zu dem Schluss kommen, dass einigen Beteiligten an einer wirklichen Europäischen Union nicht im geringsten gelegen ist, sondern das diese für manche der Verantwortlichen einzig als falsches Alibi zur Befriedigung von Klientelinteressen dient.

Linksammlung:

FAZ - Europawahl

Yahoo

Nachrichten.de

AFP - Sarkozy regt deutsch-französischen Wirtschaftsraum an

Yahoo - Interview mit Martin Schulz

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

knattertom

reisewütiger Mit40er der "D" den Rücken gekehrt hat, um neues zu entdecken. Interessierter Beobachter von aussen so to say...: knattertom@freenet.de

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