Cocaine

Laid-back Glanz ohne Licht

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Wenn wir schon so viel Fokus auf die Federn des Tyrannosaurus verschwenden, dann vielleicht auch auf selige des Manitus.

Ich war ziemlich spät damit dran. In meinen Jahren des Gymnasiums. Wohl rowdyartiger Schreck manch Lehrers, schon mit eigener Karre und Wohnung, dessen einzige Eins in Kunst vergönnt war.

Musikus, der von einer Lebenslustigen, die sich auch bereits als Photomodell verdingte und mit professionellen Mukern in Frankreich befreundet war, abgesehen, mit den ‚Kiddies‘ an der Schule nichts anfangen könnend, mit ausgewachsenen Hirschen verkehrte.

Unter ihnen einer, der in letzten Zügen seines Studiums zum Gymnasiallehrer befindlich, abends auszuspannen pflegte. Wobei ich öfter mal zugegen war. Zuweilen klampften wir im Duo. Meist aber erhob er sich regelmäßig, um Platten aufzulegen oder umzudrehen.

Und eines Tages hatte er eben erst eine mir unbekannte aufgelegt, als ich elektrifiziert eruierte, was für teuflisch gutes Zeug das war.

Noch in den Siebzigern, kannte ich aus dem und vorausgegangenem Jahrzehnt verdammt nochmal so reichlich Göttliches in Realtime, wie es die Welt weder zuvor noch jemals danach gehört hat.

Und doch, war das, was da gerade vom Plattenteller kam, eine Offenbarung, als ob sich ein Zentner Gold unterm Bett fände, von dem man bis dahin nichts gewußt hatte.

Meinersich kann, oder konnte jedenfalls auch Tanzen wie wohl Wenige (wenngleich nicht häufig, da eher Aufsehen meidend), und was da erklang, machte es fast unmöglich zu sitzen, ohne wenigstens zum Rhythmus zu zappeln. Zugleich bei Leibe kein One-trick-Pony; mit jedem Song etwas komplett Neues, Eigenständiges, kein bißchen weniger Gutes, und jedes Mal eben sonor.

Und wie sich über nachfolgende Zeit herausstellte konstant über mindestens acht aufeinanderfolgende Alben. Das hat noch kein Künstler fertiggebracht. Und deshalb ist auch wohl niemand sonst von so vielen populären Acts verschiedenster Stile gecovert worden.

Ja, so manche entstanden dadurch. Wie etwa Dire Straits. Als die Aufkamen schlugen sie ein wie Bombe. Die Leute waren hin & weg. Ihr Zeug wurde in sämtlichen Kneipen, Clubs und auf Radiosendern genudelt, daß es kein Entkommen mehr gab.

Ich fand die Musik auch gut, war aber sauer. Zum einen, da wieder einmal der Schöpfer unbekannt blieb, und zum anderen die Knopflerbrüder nicht eingestehen mochten, woher sie Stil und Handwerk hatten. Sie gestanden es erst ein, nachdem sie die Band aufgelöst hatten.

Da war Clapton offenherziger gewesen, der ohne dieses Material nach Yes verschollen gegangen wäre (und erst sehr viel später selbst wirklich guten Stoff produzierte). –Und dennoch dem Bekanntheitsgrad der Quelle zu wenig Auftrieb verhalf.

Dabei ist zu keiner Zeit irgendein Cover an ihr Original herangekommen. (Was Original und Cover ganz allgemein zu etwa 99,5% so an sich haben.)

Die Rede ist von J.J. Cale, der nicht nur genialer Songschreiber, sondern ebensolcher Gitarrist war.

Neil Young hat einmal geschrieben: "Of all the players I ever heard, it's gotta be Hendrix and J. J. Cale who are the best electric guitar players."

Und er hat sich damit immer noch schwer vertan. Denn nach Cale kommt sehr lange nichts, und dann Geniale wie Blackmore, Page & co. (Ohne irgendeinen der vielen phantastischen Spieler herabwürdigen zu wollen.)

Weil J.J. Cale uneinholbar virtuos gewesen wäre? Nein.

Das verrückte ist, daß seine Spieltechnik jedem Lehrer ein Graus zu sein hätte. Abgespreizte Finger, absenter Halt, etc.

Dennoch vermochte er mit dem Instrument zu singen wie niemand sonst. Artikulation: Einzigartig. Die Originalität oben drauf.

Kompositorisch unterdessen: Halbwertzeit wie nichts Anderes. Nichts läßt sich über dermaßen lange Zeit immer wieder anhören, ohne Sättigungsgrenze zu erreichen. Jedenfalls nicht bei empfänglichen Ohren und Puls.

Teils wohl auch in der Lebendigkeit des Vortrags in den Studioaufnahmen begründet. Die soll sich auch daraus ergeben, daß der Mann befreundete Sessionmusiker hinzuholte, ihnen die Tracks vorspielte, erklärte, was er dazu wollte, und sie dazu improvisieren ließ, um zuweilen gleich nach dem ersten Take zu schließen, selbst wenn die Musiker darum baten, es noch einmal probieren zu dürfen. Er wußte auch als Produzent, was in der Stimmung perfekt ist.

J.J. Cales ist ein unschlagbares Exempel dafür, wie Sachfremdes Popularität in verschiedensten Künsten bestimmt. Schall & Rauch. Image, Prestige, Frequenz.

Hier auch damit verbunden, daß er sich weigernd, PR, Celebrity-Zirkus oder Playback mitzumachen, lieber jährlich spontane Gigs in Kneipen absolvierte. Jahrzehntelang keine Interviews, kein Nichts.

Ein Audiokollege hatte DAS Konzerterlebnis ohne jede Ankündigung in einer Schulaula vor einer Handvoll Publikum.

Doch darüber neugierig, was für ein Typ es fertigbringt, reihenweise und lückenlos solche Dinger rauszuhauen, Anfang der Achtziger ein Plattenlabel in London angeschrieben, antworteten die ganz ohne Flachs, sie wüßten auch Nichts, wären aber sehr dankbar, davon zu erfahren, falls ich irgendetwas herausfände.

Bis heute ist er in keiner der Hall of Fames und sonstigen Listen zu finden.

Das Album The Road to Escondido erhielt einen Grammy Award, weil er es mit Eric Clapton aufgenommen hatte. Wer seine Bibliographie kennt, erkennt auch den Hohn, ausgerechnet für den müdesten Abklatsch honoriert zu werden.

Der Erfinder des Laid Back lebte meist wohl wie Du & ich. Insgesamt hat er so viel eingenommen, wie ein schlechter Zahnarzt. Andere werden Milliardäre, weil sie Busen und Popos raushängen lassen. Symbolhaft für Verteilung im Kapitalismus.

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Aber eines läßt sich vermuten: Wenn in ferner Zukunft Vertonung unserer Zeit erhalten sein und genossen wird, dann wohl am wenigsten beliebiges Plastik und Geträller, sondern am ehesten die opulenten Rockproduktionen jener Zeit.

Ganz vorne mit: J.J.s minimalistische Notenfülle, unwiderstehlich akzentuierte Rhythmen, und erdiges Arrangement. Auch, wenn durch bescheidenes Equipment geflossen, in Punkto klanglicher Brillanz abgeschlagen, doch musikalisch an der Spitze.

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Acht Jahre ist es schon wieder her, daß die Kunde mich traf, als sei ein Lebensbegleiter verstorben.

Für mich ist er das bis zum Ende.

Ruhe in Frieden, Du einmaliger Künstler mit den zusammengeschraubten Äxten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Knossos

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Knossos

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