Wenn der Feind abhanden kommt.

Gesinnungskontrolle Im Januar 2011 rief die baskische ETA einen einseitigen Waffenstillstand aus, der seitdem nicht gebrochen wurde, doch Versöhnung ist bisher nicht in Sicht.

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Heute berichtet Matthias Monroy auf Netzpolitik.org über eine auf das Internet fokusierende Aktion der spanischen Guardia Civil gegen Sympathisanten der militanten baskischen Organisation ETA.

Im Rahmen der sogenannten landesweiten "Operation Spinne" wurden bisher 21 Menschen verhaftet, die im Internet, z.B. auf Facebook oder über den Infodienst Twitter, nach Ansicht der Behörden, die Gewalttaten der ETA verharmlosten oder Sympathie für die ETA bekundeten. In einigen Fällen wird auch vom Aufruf zu weiteren Straftaten ausgegeangen.

Etwas ausführlicher wird über einen Internetnutzer berichtet, der wohl Online seine Sympathie für die Ermordung von Luis Carrero bekundet hat. Dieser war 1973, kurz nach seiner Ernennung zum Premierminister durch General Franco, bei der Explosion einer Autobombe der ETA getötet worden.

Die ETA, je nach Standpunkt des Betrachters, Terror- oder Befreiungsorganisation genannt, hat inzwischen eine über fünfzigjährige Geschichte. Sie war, nach der Niederlage der republikanischen Kräfte im Spanischen Bürgerkrieg, eine der treibenden Kräfte im Kampf gegen den Franco-Faschismus und erlangte in dieser Zeit eine breite Unterstützung in der Bevölkerung, weit über die Grenzen des Baskenlandes hinaus.

Das von dieser Polizeiaktion auch Menschen betroffen sind, die der "Glorifizierung der Taten des Francofaschismus" verdächtigt werden, ist im übrigen bisher nicht belegt.

143.353 Fälle nennt Empar Salvador, Sprecherin eines Zusammenschlusses von Hinterbliebenenverbänden, die seit Jahren in allen Regionen Spaniens nach Massengräbern aus den Jahren 1937 bis 1975 forschen und sie ausheben.

Nach der Beendigung der Diktatur 1975 und im Zuge des Übergangs zur demokratischen Ordnung Spaniens wurde der militante Kampf der ETA aber nicht beendet, was auf wenig Gegenliebe in der Bevölkerung stiess. Insbesondere nach der Verabschiedung des Autonomiestatutes für das Baskenland im Jahr 1979, sahen viele den weitergeführten Kampf mehr und mehr als reinen Terrorismus an. Allerdings gründete sich im gleichen Jahr die Herri Batasuna, welche als legaler Arm der ETA angesehen wurde und im ersten Regionalparlament mit 18% des Stimmen vertreten war.

Als Reaktion auf den fortgesetzten gewalttätigen Kampf, wurden, zum Teil mit Unterstützung der regierenden PSOE, Todesschwadrone aufgestellt, was die Lage erneut verschärfte. Durch diese Schwadrone wurden nachweislich 28 Menschen ermordet, viele davon ohne Verbindungen zur ETA. Die Verwicklung der Regierung in diesen guerra sucia (schmutziger Krieg), führte später zu Verurteilungen einiger hoher spanischer Beamter und des ehemaligen Innenministers, zu langen Haftstrafen.

Begleitend hatte es bereits seit Ende der siebziger Jahre Gespräche auf verschiedenen Ebenen zwischen der Regierung und den Separatisten gegeben, welche zu verschiedenen einseitigen Waffenruhen der ETA führten, so 1981, 1988 und 1996. Neben der Unabhängigkeit des Baskenlandes von Spanien und Frankreich, forderten die Baskischen Unterhändler auch die Verlegung von ETA-Mitgliedern, die über ganz Spanien verteilt in Haft waren, in Gefägnisse im Baskenland oder in benachbarten Spanischen Provinzen.

Nachdem auch eine weitere einseitige Waffenruhe zwischen September 1998 und November 1999 zu keiner Annäherung der Positionen geführt hatte und die ETA zum gewalttätigen Kampf zurückgekehrt war, beschlossen die Parlamentsparteien PP und PSOE den sogenannten Antiterrorpakt, in dessen Verlauf im Jahr 2003 auch die Batasuna und zwei nachfolgend gegründete Parteien, als deren Nachfolgeorganisationen, verboten wurden, weil der Oberste Spanische Gerichtshof es als erwiesen ansah, das die Batasuna als legaler Arm der ETA fungierte und zur finanziellen Unterstütztung diente. Diese Entscheidung wurde im Baskenland scharf kritisiert. Die Basken sahen in diesen Schritten den Versuch, den gesamten Baskischen Nationalismus zu diskreditieren und zu kriminalisieren.

