Hotels am Strand

Singapur-Gipfel Der US-Präsident war als Friedensstifter und Häusermakler unterwegs
Ausgabe 24/2018
Auch die beiden Fahnen passen farblich gut zusammen
Auch die beiden Fahnen passen farblich gut zusammen

Foto: Bloomberg/Getty Images

Die persönlichen Interessen des Donald Trump haben sich beim Treffen mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un zumindest vorübergehend überschnitten mit dem Wunsch vieler Menschen, in Korea einen Krieg zu vermeiden. Zu Hause und erst recht bei den Seinen profitiert Trump machtpolitisch vom Gipfel. Aus US-Sicht war das in Singapur die große Trump-Show. Angeblich demonstrierte der Präsident der Welt seine Überzeugungskraft und sein Gespür für Deals. Trump bekommt, was er will, so die Botschaft.

Auf jeden Fall scheint das potenziell explosive Verhältnis zwischen beiden Ländern entschärft. Ein Krieg sei nun offenbar viel weiter entfernt als vor nur wenigen Monaten, schreibt Richard Haass, Präsident des elitären Rates für Außenbeziehungen, im Politmagazin axios.com. Jedoch würden erst die folgenden Verhandlungen zeigen, was die Absichtserklärung, in der von einer „vollständigen Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel“ wie in Aussicht stehenden US-Garantien die Rede sei, wirklich bedeute. Rüstungsexperten meinten vor dem Gipfel, es wäre ein Erfolg, sollte ein Prozess der Abrüstung beginnen, der auf Vertrauen basiere. Das könnte passieren, doch wer weiß, wann der nächste frühmorgendliche Tweet kommt?

Meisterhaft inszeniert

In Singapur hat Trump Zugeständnisse gemacht. Bei seiner Abschlusspressekonferenz gab er sogar bekannt, er werde die Militärmanöver mit Südkorea einstellen. Die seien kostspielig, auch wegen der langen Anflugwege – er kenne sich aus mit Flugzeugen –, und „sehr provozierend“. Das mit dem „provozierend“ sagt man in Pjöngjang schon lange.

Republikanische Politiker hätten Barack Obama gekreuzigt für ein Bekenntnis, er vertraue Kim, wie Trump das mehrfach versichert hat. Als der Trump-Vorgänger 2016 nach Kuba reiste, schimpften Republikaner, dass er sich mit Raúl Castro und dessen Henkern treffe, während politische Gefangene in Kerkern schmachteten. Donald Trump hingegen kehrt in den Augen seiner Getreuen als Weltenlenker vom Männer-Rendezvous zurück. Dass der südkoreanische Staatschef Moon Jae-in den Weg zum Treffen geebnet hat, wird verdrängt. Und nicht zu unterschätzen in den USA: Mit Korea beherrscht Trump eine Zeitlang den Medienzyklus. Was Sonderermittler Robert Mueller aufdeckt oder dass Zeitungen in dieser Woche schreiben, Schwiegersohn Jared Kushner und Tochter Ivanka hätten mit ihrem ersten Jahr im Weißen Haus mindesten 82 Millionen Dollar dazuverdient, rückt in die mediale Ferne. Das Agreement mit Kim verschafft Trump Anerkennung als Staatsmann. Es gibt das Gefühl, Obama übertrumpft zu haben, und gutes Material für die Kampagne vor den Kongresswahlen am 6. November.

Meisterhaft inszeniert war das Ganze im güldenen Singapur, die Spannung zuvor, der hohe Unterhaltungswert, die guten Einschaltquoten trotz des Zeitunterschieds zu den USA. Erst gibt es vor Wochen die Ansage, man werde sich bei einem historischen Treffen begegnen. Dann sagt der Mann in Washington ab. Dann wieder zu. Dann brüskiert er beim G7-Gipfel kurz vor Singapur vermeintliche Verbündete. Trump markierte den starken Mann, denn – so Wirtschaftsberater Larry Kudlow bei CBS – „eine historische Verhandlung“ stand an, der Präsident konnte „es nicht erlauben, dass ihn jemand plötzlich attackiert“.

Innen- und außenpolitisch hat Trump Kritiker und Freunde aus dem Gleichgewicht gebracht mit seiner Nordkorea-Öffnung, vor allem die demokratische Opposition aus der Routine geworfen. Sie ist an die kriegslüsternen Sprüche von Trump und Co. gewöhnt, die sich schön monieren lassen. Doch wer kann dagegen sein, wenn der Präsident sich anschickt, eine nukleare Bedrohung abzuwenden? Trump wies in seiner Pressekonferenz darauf hin, im Fall eines Krieges „hätte man, wissen Sie, 30, 40 oder 50 Millionen Menschen verlieren können“. Das linke Magazin The Nation versichert, die Opposition könne Trump ablehnen und dennoch diplomatische Initiativen in Korea gutheißen.

Eine Gruppe aus 15 demokratischen Abgeordneten vom eher linken Parteiflügel schrieb Trump am Tag vor dem Gipfel, sie sei ermutigt von der „direkten Diplomatie“. Nancy Pelosi, demokratische Sprecherin im Repräsentantenhaus, schimpfte am Tag danach, Trump habe „Nordkorea auf die Ebene der Vereinigten Staaten erhoben“, ihr Parteikollege, Senator Brian Schatz, fühlte sich „beschämt“, und Chuck Schumer, demokratischer Minderheitsführer im Senat, machte auf tougher als Trump und forderte, die Wirtschaftssanktionen dürfe man nur lockern, nachdem Nordkorea alle nuklearen, biologischen und chemischen Waffen und das ballistische Raketenprogramm zerstört habe. Ein demokratisches Konzept gibt es anscheinend nicht.

Paul Ryan weiß Bescheid

Von republikanischer Seite wurde Trump mit Glückwünschen überhäuft. Die US-Nordkorea-Politik sei seit Jahrzehnten ein Fehlschlag gewesen, sagt Paul Ryan als Sprecher des Repräsentantenhauses. Er lobe den Präsidenten, der „den Status quo nicht akzeptiert“ habe. Nach dem Gipfel wurde der Präsident mehrmals auf das Thema Menschenrechte angesprochen. Ja, es sei zur Sprache gekommen, sagte Trump. In der Vereinbarung steht nichts davon, obwohl die Lager in Nordkorea, die selbst der Laie auf Google-Earth-Satellitenbildern ausmachen kann, seit jeher ein ganz großes Thema sind für Trumps enge Verbündete, die konservative Christenheit. Deren Hilfsverbände, selbst das US-Außenministerium, sprechen von Zehntausenden Internierten.

Kim reiste ohne Pressekonferenz nach Hause. Liebend gern würde man erfahren, ob Trump beim Zweiergespräch von seinem unerwarteten Erfolg gegen Hillary Clinton und vom Wirtschaftswachstum zu Hause erzählt hat, das seiner Regierung zu verdanken sei. Die nordkoreanische Führung kann Singapur ebenfalls als Erfolg verbuchen, als großen vermutlich. Die USA haben sich trotz des enormen Machtgefälles zu Verhandlungen bereit erklärt. Kim wurden keine zeitgebundenen Zusagen abverlangt. Trump hatte bei seiner Pressekonferenz einen guten Rat parat: Man könne doch die weltweit besten Hotels an den großartigen Meeresstränden Nordkoreas bauen. Man müsse das vom Immobilienstandpunkt aus sehen.

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