Die lästigen weißen Wähler

Fighten und Spalten Hillary Clinton wird immer mehr zur bösen Tante in der nach Zusammenhalt strebenden Familie der Demokraten

Barack Obamas und Hillary Clintons Wege haben sich getrennt: Obama ist angesichts seines deutlichen Vorsprungs bei der Delegiertenzahl umgestiegen vom Vorwahlkampf zum Hauptwahlkampf gegen den Republikaner John McCain und plant Auftritte für die nächsten Tage in Michigan, Missouri und Florida. In diesen Staaten sind die Vorwahlen gelaufen; aber im November dürfte es hart hergehen. Clinton dagegen hat das Muttertagswochenende in West Virginia verbracht und marschiert weiter nach Kentucky, zwei Staaten, in denen noch gewählt wird, und sie deutlich vorn liegt. Der Vorwahlkampf sei erst vorbei, wenn alle abgestimmt haben. (Danach kommen noch Oregon, Puerto Rico und am 3. Juni Süd Dakota sowie Montana.)

Hillary Clintons fortgesetzte und inzwischen stark verschuldete Kandidatur ist zu einem komplexen Rohrschachtest geworden. Ihre Anhänger betrachten die Senatorin als eine von sexistischen Männern attackierte Kämpferin, eine Fighterin, wie man sie eben braucht, will man in November gewinnen gegen die republikanische Angriffsmaschine. Kritiker sehen Clinton zunehmend als böse Tante in einer nach Zusammenhalt strebenden Familie: Keiner will ihr die Meinung sagen, weil sie viel Gutes getan hat für den Clan, weil sie irgendwie unberechenbar geworden ist, und weil sie drohen könnte, ihr Testament umzuschreiben - wobei keiner weiß, wie viel es zu erben gibt. Und hinter ihr steht der cholerische Onkel.

Im Klartext: Hillary Clinton gehen die Argumente aus, warum die nun entscheidenden "Superdelegierten" - Kongressabgeordnete, Senatoren, Gouverneure und Parteifunktionäre, die beim Parteitag mit abstimmen - nicht für Obama votieren sollen. Es macht Demokraten nervös, dass Clinton immer mehr die "Rassenkarte" zieht: Sie habe die Mehrheit der weißen Stimmen bekommen, sagt sie, vor allem der weißen Arbeiter. Und weiße Arbeiter seien es, die in den achtziger Jahren "Reagan-Demokraten" geworden seien und seitdem republikanisch wählen. Diese verlorenen Schafe müsse man wieder heimbringen.

Das Argument ist nicht von der Hand zu weisen: Das Problem der fehlenden weißen Stimmen ist jedoch kein Obama-Problem, sondern ein demokratisches: Seit Lyndon B. Johnson 1964, also seit 44 Jahren, hat kein demokratischer Präsidentschaftsbewerber die Mehrheit der weißen Stimmen bekommen. Jimmy Carter hat es 1978 fast geschafft (48 Prozent), Bill Clinton bekam 1992 stolze 39 Prozent der weißen Stimmen (gegen Vater Bush und den unabhängigen Ross Perot) und 1996 43 Prozent (gegen Bob Dole und Ross Perot). Demokraten gewinnen, wenn sie sich klar absetzen von ihren Gegnern, und wenn sie die ethnischen Minderheiten mobilisieren. Und mit Letzterem hat Senatorin Clinton Probleme. Noch vor gut einem halben Jahr lag sie in der schwarzen Wählergunst deutlich vor Obama. Jetzt bewegen sich ihre afro-amerikanschen Prozentsätze im einstelligen Bereich.

Obama hat erkannt - und Hillary Clinton anscheinend nicht - dass 2008 ein "anderes" Wahljahr sein könnte. George W. Bush stellt neue Rekorde auf für Minuswerte, junge Wähler aller Rassen und afro-amerikanische Wähler engagieren sich an der Urne wie noch nie. Und die Jungen stimmen für Obama. Vermutlich könnte der aber im November Hillary Clinton gut brauchen, um deren Zielgruppen zu mobilisieren. "Anders" ist das Wahljahr 2008 auch wegen einer Kurskorrektur des "Großen Geldes": Obama schwimmt in Dollars (auch dank seiner kreativen Internet-Spendenaufrufe), Clinton war anfangs auch gut ausgestattet, hat aber unklug gewirtschaftet, während McCain, der Republikaner, sich Sorgen machen muss, ob er genug Spenden kriegt oder ob er bei seiner Ehefrau, einer Multimillionen Dollar schweren Biergroßhändlerin, Kredite aufnehmen muss.

40 Jahre ist es jetzt her, dass sich zum letzten Mal ein "anderes" Wahljahr abzeichnete. Dieses Jahr war 1968, es kandidierte Robert Kennedy, 42 Jahre jung, ein demokratischer Politiker, der den Vietnamkrieg zu Ende bringen, den Kampf gegen Armut zur "obersten Priorität machen" und ein Amerika schaffen wollte, in dem die Menschen "mitfühlend" mit einander umgehen würden. Robert Kennedy wurde am 5. Juni 1968 bei einem Attentat schwer verwundet, er starb am Tag darauf. Man trauert noch heute um das, was hätte sein können. Robert Kennedys Witwe Ethel unterstützt Barack Obama. "Barack ist wie Bobby", sagte Ethel Kennedy. Er sei eine "magnetische Kraft", die Amerika zur Arbeit für das Gemeinwohl zusammenbringe und Menschen zum Idealismus ansporne, für eine bessere Zukunft zu kämpfen.

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