Präsident Obama hat umgebaut – neuer Verteidigungsminister, neuer CIA-Direktor – und stark revidierte Order für Afghanistan gegeben. Doch fällt der Afghanistan-Abzug von 33.000 Soldaten bis Sommer 2012 mickrig aus. Etwa ebenso viele hatte Obama Ende 2009, wie er damals bei einer Ansprache in der Akademie West Point bekanntgab, nach Afghanistan geschickt. Und die beiden Neuen im Kabinett sind nur die alten von anderswo. Trotzdem lässt sich Obamas Sicherheitspaket als Zeichen deuten, dass Washington Grenzen erkennt und umdisponiert.
100 zu null Stimmen, so das Votum im US-Senat, um den bisherigen CIA-Direktor Leon Panetta als Verteidigungsminister zu bestätigen. Robert Gates, ein Überbleibsel aus der Bush-Zeit, verlässt nach fünf Jahren das Pentagon. Neuer CIA-Chef wird ein Feldherr: General David Petraeus, der aber nicht in Uniform zur Arbeit gehen will. Vorgänger Panetta soll nun die drei laufenden Kriege managen: Afghanistan, Irak, Libyen. Auch wenn sich der Präsident weigert, Luftangriffe auf Libyen als Feindseligkeiten oder gar Krieg zu definieren.
Es kam anders
Panetta muss zudem den galoppierenden Militärhaushalt unter Kontrolle bringen. Laut Friedensforschungsinstitut SIPRI haben die USA im Vorjahr 698 Milliarden Dollar für das Militär ausgegeben. Die Inflation eingerechnet 81 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Der Afghanistan-Krieg kostet zehn Milliarden im Monat. Das fällt ins Gewicht, wenn das politische Washington derzeit die hohe Staatsverschuldung debattiert. Anfang August erreichen die USA die gesetzliche Schuldenobergrenze von 14,3 Billionen Dollar. Da muss auch die Armee mit dem Skalpell rechnen. In beiden Parteien werden kriegsmüde Stimmen laut wie die des demokratischen Senators von West Virginia, Joe Manchin: Nach zehn Jahren Krieg in Afghanistan müssten die USA umdenken. Nation building sei zu teuer und erfolglos. „Es ist Zeit, Amerika wieder aufzubauen, nicht Afghanistan.“ Panetta ist bei Haushaltskonflikten erfahren im Nahkampf, wenn Abgeordnete trotz aller Spareinwände Rüstungsprogramme in ihren Wahlkreisen auf das Heftigste verteidigen, obwohl sie das Pentagon gar nicht mehr will.
Es war eine Überraschung, als der heute 73-jährige Panetta – in seinen jungen Jahren Republikaner, dann demokratischer Kongressabgeordneter, dann in Clintons Kabinett – im Januar 2009 von Obama zum CIA-Direktor berufen wurde. Er sei nicht hart genug, mutmaßten Kritiker, außerdem zu unerfahren. Es kam anders. Wie die Washington Post knapp ein Jahr nach Panettas Amtsübernahme kommentierte: Der neue Direktor sei mit seinen schonungslosen Angriffen auf al Qaida und die Taliban in Pakistan aggressiver als die CIA unter George Bush. Unter Panetta bekam der Geheimdienst eine „Luftwaffe“, um mit unbemannten Predator- und Reaper-Drohnen Islamisten in Pakistan aufzuspüren und zu töten. Nach internationalem Recht fragwürdig. Aber effektiv, wie Panetta in einem seiner wenigen Kommentare zu diesem Programm behauptete. Drohnen seien „das einzig brauchbare Mittel“, um die Al-Qaida-Führung zu treffen, so der damalige CIA-Direktor im Mai 2009 bei einer Rede in Los Angeles. Und das große Plus bei den unbemannten Drohnenschlägen: Sie seien unkomplizierter als „gezielte Tötungen“ durch US-Elitetrupps und weniger risikoreich. Man töte vom Bildschirm aus, die Kriege der Zukunft würden dadurch effizienter. Barack Obama meinte in seiner Afghanistan-Ansprache vor einer Woche, als er die gewagte These aufstellte, dass „die Flut des Krieges verebbt“: „Wenn wir bedroht sind, müssen wir mit Stärke erwidern. Aber wenn diese Stärke gezielt eingesetzt wird, brauchen wir keine großen Heere.“ Panetta will das als Minister implementieren, erläuterte er in der Kongress-Anhörung zu seiner Ernennung. Nach dem Tod Osama bin Ladens müsse man weiter Druck machen auf die Terroristen. Er wolle Al-Qaida-Gruppen von Pakistan bis Nordafrika ausschalten. Das heißt, die Drohnen und die Schattenkrieger aus den Eliteeinheiten kommen vermehrt an die Fronten.
Natürlich nicht laut
Groß angelegte Counterinsurgency-Kampagnen wie in Afghanistan, wo man „Herzen und Köpfe“ der Bevölkerung gewinnen will, rücken in den Hintergrund. Sagte Panetta doch schon im Juni 2010 gegenüber dem TV-Sender ABC, in Afghanistan seien nur mehr an die 50 bis 100 Al-Qaida-Kämpfer übrig. In seiner West-Point-Rede hatte Obama verkündet: Es gehe am Hindukusch um „die Sicherheit der Vereinigten Staaten und des amerikanischen Volkes“. Im Sommer 2011 ist das unklarer denn je, so dass sich 100.000 Soldaten nicht mehr rechtfertigen lassen. Der angestoßene Truppenabzug, verschränkt mit der neuen Strategie des neuen Mannes im Pentagon, kann als Eingeständnis verstanden werden, dass der Afghanistankrieg nicht „funktioniert“ hat. Was man natürlich nicht laut sagt. Keiner will Afghanistan „verloren“ haben.
Leon Panetta dürfte aus Altersgründen sein letztes hohes Amt ausüben. Dem neuen CIA-Chef Petraeus dagegen werden Absichten nachgesagt, 2016 für das Präsidentenamt kandidieren zu wollen – vermutlich als Republikaner. Eine delikate Sache: Der General soll jetzt die laufenden Kriege objektiv analysieren, die seine Handschrift tragen. Ein bisschen ist Petraeus schon vom Weißen Haus abgerückt. Präsident Obama hatte eindeutig angeordnet, dass unter seiner Regierung nicht gefoltert wird. Petraeus äußerte sich etwas anders in der Senatsanhörung zu seiner Ernennung als CIA-Chef: Man müsse „besondere Verhörmethoden in Betracht ziehen“, wenn der Verhörte etwas zurückhalte, was „sofort“ gebraucht werde, um Leben zu retten.
Konrad Ege berichtet seit 1990 für den Freitag aus den USA
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