Alleingänger sind nicht allein unterwegs

Kurzlebige Weltmacht? Allmacht, Allwissenheit und durchsetzbarer Zielplanung der Mächtigen in Washington sollte mit mehr Skepsis begegnet werden

Manchmal sieht man den Wald nicht vor lauter Bäumen. Das könnte einem auch jetzt passieren bei der Irak-Debatte mit ihren Rumsfeld-Ausfällen, den erlogenen »Geheimdienstbeweisen«, dem Gemunkel von drohenden wirtschaftlichen Einbußen deutscher Konzerne. Die Cruise Missiles und die schimmernden Kampfflieger blenden, und die zur Schau getragene Selbstsicherheit des US-Präsidenten verleitet zum Glauben, die Vereinigten Staaten von Amerika würden bald nicht nur den Irak regieren, sondern die ganze Welt.

Ein Allmacht-Image, das gepflegt wird im Weißen Haus und den Korridoren des Verteidigungsministeriums. Ein Bild, das Angst einjagen soll, nicht nur bei den »abhängigen« Nationen in der Dritten Welt, auch bei den guten Freunden in Europa, die sich »daneben benehmen« - bei den schärfsten Konkurrenten halt um Märkte und Ressourcen. Ein Bild aber, das stellenweise mit der inneren amerikanischen Realität und den globalen Machtverhältnissen kollidiert. So allmächtig sind die USA nicht, und die Menschen in den USA wollen nicht von heute auf morgen Manager eines Imperiums werden. Das merkt man schnell bei Gesprächen mit »normalen« Amerikanern. Beispiel: Eine Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hielt sich gerade knapp zwei Wochen in den USA auf. Vor der Reise habe er sich innerlich vorbereitet, die deutsche Position zur Irak-Krise verteidigen zu müssen, sagte der Magdeburger Bischof Axel Noack bei einem Pressegespräch in Washington. Er habe nie Gelegenheit bekommen, ganz im Gegenteil, manche Gesprächspartner hätten sich bedankt für das deutsche Nein zum Krieg. Noacks zwangsläufiger Weise begrenzte Erfahrungen deutet hin auf die Probleme für die neuen Imperatoren.

Die USA verfügen über den stärksten Militärapparat der Weltgeschichte. Diese hoch technologisierte Macht soll und muss wohl das Imperium schaffen. Denn die Kriegsbefürworter im Volk und im politischen Amerika schwenken die Fahnen nur in der vermeintlichen Gewissheit, der ordnende Job könne ohne menschliche Kosten - sprich Leichensäcke aus Bagdad - erledigt werden. Diese »Gewissheit« hat man spätestens seit Afghanistan. Ganz gleich, ob dort denn nun das »Terrorismusproblem« gelöst worden ist und die Afghanen die versprochene Freiheit genießen können. Im Fernsehen sah Afghanistan aus wie ein totaler Sieg mit Kampfpiloten, die nach vollbrachter Mission leger aus den Cockpits kletterten. Man denke aber an das »Somalia«-Syndrom: Dort packten die amerikanischen Eliteeinheiten 1993 ein, nachdem 18 Soldaten im Straßenkampf umkamen und vor den internationalen Kameras durch die Straßen gezerrt wurden.

Die MTV-Generation hat nicht viel übrig für ein amerikanisches Sparta

Die militärische Überlegenheit läutet keine auf Dauer angelegte unipolare Epoche der Weltgeschichte ein. Was wir mit Bushs Griff nach der Allmacht erleben, ist das Aufbäumen ideologisch geleiteter Politiker, die ernsthaft an die Einmaligkeit der USA glauben und sich zum Teil als Mitwirkende an einem göttlichen Plan sehen - und im November 2000 die Macht ergriffen haben. Ein Aufbäumen unbekannten Stehvermögens, aber mit möglicherweise verheerenden Konsequenzen für Menschen in der ganzen Welt, globale Institutionen und den Planeten Erde. Das Projekt wird von einer Minderheit der politischen und wirtschaftlichen Klasse voll befürwortet, aber vor dem Hintergrund des 11. September 2001 von einer breiteren Konstellation derselben mitgetragen, allerdings nur so lange es die erwünschten politischen und kommerziellen Resultate bringt. Sonst ist Feierabend mit dem Traum vom neuen amerikanischen Jahrhundert.

