Flanke aus dem Mittelfeld

USA Den Demokraten fällt mit dem Dissidenten Jeffords vieles in den Schoß, obwohl sie als Opposition überhaupt noch kein Profil gewonnen haben

Es war ein Erdbeben, sagen manche. Die Demokraten haben nach sieben Jahren erstmals wieder die Mehrheit im US-Senat, weil der republikanische Senator James Jeffords aus seiner Partei ausgetreten ist. Wenn tatsächlich so etwas wie ein politischer Erdstoß zu verspüren war, dann aber kein sonderlich starker. Etwa vier auf der Richterskala. Die Demokraten haben einfach zu wenig Profil als Oppositionspartei, und Jeffords dürfte kaum andere Republikaner mitziehen. Der Senator aus Vermont wollte nicht mehr mitmachen in einer Partei, deren Chef Inklusivität und Kooperation über die politischen Grenzen hinweg predigt und gleichzeitig einen knochenharten Konservatismus durchsetzt, der zumindest bei der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik Ronald Reagans Programme in den Schatten stellt.

Er verlasse die Partei, weil er deren stramm rechten Kurs nicht mehr unterstützen könne, erklärte Jeffords. Früher hätten sich die Parteiflügel abgesprochen und abgestimmt; unter Bush und den Parteiführern im Senat habe sich dies "dramatisch verändert". Diese Kritik trifft den Nagel auf den Kopf. Bush regiert von rechts und tut dabei so, als habe das Volk ihn bei den Wahlen im November genau dazu beauftragt. Bislang hat das funktioniert. Bushs Leute verspotten nun Jeffords ("beleidigte Leberwurst"), und üben leichte Selbstkritik, dass sie dessen Absichten eher hätten erkennen sollen.

Jeffords Schritt illustriert die politischen Veränderungen in Amerika. Der langjährige Senator sehnt sich nostalgisch nach der "alten" Republikanischen Partei - nach der Republikanischen Partei des "Ostküsten-Establishments", der Partei der Rockefellers und des alten Bush (George W.´s Großvater: Senator Prescott Bush): Sie stand natürlich für niedrige Steuern, ein Minimum an Staatsausgaben, geringe Regierungseinwirkung auf die Wirtschaft, aber auch für Toleranz in sozialen Fragen, Umweltschutz, Internationalismus und eine amerikanische Version der sozialen Marktwirtschaft. In den vergangenen 25 Jahren haben jedoch die christlichen Sozialkonservativen, die marktwirtschaftlichen Darwinisten und die rechten Weißen aus den Südstaaten das Heft in die Hand genommen. Und auch die Geldgeber verlangen offensichtlich nach einem härteren Kurs.

Eine demokratische Selbstzufriedenheit über den Zugewinn (50 zu 49 Senatoren und Jeffords "unabhängige" Stimme) wäre aber dennoch verfehlt. Jeffords ist der Partei in den Schoss gefallen. Dass die kuschenden Demokraten einen Ex-Republikaner zum Rückstärken brauchen, ist ein Armutszeichen für die vermeintliche Opposition. Bisher haben auch demokratische Senatoren und Abgeordneter für Bushs Programme gestimmt. Den rabiaten republikanischen Steuerplänen zugunsten der Superreichen vermochte die Partei keine wirklichen Alternativen entgegenzustellen.

Aber auch wenn die Demokraten weiterhin keine vereinigte Opposition bilden sollten: Im Senat werden die Führungsposten umbesetzt. Tom Daschle - ein ganz, ganz vorsichtiger Politiker der Mitte - ist jetzt Chef, und nicht mehr der rechte Haudegen Trent Lott. Die Demokraten als Mehrheitspartei ernennen die Vorsitzenden aller Ausschüsse. Und die Vorsitzenden stellen in dem ach so sehr auf Dienstalter bedachten Senat die Weichen: Welche Vorlagen stehen zur Beratung an, worüber wird abgestimmt, zu welchen Fragen sollten Anhörungen abgehalten werden? Jesse Helms verliert seinen Auswärtigen Ausschuss, Frank Murkowski den Energieausschuss, Orrin Hatch den Justizausschuss. Bürgerrechtler und die arktischen Karibus atmen auf. Und die Demokraten? Sie könnten jetzt Bush mit offiziellen Anforderungen nach Dokumenten so plagen wie die Republikaner einst Clinton. Oder sie können sich weiterhin von den süßen Worten aus dem Weißen Haus einlullen lassen.

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