Zu ästhetischer Frigidität

Kunstvandale Anschlag auf Ilja Repins "Iwan der schreckliche und sein Sohn Iwan"

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Ein Beispiel von heute.

Nach einem Klick auf eine aktuelle Schlagzeile vom Attentat auf ein Bild, die Entdeckung, daß es sich um ein Werk meines persönlichen Lieblingsmalers handelt. Titel: "Iwan der schreckliche und sein Sohn Iwan".

Schöpfer: Ilja Repin.

Wie sein Auge Verhältnismäßigkeiten von Proportion, Perspektive, Farbe, Leben und Licht einzufangen wußte und seine Führung, diese auch abzubilden, ist bereits phänomenal. Und als sei Einzigartigkeit nicht bereits Genüge getan, obendrein die sensationelle Gabe, Menschen in emotionalen Situationen einzufangen, daß Betrachtender perplex sinniert, wie um aller Welt jemand die Szene zu entwickeln vermag.

Repin könnte Schauspieler als Modelle engagiert haben, denkt man vielleicht zunächst. Doch wie sollten diese die Situation zum einen derart lebensecht simulieren können und zum anderen in der Vielfalt der Individuen und Stimmung so gleichmäßig treffsicher aufführen, wie z.B. in heute als attackiert gemeldetem Gemälde oder erst in einem wie "Die Saporoger Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief".

Und etwa schon Schauspieler jener Zeit, in der mimisch kaum mehr als Theatralik beherrscht worden sein dürfte. Nein, auch heute wäre ein solcher Realismus der Psychologie unmöglich zu stellen.

Es bleibt nicht viel mehr, als daß die Arrangements aus Repins Vorstellungskraft erwuchsen.

Doch wie, während die akkurate Imagination jene von mathematischen Ausnahmetalenten übersteigt? Schon bewußte Beobachtungsgabe solch hochkomplexen, mit jeder Nuance der Emotionalität in hunderten Gesichtsmuskeln variierenden und bei Repin zugleich minutiösen Ausdrucks kommt einem Wunder gleich. Die Bestimmung, nein, Generierung davon, ... und das gleich von etlichen Personen in einer Situation übersteigt gemeinhin Menschenmögliches.

Es hat so manchen umwerfenden Maler gegeben. Caravaggio, Rembrandt und ihre gesegneten Kollegen, und es gibt zeitgenössische wie Sebastian Schrader die einen sprachlos machen.

Aber sie alle hätten schon an Iwans Teppichen schwer zu tragen, deren Flauschigkeit man bald zu spüren meint, und über deren so gar nicht drapierten, vitalen Verwerfungen man nicht stolpern möchte. Und erst Iwans Gesichtsausdruck in der schrillen Reue des Wahns. Seines Sohnes Hände, die den soeben noch blindwütigen Vater fern halten möchten und sich seiner im nahen Tod doch erbarmen, in dem die Linke stützt, um der Umarmung nicht zu entgleiten.

Kein Shakespearesches Konvolut könnte wiedergeben, was dieser Maler in einem Bild zu umreißen verstand.

Und dann kommt ein Gimpel und bringt es fertig, auf die ganze Genialität einzuschlagen.

Wie zum Teufel ist solches Extrem wiederum möglich?

Durch Entfremdung.

Verlust der Differenzierungsmöglichkeit, der Empfindung, Selbstverwirklichung, der Achtung, der Genußfähigkeit und Leidenschaft. Das Überkommen von Bedeutungslosigkeit und seelischer Frigidität.

Anzeichen der Bedeutung von Kultur und Kunst für das Wesen des Menschen.

Wo aus bezugsfremden Kalkül heraus, Beliebigkeit und Unfertigkeit zu Künsten stilisiert worden sind, wird der Barbar geboren. Und auch rasend narzißtischer Neider in der Impotenz.

Schon kongruentes Denken erschließt, daß Kunst gediegene Besonderheit ist. Die Gabe, Versammlung des Geists, perfektionierte körperliche Koordination und Exklusivität zu vermitteln. Und wer sich überdies am Fuß der Muse erprobt hat, erfährt längst schon Demut, Wertschätzung und schöngeistige Lust.

Kein amerikanischer Indianer bei Verstand verkennt das Vorkommen hoher Kunst, weil er als Kind traditionell selbst Erfahrung mit Gestaltung, Gesang und Tanz sammelt, also unwillkürlich das Einschätzen von Geübtheit und Errungenschaft.

Wir sollten sicherstellen, daß alle Kinder im Bildungswesen dazu kommen, sich in jenen Kreativen Anlagen zu erproben, die jedem Menschen von Geburt mitgegeben sind.

Und ich persönlich hoffe vom Herzen, daß Linkisches "moderner Kunst" möglichst bald wieder aus Galerien, Museen und Tonträgern in der Versenkung verschwindet. Denn es hat Kulturschaden ausgemacht. Elementaren Schaden.

Einer, der sehr viel mehr an Durchblick gekostet hat, als nur das stark herabgesetzte Unterscheidungsvermögen bezüglich Farben und Tönen, welches Wissenschaftler den letzten beiden Generation attestierten.

Schließlich ist der Mensch ein Kulturwesen. Und auch gleich ein 100%iges. Jeder, zu ästhetischer Empfindungslosigkeit gewordene Bruchteil, bedeutet da einen der Verwahrlosung von Hirn und Herz.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Knossos

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Knossos

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