Große Stunde des Kaninchenjägers

USA Mitt Romney ist Herausforderer Barack Obamas. Doch hat er wenig Spielraum, einen Präsidenten anzugreifen, der die Republikaner auch bei der Sicherheitspolitik überholt

Die Wahlkampf-Hochsaison hat begonnen. Der republikanische Herausforderer steht fest. Man kann allerdings getrost den Fernseher ausschalten, Kopfhörer aufsetzen und Musik hören. Denn im Ringen der Kandidaten geht es nicht so sehr um Inhalte, Ideen und Programme, sondern um die Verpackung der Politiker. Die sich oft als Mogelpackung erweist. Auch häufen sich hochgepushte Konflikte und Skandälchen, die irgendwie spannend sind, aber wenig aussagen über Präsident Barack Obama und den Republikaner Mitt Romney.

War der Kommentar einer demokratischen PR-Frau, Millionärs-Gattin Ann Romney habe noch keinen Tag in ihrem Leben gearbeitet, zutreffend oder „mütterfeindlich“, wie Konservative schimpfen? Ann habe doch trotz gesundheitlicher Probleme (Multiple Sklerose) fünf Söhne großgezogen? Die rechten Kolumnisten spotten, dass Obama, der seiner jüngsten Steuererklärung zufolge auf ein Jahreseinkommen von 789.674 Dollar kommt, bei seinen Beschwerden über Millionäre, die prozentual weniger Steuern zahlten als ihre Sekretärinnen, nicht voll glaubwürdig sei. Obama habe selbst weniger abgeführt an den Fiskus als seine Sekretärin (Jahreseinkommen 95.000 Dollar).

Auch Mitt Romney wirkte nur begrenzt überzeugend, als er Mitte April auf der Jahresversammlung der vier Millionen Mitglieder starken National Rifle Association (NRA) die Schusswaffenlobby lobte, ihr gehe es um die „Verteidigung der Freiheit“. Romneys Anbiederung an Jäger, Sportschützen und Selbstschützer ließ viele TV-Sender Clips früherer Reden auspacken, in denen der gelackte Mann im weißen Hemd seine Waffenqualifikationen beweisen wollte. Er habe mit 15 sein erstes Gewehr gekauft, sagte Romney vor ein paar Jahren. Schon immer sei er Jäger gewesen. Aber: „Ich bin kein Großwildjäger“. Eher „ein Nagetier- und Kaninchenjäger“. Hauptthema des Wahlkampfes ist die von beiden Seiten vorgebrachte Behauptung, am 6. November 2012 stehe mehr als jemals zuvor auf dem Spiel. Die Unterschiede seien doch riesig! Sollte Obama wiedergewählt werden, könne Amerika bald „für immer verloren sein“, warnte NRA-Präsident Wayne LaPierre, als er Romney bei der Versammlung der Bewaffneten begrüßte. Solche Alarmrufe helfen Journalisten, unter Verweis auf dieses Drama eine Rund-um-die-Uhr-Berichterstattung zu rechtfertigen. Doch gemessen an dem, was Obama im Präsidentenamt getan hat, ist die Kluft zu Romney nicht in allen Punkten tief und breit.

Ein Raffgier-Kapitalist

In der Sozial- und Gesellschaftspolitik sind die Unterschiede tatsächlich groß zwischen Republikanern und Demokraten, vor allem dank der Retro-Haltung der Rechtschristen und Sozialkonservativen. Die kämpfen verbittert gegen die „Liberalisierung gesellschaftlicher Werte“, die kaum noch aufzuhalten sei: bei der Gender-Politik, beim Schwangerschaftsabbruch, bei der Homo-Ehe, sogar bei der Empfängnisverhütung. Doch die Rechten können noch so lärmen – obwohl bei den Vorwahlen „die Evangelikalen“ nach Angaben der rechtschristlichen Faith and Freedom Coalition rund die Hälfte der Wähler stellten, hat deren Wunschkandidat Rick Santorum verloren. Romney galt früher – vor seiner Wahlkampf-Neugeburt als gestandener Rechter – bei Wertefragen eher als moderater Republikaner.

Bei der Wirtschaftspolitik verweisen die Demokraten auf den für sie glücklichen Umstand, dass der republikanische Kandidat und Heuschreckenkapitalist fast als Karikatur gelten kann für das „Schlimmste“ am Raffgier-Kapitalismus. In dieser Hinsicht hält Obama seit Neuestem kraftvolle Ansprachen. Er prangert die soziale Ungleichheit an. Berater vom liberalen Parteien­spektrum betonen, dass dieser Linkspopulismus ankomme. Eine Analyse des nach dem New-Deal-Präsidenten Franklin D. Roosevelt benannten Roosevelt Institute warnte kürzlich jedoch, bei aller Freude über die neue Rhetorik dürfe man Obamas Präsidentschaft nicht vergessen. Unter der seien nämlich vor allem die Reichen reicher geworden. 93 Prozent der Zugewinne beim Wirtschaftsaufschwung von 2009/10 seien an das reichste eine Prozent der US-Gesellschaft gegangen. Über die Ursachen wird diskutiert: die Macht der Republikaner im Kongress, die Schwäche der Linken. Obama wollte in Wirklichkeit mehr, sind viele seiner Wähler überzeugt. Mag sein oder auch nicht. Die New York Times hat eine ernüchternde Untersuchung der Besucher des Weißen Hauses veröffentlicht. Die Wahlspender seien stark vertreten. Von denen, die bis zu 30.000 Dollar investierten, hätten 20 Prozent beim Präsidenten vorgesprochen. Bei den Gönnern, die 100.000 Dollar gaben, seien drei von vier vorgelassen worden.

So viel Härte

Und sicherheits- und außenpolitische Unterschiede? Mitt Romney hat bei den Vorwahlen auf scharfe Schritte gegen den Iran gedrängt. Obama gilt als umsichtiger. Doch bei der Sicherheitspolitik, wo normalerweise die Republikaner die Demokraten als Weicheier verspotten, erlebt man Ungewöhnliches, der Demokrat Obama hat einiges vorzuweisen: Bin Laden 2011 erschossen, al-Qaida dezimiert, den Drohnenkrieg im Jemen und in Pakistan forciert, Tötung von terrorverdächtigen US-Bürgern autorisiert, Folter nicht geahndet. Romney kann das nicht überbieten.

Manche Obama-Wähler haben Hoffnung, der Präsident werde in einer zweiten Amtsperiode frei sein vom Wiederwahldruck. Man verweist auf das kürzlich über ein vermeintlich ausgeschaltetes Mikrofon bekannt gewordene Gespräch Obamas mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew. Er werde erst nach seiner Wiederwahl „flexibler“ sein, war da zu hören. Als Wahlkämpfer weckt Obama immer noch Hoffnung. Genauso wie 2008, als viele Linke, Progressive oder Grüne das Kleingedruckte nicht lesen wollten. Viel Konkretes hat Obama seinen Kernwählern nie versprochen. Jetzt werden sie ihn wieder wählen, die meisten zumindest, weil sie sich keinen Präsidenten Romney vorstellen wollen. Der harte Kern der Republikaner ist auch unzufrieden mit diesem vermeintlichen Hoffnungsträger der Partei. Wahlkampf ist eine Zeit, in der ganz besonders zu Tage kommt, wie klein der politische Spielraum in den USA tatsächlich ist.

Konrad Ege schrieb zuletzt über den erschossenen Teenager Trayvon Martin

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