Anfangs ein Männerclub: Harry Truman (2. v. r.), National Security Council, 1948
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Von der CIA weiß man an ihrem 75. Geburtstag: den Putsch im Iran 1953 inszeniert, beim Coup gegen Salvador Allende in Chile 1973 federführend, mutmaßliche Terroristen nach 9/11 in Geheimgefängnissen gefoltert, angeblich frühzeitig gewarnt vor Russlands Angriff auf die Ukraine. Und im Kalten Krieg durch Aufklärung möglicherweise dazu beigetragen, dass der kalt blieb für Europa und Nordamerika. Eine Instanz, irgendwo zwischen pragmatisch und skrupellos, zwischen kompetent und arrogant. Sie widerspiegelt die Bedürfnisse einer großen Macht, die sich nicht als Imperium sehen, sondern Vorbild sein will für den Rest der Welt.
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un das: Sie unterhalten Geheimdienste, zum Spionieren und zum verdeckten Ausüben von Macht, wenn keine Rücksicht genommen werden soll auf Recht und Moral. In den USA gründete der demokratische Präsident Harry S. Truman, Nachfolger des im April 1945 verstorbenen Franklin D. Roosevelt, vor einem Dreivierteljahrhundert die Central Intelligence Agency. Die Mitarbeiter seien seither unermüdlich im Einsatz, lobte Präsident Joe Biden jüngst bei einer Feierstunde im CIA-Hauptquartier. Er sei überzeugt, dass der Dienst auch in den kommenden 75 Jahren die „höchsten Werte“ einhalten werde.Es war unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Die USA mussten sich organisatorisch neu aufstellen als Macht Nr. 1. Am 26. Juli 1947 unterzeichnete Truman ein Gesetz zur nationalen Sicherheit. Kriegs- und Marineministerium wurden zusammengelegt zu einem Verteidigungsressort. Zugleich wurde die CIA geschaffen, als Nachfolgerin des seit 1942 tätigen Office of Strategic Services (OSS). Die CIA-Gründung trat am 18. September 1947 in Kraft. Der Kommunismus darf nicht Fuß fassen in Westeuropa, so die Devise. Eine der ersten von vielen folgenden CIA-Aktionen zum Manipulieren von Wahlen waren Auslagen von Millionen Dollar, die von 1948 bis in die 1960er Jahre nach Italien flossen, zum Einsatz gegen die KP, die größte kommunistische Partei außerhalb Osteuropas. Der Entwurf eines internen Papiers aus dem historischen Büro im US-Außenministerium, veröffentlicht vom geschichtswissenschaftlichen Institut National Security Archive, sprach von durchschnittlich fünf Millionen Dollar im Jahr.CIA und FBI: gemeinsam gegen den Kommunismus?Die CIA sollte ein neuartiger Dienst sein. Intelligent, mit Führungskräften aus Elite-Universitäten und der Oberschicht, nicht reaktionär. Edgar Hoover, Direktor des für die Inlandsüberwachung zuständigen Federal Bureau of Investigation (FBI), kampferprobt gegen „Rote“ aller Schattierungen, war nicht begeistert von der Konkurrenz. Der Historiker Mark Riebling hat die anfängliche Rivalität 1994 in dem Buch Wedge: The Secret War Between the FBI and CIA auch als Zusammenstoß von Kulturen beschrieben. Ein FBI-Mann habe immer einen professionellen Anzug getragen, doch „CIA-Offiziere legten anscheinend keinen Wert auf ihr Aussehen in lotterigen Tweed Jackets ... und ungebügelten Hemden“, so ein führender FBI-Mitarbeiter, der mit Hinweis auf die CIA meinte: Man musste aus wohlhabenden Kreisen kommen, um zu denken, man könne so auftreten. In einem Memo urteilte Hoover 1948, der OSS sei ein „Nährboden für Commies“ (Kommunisten) gewesen. Hoover stützte sich offenbar auf Erkenntnisse von abgehörten sowjetischen Funkbotschaften über die Infiltrierung von US-Diensten und -Einrichtungen.Die US-Regierung fuhr bei der Bundesrepublik Deutschland mehrgleisig. Viele hundert NS-Wissenschaftler und -Experten wurden rekrutiert, zugleich Nazis in der westdeutschen Justiz und der Regierung Adenauer toleriert. Mit Sponsoring des militärischen Geheimdienstes U. S. Army Intelligence und der CIA wurde Reinhard Gehlen, ehemals „Fremde Heere Ost“ in Hitlers Wehrmacht, erst Chef des Auslandsnachrichtendienstes „Organisation Gehlen“ und Mitte der 1950er Jahre als „Dr. Schneider“ Präsident