Angela und George, das letzte Kapitel

USA/Deutschland Der amerikanische Präsident kommt zum Abschied im Schloss

George W. Bush und Angela Merkel können miteinander, wie man so sagt. Der US-Präsident schätzt es, dass Merkel altmodisch zuverlässig ist im Stil westdeutscher Bündnistreue wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Oder positiv interpretiert, zu Merkels Vorteil: Die Kanzlerin ist klug genug zu wissen, dass sie den missionarischen Mann aus Washington nur begrenzt beeinflussen kann, und verhält sich entsprechend.

Der Präsident kommt am 10. Juni wohl ein letztes Mal nach Deutschland. Die Kanzlerin könnte ihm den Nacken massieren, wenn die beiden im Schloss Meseberg bei Berlin zusammentreffen. Denn der Gast aus den USA hat gerade viel Stress, obwohl er in sieben Monaten in Rente geht und Presseberichten zufolge eine seiner Töchter eben gut verheiratet hat. Bushs ehemals superloyaler Pressesprecher Scott McClellan wirft ihm in einem neuen Buch Propaganda und Arroganz vor bei der Vorbereitung auf den Irak-Krieg. Ein Fundraiser für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain findet auf dessen Wunsch hinter verschlossenen Türen statt: McCain will offenbar keine Fotos mit Bush.

Das Weltgeschehen läuft zunehmend ohne Washington ab. Israel verhandelt via Türkei mit dem "Schurkenstaat" Syrien. Und bei Klimagesprächen stehen die Amerikaner an der Seitenlinie. Die Ära Bush ist schon zu Ende, trotz der unterschwelligen Furcht, der Präsident könnte in letzter Minute irgendwelche Militärschläge befehlen gegen Iran. Über den "noch amtierenden" Präsidenten wird bereits in der Vergangenheit geredet. Schon laufen Gerüchte, dass Barack Obama im Sommer auf einer "außenpolitische Erfahrung sammelnden" Reise nach Berlin kommt. Endlich ein amerikanischer Politiker, gegen den keine Kriegsgegner demonstrieren.

Was es wohl noch zu besprechen gibt in Meseberg? Abschied mit Wehmut? Angela Merkel war aus Sicht von Bush eine gute Kanzlerin, eine Wohltat nach dem Egomanen Schröder, dem man seinen wahlpolitisch motivierten deutschen Weg vor dem Irak-Krieg nie verziehen hat. Auf Merkel ist Verlass. Sie durfte auch nach Crawford kommen. Wohl auch ihr zuliebe hat Bush in Heiligendamm bei der Klimapolitik kleine Konzessionen gemacht. Unter Merkel war für Bush die deutsch-amerikanische Welt in Ordnung.

Waren die Deutschen anderer Meinung, formulierten sie das mit Respekt, etwa bei ihren Vorbehalten gegen die Erweiterung der NATO um die Ukraine und Georgien. Kritik an Guantánamo und Völkerrechtsbrüchen hielt sich in Grenzen. In der Nahost- und Afghanistan-Politik folgte Merkels Regierung Bushs Vorstellungen nahe widerspruchslos. Beim Atomstreit mit Teheran verzichtete sie schließlich auf jeden eigenständigen Part der EU-Dreiergruppe aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Selbst beim Blick nach Osteuropa trug Merkel zeitweilig eine Bush-gefärbte Brille. So gab es in Berlin keinen erkennbaren Dissens wegen der Stationierung von Raketenabwehrkomponenten in Polen und Tschechien. Während ihrer EU-Ratspräsidentschaft im 1. Halbjahr 2007 hat Merkel indirekt dafür gesorgt, dass sich ein neues Partnerschaftsabkommen der EU mit Russland verzögert und bis zur Stunde aussteht.

Und vor allem war die Kanzlerin bemüht, Tendenzen und Träume zu blockieren, Europa sicherheitspolitisch als rivalisierende und um Eigenständigkeit bemühte Einheit in Stellung zu bringen. Man könnte ihr sogar eine unverkennbare Hinwendung zu Bushs schattierungsfreien Phantasien über den Kampf Gut gegen Böse bescheinigen. Sie wusste andererseits um das kognitive Problem dieses Präsidenten, die sich real verändernde Welt realistisch zu sehen, eine Welt mit China und anderen aufstrebenden Mächten, in der die unipolare Illusion einer US-Dominanz der Vergangenheit angehört. Henry Kissinger, dem alten Realpolitiker, ging es seinerzeit um Wahrung der Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen der USA, aber auch um die Suche nach einem stabilen Gleichgewicht der Mächte, das letztendlich auch den USA diente.

Bush hat sich in seinen siebeneinhalb Jahren nie groß gekümmert um Ausgleich und Balance, weder in der Außen- noch in der Innenpolitik. Er führte den Vorsitz beim Abrutschen der amerikanischen Macht. Sollten die Demokraten im November gewinnen, kann man hoffen, dass in den USA eine - möglichst mit Moral untermauerte und partnerschaftliche - Realpolitik zum Zuge kommt. Dann würde vielleicht auch Kanzlerin Merkel mehr Freiraum in Anspruch nehmen.

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