Glauben an Amerika

US-Demokraten Noch kann Hillary Clinton sich nicht sicher sein, ob sie die Sanders-Kampagne bei der Präsidentschaftstwahl geschlossen hinter sich hat, um Donald Trump zu schlagen
Ausgabe 30/2016
Und alle so yeah: Hillary Clinton mit ihrem Running Mate und US-Senator Tim Kane
Und alle so yeah: Hillary Clinton mit ihrem Running Mate und US-Senator Tim Kane

Foto: Gaston de Cadenas/AFP/Getty Images

Eine hasserfüllte Sprache politischer Figuren im Fernsehen repräsentiere nicht den wahren Geist von Amerika, so First Lady Michelle Obama beim Demokraten-Konvent in Philadelphia. Stimmt das, dann können demokratische Wähler zuversichtlich in den Rest des Wahlkampfes ziehen. Doch mit Zuversicht muss man vorsichtig sein bei der US-Präsidentenwahl 2016. Man steht auf gefährlichem Neuland. Viele in republikanischen Führungskreisen haben sich unter Missachtung vermeintlicher Parteigrundsätze einem von ihnen nicht kontrollierbaren Narziss angeschlossen, der versichert, er allein könne die angeblich ins Chaos abgleitende Nation retten.

Da geht es wohl nicht einmal primär um Wirtschaftsfragen, denn die wirtschaftliche Elite begeistert sich nicht für den Milliardär. Und doch geht das konservative Spektrum der politischen Klasse das Donald-Trump-Risiko ein. Es will den gesellschaftlichen Wandel nicht hinnehmen, der sich unter dem schwarzen Präsidenten vollzogen hat. Hinter dem Schimpfen republikanischer Politiker über „Political Correctness“ steht die Wahrnehmung von Machtverlust: Jahrzehntelang tonangebende weiße Protestanten sind nur noch eine Bevölkerungsgruppe von vielen. Auch im Wahlvolk sind es vorwiegend weiße Männer, die offenbar den Wunsch verspüren nach einem, der die Zügel in die Hand nimmt. Sie sind getrieben von ökonomischer Verunsicherung und von der Einsicht motiviert, dass sich die Elite in Wirklichkeit nur wenig schert um das Schicksal der Abgehängten.

"Großartiges" Land

Der harte Kern dieser Menschen ist schwer erreichbar für die Demokraten. Beim Konvent in Philadelphia haben die Redner jedoch die rechten Bedrohungsszenarien eindrücklich in Frage gestellt. Michelle Obama betonte ganz patriotisch, sie lasse sich nicht vorhalten, ihr Land müsse wieder „großartig“ gemacht werden. Für sie seien die USA schon jetzt das „beste Land der Welt“. Und Amerikas Vielfalt war versammelt auf diesem Parteitag. Sehr bedeutend für den Wahlkampf ist: Demokraten haben attraktive Reformen des sozialen Status quo vorgelegt. Konkrete Punkte sind etwa höhere Mindeststundenlöhne, eine bessere Altersversorgung, kostenloses Studieren an staatlichen Unis für fast alle Einkommensgruppen, Bankenreform, Inventur der Wahlfinanzierung und ein Nein zu wesentlichen Elementen des Prinzips Freihandel. Es sei das progressivste Parteiprogramm in der Geschichte der Demokraten, so Bernie Sanders. Bei den Ovationen für den Anführer der „politischen Revolution“ kam zum Ausdruck, dass sehr viele Demokraten dankbar sind, dass der Sozialist aus Vermont die Diskussion nach links verlagert hat. Dadurch wurde auch der demokratische Parteiapparat geputzt: Die Geldgebern nahestehende Vorsitzende Debbie Wasserman Schultz verlor ihren Posten, eine Forderung von Sanders schon seit Monaten. Ein ganz eigenes Problem für die demokratische Einheit war eine Minderheit von Sanders-Anhängern, die ihren politischen Erfolg nicht als Erfolg akzeptieren wollten, obwohl Sanders betonte, man lebe doch in der „realen Welt“. Er werde alles für Kandidatin Hillary Clinton tun, denn nur mit ihrer Wahl sei Fortschritt möglich.

Die Chancen sind gut, dass die First Lady in ihrem Patriotismus recht behält. Doch wenn sich Michelle Obamas Vertrauen in ihre Landsleute am 8. November auszahlen soll, muss Hillary Clinton überzeugen, dass sie viel mehr ist als das kleinere Übel. Machbar, aber auch leistbar?

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