Ein Herbsttag

11. September 2001 Ich habe Angst, dass noch mehr passiert

FREITAG: Es ist jetzt bei Ihnen an diesem 11. September 2001 12.00 Uhr Ortszeit - wie haben Sie diesen Tag bisher erlebt?

KONRAD EGE: Ich kam heute Vormittag in mein Büro, etwa 20 Minuten nach neun, nachdem ich meinen Sohn in die Schule gebracht hatte, und schaltete routinemäßig die Nachrichten ein und sehe diese Bilder. Die sahen aus wie in einem schlechten Fernsehfilm - bis ich begriff, das ist kein Film, das ist eine Tragödie.

Eine ohne Beispiel für die USA ...

Dazu will ich jetzt überhaupt nichts sagen, sondern nur, dass es vermutlich Tausende von Tote gibt, sie haben alle Familie, das sollte man erst einmal stehen lassen und nur diesen Punkt betonen. Man muss einfach sehen, dass eine entsetzliche Sache passiert ist, unvorstellbar. Ich schaue hier bei mir in Washington aus dem Fenster, der Himmel ist blau, ringsherum alles grün, ein wunderschöner Herbsttag - und man kann nicht glauben, was einige hundert Meilen nördlich von hier derart Grauenvolles passiert ist. Man muss sich jetzt Zeit lassen zur Trauer, ohne gleich zu irgendwelchen Analysen zu springen.

Die werden sich nicht vermeiden lassen ...

Nein, aber die Gefahr ist eben, dass sofort mit den Analysen auch Lösungen kommen werden. Militärische Lösungen, Sicherheitslösungen, alles Lösungen in Anführungszeichen - aber niemand weiß, was wirklich dahinter steht.

Gab es in den vergangenen Tagen irgendwelche Warnungen der Behörden?

Es hieß ab und zu, Usama bin Ladin hätte möglicherweise irgendetwas geplant. Aber nachdem, was ich jetzt höre, gibt die Regierung zu, keine Vorahnung gehabt zu haben. Trotz aller Möglichkeiten der Satellitenüberwachung. Man kann es sich eigentlich nicht vorstellen, dass eine solch koordinierte Aktion vorbereitet werden konnte, ohne dass jemand etwas davon wusste.

Ein Eingeständnis, das auch Präsident Bush gemacht hat?

Ja, auch der hat erklärt, er wusste nichts.

Ist der Nationale Notstand ausgerufen?

Bisher nicht, aber es sind Kampfflugzeuge über Washington zu hören, die hier normalerweise nicht in der Luft sind. Ein starker Fluglärm erfüllt die Stadt. Ich weiß nicht, was jetzt passiert. Ich habe Angst, dass noch mehr passiert.

Man denkt natürlich unwillkürlich an den israelisch-palästinensischen Konflikt ...

Ja sicher, aber denken wir an das Attentat von Oklakoma City 1995 - da hieß es sofort, das waren die Araber, aber sie waren es nicht. Oder der Bombenanschlag auf das World Trade Center 1993. Das hieß es, das waren die Serben ... und es stimmte nicht.

Das Gespräch führte Lutz Herden

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