Zu Hause macht das Oberste Gericht gerade die Klimapläne des Präsidenten kaputt. Die Umweltbehörde EPA sei nicht befugt, bestimmte Vorschriften für Treibhausgas zu erlassen, urteilten die Richter Ende Juni. Eine verheerende Entscheidung, sagt Joe Biden und kann nichts daran ändern, dass durch den Ukraine-Krieg verursachte Energieprobleme seine Klimaziele in Frage stellen. Und dann ist auch noch das Benzin teuer.
Mitte Juli reist Biden in den Petrostaat Saudi-Arabien. Zumindest soll es so aussehen, als tue der Präsident etwas gegen die Verteuerung an den Tankstellen. Er werde alle Golfstaaten auffordern, mehr zu produzieren. Mit Saudi-Arabien aber soll ein neues Kapitel in der seit Langem besonderen Beziehung geschrieben werden. Vielleicht ein ganz neues, wenn d
es, wenn der Gast in Riad auf Kooperationskurs geht. Das wäre ein Umschwung. Noch im Wahlkampf vor zwei Jahren hatte der demokratische Bewerber Biden den Wüstenstaat an den Pranger gestellt. Denen würde er keine Waffen liefern, hieß es mit Blick auf den Krieg der Saudis im Jemen, die „Kinder morden und unschuldige Menschen“.Ziegen zum SchlachtenDie USA und Saudi-Arabien, das ist, bei aller Menschenrechtsrhetorik in Washington, seit beinahe 80 Jahren eine Zweckbeziehung der gewählten Abhängigkeiten. Und wenn es sein muss, wird eben Kronprinz Mohammed bin Salman, der maßgebende Mann im Königreich, wieder politik- und salonfähig, obwohl er nach Erkenntnissen eines US-Geheimdienstberichts vom Februar 2021 verantwortlich war für die Ermordung des Dissidenten Jamal Khashoggi 2018 im saudischen Generalkonsulat in Istanbul. „Wir sind der Ansicht, dass Kronprinz Mohammed bin Salman eine Operation in Istanbul, Türkei, genehmigt hat, um den saudischen Journalisten Khashoggi gefangen zu nehmen oder zu töten“, steht im ersten Satz des Berichts.Erstmals traf sich im Februar 1945 ein US-Präsident – es war Franklin D. Roosevelt – mit einem saudischen König, damals Abdulaziz Ibn Saud. Roosevelt legte auf dem Heimweg von der Krimkonferenz mit Winston Churchill und Josef Stalin einen Stopp ein. Ein US-Zerstörer brachte Ibn Saud von Dschidda zu Roosevelts Kreuzer „Quincy“. Die Kinowochenschau konzentrierte sich auf das Exotische, es sei das erste Mal, dass der Monarch sein Land verlasse. Er habe Ziegen zum Schlachten mitgebracht, und die Atmosphäre sei herzlich gewesen. Dokumente des US-Außenministeriums zitieren freilich Ibn Sauds Warnung vor jüdischer Einwanderung nach Palästina. Araber würden „lieber sterben, als ihr Land den Juden zu geben“. Doch man arrangierte sich. Roosevelt schenkte dem König ein Flugzeug und einen Rollstuhl. Ibn Saud litt an Arthritis, und Roosevelt nutzte wegen seiner Polio-Erkrankung ebenfalls eine solche Hilfe. Ibn Saud überreichte dem US-Präsidenten einen mit Diamanten besetzten Dolch und mehr. Wenige Jahre zuvor war in Saudi-Arabien Öl entdeckt worden.Bei der Neuordnung der Welt wollte Roosevelt Großbritannien und Frankreich aus dem Nahen Osten verdrängen. So nahm seinerzeit ein lukratives, gelegentlich angespanntes Verhältnis seinen Anfang. Die Saudis gewährten US-Konzernen Zugang zum Öl. Man wurde Bundesgenosse im Kalten Krieg, etwa bei der Finanzierung der Mudschahedin gegen die Sowjets in Afghanistan, später gegen den Iran. US-Rüstungsfirmen bewaffnen Saudi-Arabien bis an die Zähne, zudem garantierten die USA die „Sicherheit“ der Königsfamilie, sei es zu Jimmy Carters Zeiten mit einer „schnellen Eingreiftruppe“ oder unter Donald Trump mit großen Waffendeals und logistischer Hilfe für den Krieg der von Saudi-Arabien geführten Koalition gegen die Huthi-Rebellen im Jemen. Mehr als 300.000 Menschen kamen dort bisher ums Leben.Die House-of-Saud-Website der Herrscherfamilie teilte Anfang Mai mit, Mohammed bin Salman habe CIA-Direktor William Burns in Dschidda zu einem „fruchtbaren Meeting“ empfangen. Es sei um die Ukraine gegangen, um Ölpreise und den Jemen. Das Treffen habe die Beziehungen verbessern sollen, denn die USA hätten seit Bidens Amtsantritt zu einem „wachsenden Graben gegenüber der königlichen Familie beigetragen“. Der Kronprinz ziehe in Erwägung, den chinesischen Yuan bei Öltransaktionen zu akzeptieren.Biden beginnt seine Nahostreise in Israel und will mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Yair Lapid sprechen. In US-Thinktanks wird spekuliert über eine Stärkung der Beziehungen Israels mit arabischen Staaten. Das Land sei zunehmend integriert in die „regionale diplomatische Dynamik, vornehmlich mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain, mit Saudi-Arabien im Hintergrund“, lässt sich ein Strategiepapier zitieren. Es wurde von der den Demokraten nahestehenden Brookings Institution veröffentlicht. Es gebe bereits jetzt, so die Autoren, eine noch kürzlich unvorstellbare Kooperation arabischer Staaten mit Israel bei der Raketenabwehr.Partner gegen TeheranAußenminister Antony Blinken hat in einem CNN-Interview die Lage so dargestellt: Die USA müssten die Beziehungen zu Saudi-Arabien „kalibrieren“, sodass sie „unsere Interessen und Werte effektiver reflektieren“. Ganz abgesehen vom Öl sei Riad „ein wichtiger Partner beim Umgang mit Extremismus“ und gegen den Iran. In Foreign Affairs, dem Magazin des außenpolitischen Establishments, wird Biden geraten, in Saudi-Arabien ein großes Ziel zu setzen. Eine Annäherung an den Kronprinzen würde die saudischen Vorstöße zum Ausbau der Beziehungen mit China und Russland bremsen. Im Kern der Zuwendung zu Saudi-Arabien stehe freilich das beiderseitige Verlangen, den Iran zu kontern. Bin Salman habe gegenüber der Regierung Biden den Gedanken einer erweiterten Sicherheitsgarantie für sein Land ins Spiel gebracht.Im Gegenzug, heißt es in dem Aufsatz, müsse Saudi-Arabien normalisierte Beziehungen zu Israel vorantreiben, eine feste Zusage abgeben, die Ölpreise stabilisieren zu wollen, Menschenrechtsversprechen ablegen und den Krieg im Jemen zu Ende bringen. Die Krise in der Ukraine und das iranische Atomprogramm hätten für einen „gestaltbaren Zeitpunkt“ der Neuorientierung in den Beziehung zwischen den USA und Saudi-Arabien gesorgt. Mit Klimaschutz hätte das wenig zu tun, eher mit Machtpolitik und Erdöl.