Die Eiszeit ist zu Ende

USA/Kuba Nach 54 Jahren unterhalten Havanna und Washington wieder diplomatische Beziehungen. Aber können aus alten Feinden neue Freunde werden?
Ausgabe 30/2015
Ihrer Zeit voraus: das Foto wurde bereits im Januar 2015 in Kuba aufgenommen
Ihrer Zeit voraus: das Foto wurde bereits im Januar 2015 in Kuba aufgenommen

Foto: Yamil Lage/AFP/Getty Images

Nach 54 Jahren Eiszeit unterhalten Kuba und die USA wieder diplomatische Beziehungen, indem sie ihre Interessenvertretungen in Havanna und Washington zu Botschaften aufwerten. Es entstehen mindestens zwei Fragen: Warum haben die USA so lange an ihrer nicht eben effektiven Politik der Isolation festgehalten? Und wie werden die zweifellos weiter vorhandenen Gräben überbrückt? Wenn man so will, gibt es noch eine dritte, spekulative Frage: Welche Zukunft hat der 150 Kilometer von Florida entfernte sozialistische Staat?

Das Projekt der Ausgrenzung Kubas kam im Dezember 2014 zum abrupten Halt. Barack Obama räumte ein, die US-Kubapolitik habe versagt. Man brauche einen Neuanfang. Präsident Raúl Castro stimmte zu. Es gab das erwartete Protestgeschrei bei den Republikanern und Exilkubanern, doch können die Obama höchstens ein paar Steine in den Weg legen. Zur Blockade reicht es nicht. Selbst die US-Handelskammer befürwortet eine Neuorientierung. Bei Umfragen haben drei Viertel der Amerikaner für den neuen Kurs votiert.

Die Vereinigten Staaten hatten es jahrzehntelang auf einen Regimewechsel abgesehen. Es sollte so lange bei Isolation und Handelsembargo bleiben, bis Kuba in die Knie geht. US-Politiker glaubten an die eigene Rhetorik, während die Regierung in Havanna den großen Feind im Norden beschwor, um ihre Macht zu festigen. Obama zog daraus den Schluss – eine Annäherung, die Förderung der Demokratie und Öffnung des Marktes erlauben mehr Einfluss. Das gelte für Kuba wie die gesamte westliche Hemisphäre, da besonders in Lateinamerika eine restriktive Kubapolitik immer mehr zum Bremsklotz für den Umgang mit den südlichen Nachbarn wurde. Zudem war es peinlich, dass inzwischen fast alle UN-Mitgliedsstaaten das US-Embargo verurteilten. Zu Wochenbeginn meinte Obamas Sprecher Josh Earnest: Die neue Politik diene den nationalen Sicherheitsinteressen. Tatsächlich wird Kuba durch die USA nicht länger als Feindstaat behandelt und ist aus der Liste der Länder gestrichen, die nach Meinung der Vereinigten Staaten den Terrorismus unterstützen. Wenn man wieder reguläre diplomatische Kontakte pflege, reflektiere das eine Realität, in der es keinen kalten Krieg mehr gäbe, sagte Außenminister John Kerry. Normalität käme „den Menschen in Kuba und in den Vereinigten Staaten zugute“.

Dabei dürfte Kerry wissen, dass heftige Meinungsverschiedenheiten bleiben, Kuba auf einer Rückgabe des US-Stützpunktes Guantánamo ebenso besteht wie einen zügigen Verzicht auf das Handelsembargo. Für die durch die Sanktionen verursachten Schäden will Havanna möglicherweise eine Wiedergutmachung. Die USA könnten ihrerseits fordern, für das mit der Revolution von 1958/59 enteignete US-Eigentum entschädigt zu werden, und auf eine politische Liberalisierung drängen.

In einem Radiointerview klassifizierte Ricardo Alarcón, einst Präsident der kubanischen Nationalversammlung, das entkrampfte Verhältnis zu den USA als „Sieg des kubanischen Volks nach vielen Jahren des Kampfes“. Sein Land begibt sich freilich auf Neuland. Die neue „Freundschaft“ hat ihren Preis. Die Regierung Castro muss entscheiden, ob und wie sie die eigene Gesellschaft umbauen will. Und die Bevölkerung wird nach und nach entscheiden, was sie behalten und was sie ersetzen will. Vordergründige Parallelen gibt es nicht, doch hat sich in den früher mit Kuba verbündeten Staaten Osteuropas gezeigt, wie schnell dieser Prozess gehen kann.

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