Die Washingtoner Arroganz treibt den »Rest der Welt« vermutlich sogar zusammen. Mehr als zehn Jahre ist es her, dass der Yale-Historiker Paul Kennedy sein damals viel beachtetes Buch vom Aufstieg und Niedergang der großen Mächte in den vergangenen fünf Jahrhunderten geschrieben hat. In manchem hat er nicht recht behalten, aber wesentliche Punkte sind noch heute wahr: »Imperial overstretch«, das Bemühen, überall auf der Welt seinen Willen mit Gewalt durchsetzen zu wollen, führt zu einer Erosion der Ressourcen und schwächt das Imperium. Die MTV-Generation und ihre jüngeren Schwestern und Brüder in den Vereinigten Staaten haben keinen Bock auf ein amerikanisches Sparta. Keine Lust auf Wiedereinführung der Wehrpflicht (denn Drohnen und Raketen können das Imperium nicht verwalten). Das müssen Soldaten tun, bislang reichen die Berufssoldaten und die söldnermäßig angeheuerten Beraterfirmen.

Bushs Haushaltspläne tun so, als könnten sich die USA alles leisten, Steuersenkungen vor allem zugunsten seiner Freunde, der Millionäre, und die Riesenmilitärauslagen. In Kauf genommen werden enorme Haushalts- ausfälle. Dazu kommen die Außenhandelsdefizite: All das muss irgendwann finanziert werden. Der stolze Alleingänger ist auf ausländisches Geld angewiesen. Oder er muss seinen Landsleuten Opfer abverlangen, um das Imperium auszubauen. Und gewinnen wird am Schluss vielleicht nicht die Nation oder Koalition mit dem stärksten Militär, sondern mit der stärksten Wirtschaft. Den Kapitänen der Wirtschaft, die Bushs Wahlkampf in der berechtigten Hoffnung auf eine unternehmerfreundliche Politik bezahlt hatten, muss es mulmig werden. Macht sich der »gemietete« Präsident selbstständig? Krieg ist nicht immer gut fürs Geschäft. Unternehmen wollen Geschäfte machen und nicht unbedingt Krieg führen.

Bill Clinton hat doch vorgeführt, dass es anders geht

Saddams Gräueltaten haben ja auch Richard Cheney nicht gestört, als er noch Chef der Erdölservicefirma Halliburton war, deren Tochtergesellschaften Ende der Neunziger Geschäfte machten mit Bagdad. Halliburton freilich profitiert so oder so: Die Tochter Kellogg, Brown Root hat eben vom Verteidigungsministerium einen Vertrag für Beratung in der Frage bekommen, wie man befürchteter Ölfeuer nach dem Krieg Herr werden kann; die Firma soll auch beim Wiederaufbau saftige Verträge erhalten.

Die Leute um Bush haben sich viel vorgenommen. Irak fertigmachen und dort einen Statthalter zum Schutz der Ölreserven einsetzen. Dadurch die übrigen ölproduzierenden Nationen warnen. Europa spalten, um die dort heranwachsende und konkurrierende Euro-Macht zu schwächen. Die bei der Irak-Debatte gewonnenen neuen Freunde im neuen Europa wollen dann aber auch versorgt werden vom Onkel aus Amerika. Aber so viel Kaugummi und Zigaretten wird der nicht herbringen. Amerika-Kritiker sind in Gefahr, den Mächtigen in Washington Allmacht, Allwissenheit und durchsetzbares Zielplanen zuzuschreiben. Bushs Weltbeherrschungsversuche könnten aber nicht viel mehr sein als ein ganz großer Fehler, der beim Krieg gegen Irak, der jahrelangen Besetzung, auch in einem persönlichen Fiasko für die Kriegstreiber endet. Im Zeitalter der vielzitierten Globalisierung ließe sich die Welt humaner und effektiver ordnen und managen, ohne den Interessen des letztendlich maßgebenden Kapitals zu schaden. Ganz im Gegenteil. Bill Clinton hatte das doch vorgeführt.

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