Der Feldherr sortiert die Scherben

Rede an die Nation Man sollte George W. Bush beim Wort nehmen

Da war es, dieses böse, dieses ungewohnte Wort, mitten in der Rede des US-Präsidenten am Sonntag: Sacrifice. Opfer. Die Vereinigten Staaten müssten "Opfer" bringen für den Erfolg des Krieges im Irak und gegen den Terrorismus, sagte Georg W. Bush, diesmal nicht auf dem Flugzeugträger Flugzeugträgers Abraham Lincoln, sondern hinter Teleprompter und Rednerpult im Weißen Haus. Denn Bush hat hoch gepokert. Im Irak ging es ja nicht wirklich um Massenvernichtungswaffen, sondern um das Schaffen einer Neuen Ordnung. Und jetzt? "Irak könnte für Amerika das werden, was Afghanistan war für das sowjetische Imperium", schrieb Michael Ignatieff, Geschichtswissenschaftler von der Harvard Universität, am Tag der Rede in der New York Times: "Das Land, in dem der Kampf gegen den islamischen Jihad gewonnen oder verloren wird".

Oder vielleicht noch besser so gesagt: Irak ist das Land, in dem die Megamacht USA die Grenzen ihrer Macht erfährt, in dem sich zeigt, dass die anscheinend nach dem Ende des Kalten Krieges entstehende unilaterale Ordnung vielleicht doch nicht so langfristig besteht. In der US-amerikanischen Meinungselite vollzieht sich ein gradueller Wandel: Vielleicht brauche Amerika den Diskussionshaufen in New York und Genf doch. Die Situation im Irak könne an Bedeutung gar nicht überschätzt werden, erklärte Richard Haass, Chef des Council on Foreign Relations, bis vor kurzem Direktor des Planungsbüros im Außenministerium: Denn der Krieg im Irak sei ein Krieg, den sich die USA ausgesucht hätten. Gerade deswegen müsse er erfolgreich zu Ende gebracht werden.

Schadenfreude nützt hier nichts. Und ist auch nicht angebracht. Schon allein wegen der Menschen im Irak, die lange unter dem Diktator litten und unter den Wirtschaftssanktionen nach dem Golfkrieg, und jetzt unter der arroganten und inkompetenten Planung Washingtons. Die Mitglieder der - vor ein paar Monaten zur Irrelevanz verdammten - Vereinten Nationen haben jetzt die "Chance und Verpflichtung, eine größere Rolle zu übernehmen, dass der Irak ein freies und demokratisches Land wird", tat Bush kund. "Wir" könnten es nicht erlauben, dass "zurückliegende Differenzen unsere jetzigen Aufgaben beeinflussen". Man sollte Bush beim Wort nehmen, auch wenn seine Überheblichkeit verärgert und den bisher bekannt gewordenen US-Entwürfen einer neuen UN-Resolution zum Irak die Einsicht fehlt, dass gemeinsam handeln und bezahlen auch gemeinsam entscheiden bedeutet.

Denn so mächtig ist er nicht, wie er tut, trotz seiner militärischen Stärke. Bushs Rede richtete sich freilich in erster Linie an die amerikanische Fernsehgemeinde, von der viele am Sonntag Abend wohl lieber die gecancelte Soap American Dreams gesehen hätten oder den Film Crouching Tiger, Hidden Dragon als ein düster dreinblickendes Staatsoberhaupt, das Opfer verlangt. Die Gemeinde ist noch lange nicht in Aufruhr (glauben doch mehr als die Hälfte, Saddam Hussein habe etwas mit den Anschlägen des 11. September 2001 zu tun), aber das Geschehen im Irak stört die sonst so konzertiert agierenden Planer des Weißen Hauses. Schließlich wird in 14 Monaten ein neuer Präsident gewählt, und die demokratischen Kandidaten haben nichts Besseres zu tun, als Bush Inkompetenz und Schlimmeres vorzuwerfen. Bald wird man einen Sündenbock brauchen, um den Präsidenten zu schützen. Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice habe das ganze "gemissmanagt", wird gemeckert - der süffisant lächelnde Held von gestern, Donald Rumsfeld mit seinen überoptimistischen Prognosen, habe den Präsidenten schlecht beraten.

Seit dem 11. September hatten Bushs PR-Strategen die innere Lage im Griff und bestimmten die öffentliche Debatte. Es war ja Krieg gegen den Terror. Allmählich stört der Irak. Was angeblich geradezu im Handumdrehen zum Focus der Demokratie im Nahen Osten werden sollte, ist nach Darstellung des Präsidenten zur "Hauptfront" im Krieg gegen den Terror geworden - mit ausländischen Terroristen, die es in das Machtvakuum hineinziehe. Und US-amerikanische Militärhospitäler haben auf den Intensivstationen nicht genug Betten.

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