Händeringen und Spott über die Bananenrepublik: Warum fällt es in Washington so schwer, beim Haushaltsstreit einen Kompromiss zwischen dem Weißen Haus und dem republikanisch dominierten Repräsentantenhaus auszuhandeln? Könnten die Konfliktparteien nicht ein bisschen einlenken? Die Frage hilft nicht weiter: Einer taktisch versierten Minderheit aus dem konservativen Flügel der Republikaner geht es nicht wirklich um Konzessionen.
Ganz gleich, was aus der republikanischen Forderung wird, die Gesundheitsreform aufzuschieben, und ob es das Mitte Oktober fällige Anheben der Schuldenobergrenze gibt: Die Neinsager der Tea Party handeln durchdacht. Rechtspopulistisch grundierte Politiker, die einen eindeutigen Trend zu mehr sozialer Diversifizierung und Machtverteilung nicht hinnehmen wollen, sehen trotz ihres Status als Minderheit eine Chance, Barack Obama in die Knie zu zwingen. Langfristig ist das kein Modell, vorübergehend funktioniert es. Das große Nein mobilisiert die rechte Basis.
Zum Hardliner gezwungen
Heute geben im Repräsentantenhaus Republikaner den Ton an, die aus weißen ländlichen und vorstädtischen Wahlkreisen kommen. Sie haben so gut wie keine Angst, beim nächsten Votum von einem demokratischen Rivalen verdrängt zu werden. Gefahr droht ihnen durch innerparteiliche Konkurrenten von rechts. Und man weiß aus Erfahrung: Bei Vorwahlen mobilisiert der rechte Flügel besonders vehement. John Boehner, Chef der Republikaner im Repräsentantenhaus, galt früher als traditioneller Parteimann – gegen Gewerkschaften, offen für die Wirtschaft, mit einem Auge auf die konservativen Christen – jedoch kein fundamentalistischer Ideologe, den er jetzt offenbar geben muss, wenn ihm sein Posten lieb ist.
Bei den Konservativen hat sich ein Fundamentalismus festgesetzt, der sich mithilfe gut organisierter Verbände und Mediennetzwerker munter ausbreitet. Obamacare zerstöre die Freiheit, heißt es. Ein teils irrational anmutender Hass auf den Präsidenten bestimmt das Handeln. Das Fox-Fernsehen prangerte in dieser Woche an, der Shutdown der Regierung verwehre Veteranen den Zugang zu Denkmälern. Obama habe aber persönlich für ein muslimisches Museum gespendet, damit es geöffnet bleibe. Ein solches Museum gibt es nicht. Die „Meldung“ wurde aus einem Satire-Magazin abgeschrieben.
Obama kann nur hoffen
Die Handelskammer, der wichtigste US-Industrieverband, hat die Politiker gewarnt, sie müssten das Schuldenlimit zeitnah anheben: Die Haushaltsdebatte solle danach stattfinden. Das republikanische Establishment und dessen finanzielle Sponsoren bekommen nun die Quittung für ihre Strategie, die rechten Hardliner als Stoßtrupp gegen den vermeintlich linkslastigen Obama einzusetzen, um – wenn nötig – die Bremse ziehen zu können. Dabei wird auch der Präsident von der Vergangenheit eingeholt. Er hat zum Ärger seiner Stammwähler häufig moderate republikanische Positionen vertreten. Beim Haushaltsdebakel muss er feststellen, dass die erhofften republikanischen Partner in der eigenen Partei nurmehr schwer durchkommen.
Bei alldem sind der Rassenfaktor und Manipulationen der Demokratie nicht zu übersehen. 63 Prozent der US-Bevölkerung ist weiß. In Wahlkreisen mit einem republikanischen Kongressabgeordneten sind 75 Prozent der Wähler weiß, ermittelte der Cook Political Report, ein Handbuch für Wahlstrategen, und dokumentiert: 96 Prozent der republikanischen Kongressabgeordneten sind weiß. Im 435 Mitglieder starken Repräsentantenhaus haben die Republikaner seit Jahren einen klaren Vorsprung, auch ohne nationale Wählermehrheit. Entscheidend für das Ausmaß des Erfolges, vermerkt der konservative American Spectator, sei „redistricting“.
Domäne Wahlkreis
Alle zehn Jahre werden in den USA die Grenzen der Wahlkreise neu gezogen, und zwar von Kommissionen der einzelnen Bundesstaaten. Wer die politische Mehrheit hat in den dortigen Parlamenten und Gouverneursämtern, ist dabei federführend und kann vorliegende Daten über das Wählerverhalten nutzen. Die Republikaner tun das geschickt. Bei den Zwischenwahlen 2010 konnten sie in vielen Bundesstaaten absahnen und viele Wahlbezirke entsprechend zuschneiden.
Im November 2012, als Obama wiedergewählt wurde, stimmten bei den parallelen Wahlen zum Repräsentantenhaus 1,5 Millionen US-Bürger mehr für demokratische Bewerber als für republikanische – doch mit dem Resultat, dass die Republikaner 234 Sitze im Repräsentantenhaus erhielten, die Demokraten nur 201. Obama gewann in Florida, aber die Republikaner erhielten dort 17 der 27 Mandate im Repräsentantenhaus. In Virginia gingen acht von elf Sitzen an die Republikaner, obwohl Obama in diesem Staat mit drei Prozent Vorsprung triumphierte. Auf nationaler Ebene wachsen, allein demografisch bedingt, die demokratischen Chancen. Noch jedoch bleibt den Republikanern die Domäne Repräsentantenhaus, denn die jetzigen Wahlbezirke gelten bis 2020.
Die Rhetorik der Tea-Party-Aktivisten gegen den Moloch Staat gründet auch in der Überzeugung, dieser Staat arbeite zunehmend für Menschen, die nicht so sind „wie wir“. Beispiel Gesundheitsreform: Trotz vieler Schwächen ist Obamacare ein Versicherungsmodell, bei dem Millionen Menschen erstmals in ihrem Leben eine Krankenversicherung abschließen können. Der republikanische Senator Ted Cruz – ein Architekt der Blockade – hat das genauso formuliert, nur mit anderer Perspektive: Man müsse Obamacare stoppen, um zu verhindern, dass die Menschen sich an die Gesundheitsversicherung gewöhnen, wie sie sich an Sozialprogramme gewöhnt hätten.
Konrad Ege schrieb zuletzt über die NSA und Cyber-Waffen
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