Im Februar 2004 verkündete die ETA, nach Verhandlungen mir der Regionalvertretung der autonomen Spanischen Provinz Katalonien, dort in Zukunft keine gewalttätigen Aktionen mehr auszuführen.

Im März 2006 erklärte die ETA erneut einen, bereits seit längerem erwarteten dauerhaften Gewaltverzicht und kurz darauf kam es zu Gesprächen mit der inzwischen regierenden PSOE unter dem Ministerpräsidenten Zapatero, dem daraufhin von der oppositionellen Partida Polpular (PP) der Bruch des Antiterrorpaktes vorgeworfen wurde.

Erneut war eine Chance zur Beilegung des bewaffneten Konflikts vertan, denn auch innerhalb der ETA gab es unterschiedliche Einschätzungen zur richtigen Vorgehensweise und noch im Jahr 2006 übernahm ein Kritiker der Annäherung die Macht innerhalb der ETA. Der Bombenanschlag auf den Madrider Fughafen Barajas am 30. Dezember, bei dem zwei Ecuadorianer getötet wurden,, beendete den Dialog.

Die Spirale der Gewalt begann sich wieder zu drehen und in den folgenden Jahren wurden vermehrt Führungskader der ETA identifiziert und verhaftet. Nach Rückkehr des verhandlungsbereiten Josu Ternera an die Spitze der ETA im Jahr 2009 lehnte die spanische Regierung aber, nach dem Bruch der Waffenruhe von 2006, weitere Verhandlungen ab.

Eine Reihe von Bombenanschlägen im Juli 2009, darunter ein Angriff auf die Polizeikaserne in Burgos mit 60 Verletzten und mehrere weitere auf der Baleareninsel Mallorca, bei denen zwei Polizisten getötet wurden, stellt das bisherige Ende der Gewalt dar.

Am 5. September 2010 erklärte die ETA erneut einen Waffenstillstand. Am 10. Januar 2011 wurde ein weiteres Communiqué der ETA verbreitet, in dem ein „dauerhafter und allgemeiner Waffenstillstand“ erklärt wurde, welcher durch die "internationale Gemeinschaft" verifiziert werden kann.

Am 20.10.2011 erklärte die ETA das definitive Ende ihrer bewaffneten Aktivitäten und die drei bisher verbotenen Parteien schlossen sich mit weiteren sozialistischen Kräften der Region zum Wahlbündnis "Bildu" zusammen, welches bei den baskischen Regionalwahlen auf 26% der abgegebenen Stimmen kam.

Im November 2012 erklärte sich die ETA zur Auflösung bereit, stellte dafür jedoch folgende Forderungen:

- Verlegung aller inhaftierten ETA-Mitglieder in Gefängnisse im Baskenland.

- Legalisierung der Parteien Batasuna, EHAK und ANV.

- das Recht, die Waffen im Besitz der Organisation nicht abzugeben.

Im Sommer 2013 wurde in Spanien ein grosser Prozess gegen ca. 80 Personen eröffnet, denen keine direkte Beteiligung an den Aktivitäten der ETA, sondern vor allem die Parteimitgliedschaft in verbotenen Organisationen und das "Entschuldigen von Terror" zur Last gelegt wird.

Das Bündniss "Bildu" verurteilte diesen Prozess scharf und aus einer hierzu veröffentlichten Erklärung entnahmen viele die Drohung, zum Terrorkampf zurückkehren zu wollen, was bisher aber ausgeblieben ist.

Das Fazit des bewaffneten Kampfes der ETA. Bis heute sind 837 Todesopfer zu beklagen.

Die nun angelaufene Aktion der spanischen Exekutive, welche mit "Straftatbeständen" wie das "in den Schmutz ziehen der Opfer" oder "das glorifizieren der Taten der ETA", dem "Herbeiwünschen von Terrorismus” oder dem “Willkommenheißen terroristischer Gefangener” begründet wird, erscheint vor den geschichtlichen Hintergründen kaum gerechtfertigt.

Das die wirtschaftliche Situation in Spanien, vor allem für die Jugend des Landes, inzwischen so prekär ist, das scheinbar auch der bewaffnete Kampf für einige wieder zu einem vorstellbaren Weg wird, sollte natürlich sämtliche Alarmglocken aktivieren, eine gezielte und einseitige Kriminalisierung der Jugend aber wird die Ursachen für solches Denken nicht beseitigen und kann im schlimmsten Fall zu einem erneuten in Gang setzen der Gewaltspirale führen.

Weitere Links:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/spanien-eta-ruft-dauerhaften-waffenstillstand-aus-a-738644.html

https://linksunten.indymedia.org/de/node/73585

http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Eta-bedauert-Opfer;art4306,1355311

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-02/spanien-eta-teilentwaffnung

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Geschrieben von

knattertom

reisewütiger Mit40er der "D" den Rücken gekehrt hat, um neues zu entdecken. Interessierter Beobachter von aussen so to say...: knattertom@freenet.de

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