In einer Wagenburg

USA Die Enthüllungen über die Cyber-Spionage lassen viele Amerikaner eher kalt. Für eine Mehrheit hat Edward Snowden den nationalen Interessen des Landes geschadet
Ausgabe 27/2013
In einer Wagenburg

Foto: Alex Wong / Getty

Barack Obama muss sich wohl auf einige unangenehme Gespräche mit seinen Partnern wegen der Enthüllungen über das NSA-Spähprogramm einstellen. Doch zu Hause schaden die Cyber-Spionage und die deutsche Empörung dem US-Präsidenten offenbar nicht. Die offiziellen Rechtfertigungen werden akzeptiert: Geheimdienste spionierten halt, das machten alle. Dass die National Security Agency Millionen Kommunikationsverbindungen in der Bundesrepublik überwacht, lässt die Amerikaner eher kalt. Auf die Privatsphäre von Ausländern muss man keine Rücksicht nehmen.

In den USA hält sich selbst die Entrüstung über die Überwachung von Telefonaten und Internetkommunikation der eigenen Bürger in Grenzen. Obamas Demokratische Partei steht zu ihrem Präsidenten. Die Chefin des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein, erregte sich vielmehr über Edward Snowden. Er sei ein Landesverräter. Das Institut Pew publizierte eine aufschlussreiche Umfrage: 2006 hätten 61 Prozent der demokratischen Wähler erklärt, das NSA-Spähprogramm von George W. Bush sei nicht akzeptabel. Jetzt sagten 64 Prozent, Obamas Programm sei in Ordnung.

Der Gedanke, man müsse bei der Terrorbekämpfung manche Freiheiten und Persönlichkeitsrechte aufgeben und der Regierung vertrauen, hat sich in vielen Köpfen festgesetzt. Er wird verstärkt von der allgegenwärtigen Sicherheitsindustrie. Was das Sammeln der Metadaten wirklich bedeutet – dass die Informationssammler Macht über die Beobachteten gewinnen –, kommt kaum zur Sprache. Ein Mitarbeiter des Bürgerrechtsverbands ACLU zog kürzlich den Vergleich: Die Amerikaner würden sich empören, müssten sie täglich der Regierung melden, mit wem sie wie lange telefoniert hätten. Doch genau diese Information speichere die NSA.

Siehe Bradley Manning

Viele Medien besinnen sich auf das Staatstragende. US-Publizisten werfen Snowden gern vor, er sei mit Hongkong und Russland an zwei Orte geflohen, an denen die Pressefreiheit nicht geschätzt werde. Das sei doch ein Widerspruch. Die Washington Post präsentierte zu Wochenbeginn ein bemerkenswertes Editorial mit der Überschrift „Plug these Leaks“ (Stopft diese Lecks). Es sei wichtig, Snowden vor Gericht zu stellen, aber die höchste Priorität der USA sollte es jetzt sein, Snowden daran zu hindern, „Informationen aufzudecken, die den Kampf gegen den Terrorismus und legitime Gemeindienstoperationen behindern“. Der „naive Hacker“ müsse sich stellen, das sei doch besser, als „in einem unfreien Land im permanenten Exil zu leben“.

Beim Verfahren gegen den in Fort Meade (Maryland) vor einem Militärgericht stehenden Soldaten Bradley Manning hat die Staatsanwaltschaft diese Woche ihre Zeugenvernehmungen beendet. Osama bin Laden habe Mannings Dokumente über den Krieg in Afghanistan, Wikileaks‘ War Logs, erhalten, war man überzeugt. Manning habe also den Feind begünstigt. Dieser teils hinter verschlossenen Türen geführte Prozess und Mannings schlimme Behandlung in Untersuchungshaft könnten Snowdens Kritikern eigentlich erklären, warum der geflohen ist, auch in Länder, die selbst keinen großen Wert auf eine freie Presse legen. Vermutlich wäre er lieber nach Deutschland gegangen.

Konrad Ege ist USA-Korrespondent des Freitag

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