Barack Obama, Mann des Wandels, global denkend und partnerschaftsorientiert, der Multikulturelle. Vielleicht ist es trotz dieses Anspruchs hoffnungslos naiv, die Behauptung aufzustellen, dass Obama nichts verloren habe in Kopenhagen, wenn die Damen und Herren des IOC die Sommerspiele 2016 vergeben – dass der US-Präsident sein Ansehen und politisches Kapital nicht in die Waagschale werfen sollte, wenn es darum geht, dass Chicago und nicht Tokio, Rio de Janeiro oder Madrid die Zusage bekommen.
Natürlich setzen sich Regierungen für ihre Städte ein. Es geht um Prestige und viel Geld. In Kopenhagen treten auch der brasilianische der Präsident Lula da Silva, der König von Spanien und Japans Premier Hatoyama aufs Parkett. Man wird aber das Gefühl nicht los, dass die Macher in den USA den Hals nicht voll kriegen. Seit 1960 sind die Olympischen Spiele fünf Mal in den Vereinigten Staaten ausgetragen worden. Noch nie war ein südamerikanisches Land Gastgeber. Und da macht sich der US-Präsident gegen Lula, Pele und Rio stark , das nach Medienberichten eine viel versprechende Bewerbung eingereicht hat? Bei Olympischen Spielen in Chicago würden sich die USA von ihrer besten Seite zeigen können, und die Spiele brächten "fühlbaren wirtschaftlichen Nutzen", sagt der Sprecher des Weißen Hauses. Daher wolle der Präsident Chicago unterstützen. Ein paar Tage zuvor hatte es noch geheißen, Barack reise nicht an, sondern die in Chicago gebürtige First Lady Michelle Obama. Der Präsident habe die Hände voll mit der Gesundheitsreform. Aber nun sei das anders, revidierte Sprecher Robert Gibbs, ohne Details anzugeben. Nach Ansicht Obamas gehe es der Reform nun "besser". Es bleibt die Frage: "warum wirklich"? Erfolg wäre natürlich schön, Glitzer, Glanz, Gold. Ronald Reagan sonnte sich 1984 bei den vom "Ostblock" boykottierten Olympischen Spielen in Los Angeles (sagenhafte 174 Medaillen für die USA), Bill Clinton 1996 in Atlanta (nur noch 101 Medaillen), George W. Bush 2002 im Schnee von Salt Lake City – und 2016 ist Wahljahr. Es wäre Obamas letztes Jahr, sollte er 2012 wiedergewählt worden sein. Brot und Spiele. Sollte sich eine Mehrheit des IOC nicht schon, mit Wissen der US-Regierung, im Voraus für Chicago entschieden haben, geht Obama ein PR-Risiko ein. Sollte es eine Niederlage geben, wäre ihm der Spott seiner Gegner sicher: Er sei doch nicht mehr als ein Papiertiger.
Daley-Maschine
Chicago ist Obamas politische Heimat. 1997 wurde er für einen Ortsteil von Chicago in den Landtag von Illinois gewählt, 2004 zum US-Senator von Illinois. Chicago steht im Ruf alltäglicher Korruption, eine Hand wäscht die andere, die Metropole im Mittleren Westen ist eine politische Welt für sich. Von 1955 bis 1976 wurde sie kontrolliert von Bürgermeister und "Boss" Richard Daley, seit 1989 hat Daleys gleichnamiger Sohn die Zügel in der Hand. Dessen Bruder William Daley war Bill Clintons Handelsminister. Ohne die Daley-Maschine geschieht nicht viel in Chicago. Und Bürgermeister Richard Daley will die Olympischen Spiele haben.
Barack Obama zeigt sich nun der politischen Maschine erkenntlich, die seinen Aufstieg ermöglicht hat. Mehrere Direktoren des Organisationskomitees für Chicago 2016 sind persönliche oder politische Freunde der Obamas. Zum Beispiel die Hyatt-Hotel-Erbin Penny Pritzker, die eine führende Rolle gespielt hat bei Obamas "meteorhaften" Fundraising-Erfolg. Der Pritzker-Familie gehörten Hotels, die jetzt vom Organisationskomitee angepriesen würden.
In der Stadt selber wird die Olympia-Bewerbung höchst kontrovers gesehen. Nach einer Umfrage der Zeitung Chicago Tribune sind 47 Prozent der Bewohner für Olympia – 45 Prozent dagegen. Im Februar waren noch zwei Drittel dafür. Und bemerkenswert bei der Erhebung vom September: 84 Prozent wären gegen die Olympischen Spiele, sollten die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, um das Projekt zu finanzieren. Und genau das ist aber vorgesehen in einer Stadt, die heute bereits mit Hunderten Millionen Dollar in den roten Zahlen steckt, Angestellte vor die Türe setzt, Kurzarbeit verordnet und kaum genug Geld hat zum Unterhalt der Schulen.
Aber Bürgermeister Daley hat einen Vertrag mit dem IOC unterzeichnet, wonach die Stadt für den Fall des Falls die volle finanzielle Verantwortung übernimmt. Das könnte Chicago in den absoluten Ruin treiben, warnten
Nachbarschaftsorganisationen und kritische Bürgerverbände, die sich zu No Games Chicago (nogameschicago.org) zusammengeschlossen haben. Präsident Obama sieht das offenbar anders. Seine Freunde ebenfalls.
Vertreter von No Games Chicago wollen auch in Kopenhagen vorsprechen
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