des neuen Bundesnachrichtendienstes (BND). Zugleich engagierte sich die CIA in der Kulturpolitik. Der von ihr gesponserte Verband „Kongress für kulturelle Freiheit“ war die „größte und am längsten währende Geheimoperation der Central Intelligence Agency“, wie es ein Aufsatz in der Fachpublikation Intelligence Studies in Britain and the US der Cambridge University Press 2013 zusammenfasste. Von 1950 bis 1967 habe die CIA in 35 Ländern im Geheimen Künstler, Schriftsteller, Maler (gern Protagonisten des Expressionismus im Kontrast zum sowjetischen Realismus), Kuratoren, Konzerte und Publikationen finanziert, um „auf internationaler Ebene unter intellektuellen liberalen und nichtkommunistischen Linken ein antikommunistisches Bewusstsein zu fördern“. Außerordentlich viel Geld floss für Konferenzen, Stipendien, Reisen und Publikationen wie Preuves (Paris), Encounter (London), Partisan Review (New York), Tempo Presente (Rom) und deutschsprachige Monatsschriften, in denen die intellektuelle Prominenz schrieb. Ob sie es „wussten oder nicht“ – es habe in Westeuropa wenige Schriftsteller, Dichter und andere Künstler gegeben, die „nicht auf irgendeine Weise mit dieser Geheimoperation verbunden waren“, schrieb Literaturwissenschaftlerin Frances Stoner Saunders in ihrem detaillierten und 2011 auf deutsch erschienenen Wer die Zeche zahlt ... Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg. Wer Geld bekam, wurde nicht gleich zum Sprachrohr. Anweisung sei gewesen, dass bezuschusste Organisationen „nicht jeden Aspekt der US-Politik unterstützen müssen“. Aber die Grenze zum Kommunismus war einzuhalten.In einem Dokumentarfilm von 2006 – Benutzt und gesteuert. Künstler im Netz der CIA von Hans-Rüdiger Minow – hat der 2015 verstorbene Schriftsteller Günter Grass Rückschau gehalten: „Mittlerweile bis in die Gegenwart hinein“ sei „wohl auch dem Letzten und damit auch mir deutlich geworden, dass diese CIA eine kriminelle Vereinigung ist“. Das teile sie mit vielen Diensten, doch „haben wir heute als Deutsche alle Mühe, uns von der Praxis, der kriminellen Praxis, möglichst fernzuhalten“. Die CIA-Finanzierung des Kongresses und anderer liberaler Gruppen wie des Nationalen Studentenverbandes in den USA wurde Ende der 1960er in der New York Times und im alternativen Magazin Ramparts aufgedeckt. Die Aufregung war groß, doch habe man schließlich auf Seiten der Freiheit gestanden, gegen die repressive Sowjetunion.Die Verbrechen der CIAGrass dürfte wohl auch daran gedacht haben, dass im Vollzug des Phoenix-Programms der CIA im Vietnamkrieg Tausende von Gefangenen als mögliche Kommunisten gefoltert und umgebracht wurden. CIA-Direktor William Colby (1973 – 1976), CIA-Stationschef in Saigon von 1959 bis 1962 und danach Chef der Abteilung für den Fernen Osten, sprach im Zusammenhang mit Phoenix von 20.587 Toten zwischen 1968 und 1971.Oder Günter Grass dachte an die CIA, die mehrmals versuchte, Fidel Castro zu ermorden, die 1954 zum Militärputsch in Guatemala ausholte und in vielen Ländern repressive Regimes unterstützt hat, solange sie nur auf Seiten der USA standen. In Nicaragua wurden die Contras finanziert und bewaffnet gegen die 1979 angetretene sandinistische Regierung. In Angola und Mosambik stand die CIA gegen antikolonialistische Befreiungsbewegungen. Die Liste könnte fortgesetzt werden.Im Krieg gegen den islamistischen Terrorismus setzte die CIA Drohnen ein und organisierte paramilitärische Operationen. In Afghanistan finanzierte sie von Ende der 1970er Jahre an die Taliban als „heilige Krieger“, bis ebendie auf der falschen Seite standen und die USA vor gut zwei Jahrzehnten intervenierten. Klare Sieger lassen sich nicht immer ermitteln im Anti-Terror-Krieg. Vielleicht war aus Sicht der Behörde der Kalte Krieg gegen die Sowjetunion die Glanzzeit der CIA, Gut und Böse sauber aufgeteilt, die Aufgaben klar umrissen. Wenn heute über die CIA gesprochen wird, kommt „Kriminelles“ kaum zur Sprache. Bei der Unterstützung der Ukraine gibt es Lob wie seinerzeit, als es gegen die Sowjetunion ging.