Wladimir Putins Angriffskrieg und der ukrainische Widerstand haben dem politischen Washington neuen Sinn und Zweck gegeben: weg von Vorwürfen, Amerika verliere Relevanz auf der multipolaren Weltbühne. Es fühle sich an, „als ob wir definitiv in einer neuen Ära sind“, zitiert die New York Times Barack Obamas stellvertretenden Sicherheitsberater Ben Rhodes. „Die Periode der amerikanischen Hybris, des Terrorkrieges nach 9/11 und des Niedergangs liegen hinter uns.“ Präsident Joe Biden – häufig angezweifelt wegen fehlender Dynamik und weil er den Ausstieg aus Afghanistan vermasselt habe – setzt auf starke staatenlenkerische Kompetenz. Auch wenn sein Außenminister die Aussage der Warschau-Rede Bidens – „Dieser Mann darf nicht bleiben“, was sich auf Präsident Wladimir Putin bezog – „erläutern“ musste. Die USA verfolgten keine Regime-Change-Strategie, so Antony Blinken.
Goldgrube für US-Dienste
In der Washington Post meldeten sich Vertreter des Verteidigungsministeriums zu Wort mit neuem Selbstvertrauen, das im Kontrast steht zu Befürchtungen wegen des Niedergangs amerikanischer Macht. Die Ukraine habe russische Streitkräfte „verknotet, zum Großteil wegen des US-Beistands seit 2014“. Zudem habe man mit Blick auf das Versagen des afghanischen Militärs womöglich die ukrainischen Truppen unterschätzt. Russlands Verluste auf dem Schlachtfeld seien auch eine Botschaft an China, das sich entscheiden müsse, auf welcher Seite es stehe. Der Krieg ist eine Goldgrube für US-Geheimdienste, die nun jeden Tag sehen, wie stark oder schwach die russischen Streitkräfte wirklich sind.
Afghanistan kommt zusehends zur Sprache nach einem Monat Angriff und Verteidigung in der Ukraine. Gemeint ist der russische Abzug Anfang 1989, erzwungen von „Freiheitskämpfern“, wie die Taliban damals in den USA noch hießen, und durch die Hilfe des Geheimdienstes CIA, durch den Nachbarn Pakistan und saudisches Geld. Ex-Außenministerin Hillary Clinton (2009 – 2013) äußerte sich im Sender MSNBC: Die sowjetische Invasion in Afghanistan 1979 sei „nicht gut ausgegangen für die Russen“. Dies sei das „Modell, auf das die Leute jetzt blicken“. Es gäbe genug Rüstungsgüter, die in die Ukraine gelangen könnten, um Russland aufzuhalten. Milton Bearden, heute pensioniert und Berater, war von 1986 bis 1989 als Chef der CIA-Station in Pakistan „verantwortlich für das geheime CIA-Hilfsprogramm zur Unterstützung des afghanischen Widerstands“, wie es in der Autorennotiz zu einem Bearden-Text im März bei Foreign Affairs heißt, dem Magazin des prestigeträchtigen Council on Foreign Relations. Das Russland von 2022 sei nicht die Sowjetunion von 1979, schrieb Bearden, doch die Ähnlichkeiten von Afghanistan und Ukraine seien bemerkenswert. Angesichts der Finanzierung und Bewaffnung des „aufstrebenden Widerstands“ in der Ukraine gegen Russland werde es nicht lange dauern, bis Putin dort mit einem Gegner konfrontiert sei, der eine Besatzung zu kostspielig werden lasse.
In Washington gilt Putins Angriff längst als historischer Fehler, der viel Leid verursacht habe und letztendlich Russland selbst schade. Fotos zeigten Biden beim Pizzaessen mit einer Einheit der US-Luftlandetruppen in einer Kantine in Polen, etwa 80 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Er wolle sich persönlich für deren Dienst bedanken in der „besten Kampfkraft der Weltgeschichte“. Der Besuch fand nach dem transatlantischen Gipfeltreffen in Brüssel zum Beschwören der Einheit statt. Die Verbündeten müssten sich auf einen langen Kampf einstellen, sagte Biden bei einer Ansprache in Polen. Präsident Wolodymyr Selenskyjs Stabschef Andriy Yermak klagte in einer Videoansprache im US-Thinktank Atlantic Council: „Wir sind sehr enttäuscht von diesem NATO-Gipfel.“ Yermak sprach von Patriot-Abwehrraketen, Kampfflugzeugen und einer Flugverbotszone, die man brauche. Er sei „den amerikanischen Freunden dankbar für humanitären und militärischen Beistand“, hätte aber auf „mutigere Entscheidungen“ gehofft. Selenskyj versucht nach wie vor, die US-Regierung mit dem Fordern der Verbotszone unter Druck zu setzen, die Präsident Biden mehrmals zurückgewiesen hat. Doch dieses Verlangen belebt in den USA Kritik von republikanischer Seite, Biden tue nicht genug.
Backchannel nach Russland
Die Ukraine-Debatte ist in den USA eine Art Abrechnung mit Friedensbewegten, die im Kalten Krieg und danach nicht auf militärische Stärke setzen wollten. Dies spiegelt sich auch in den Nachrufen auf die am 23. März verstorbene ehemalige Außenministerin Madeleine Albright (1997 – 2001). Diese habe schon immer die russische Gefahr erkannt und mit ihrem Chef Bill Clinton in kluger Voraussicht 1999 Polen, Ungarn und Tschechien den NATO-Beitritt ermöglicht. Wie wichtig die NATO sei für die osteuropäischen Nationen, zeige sich jetzt: Die Ukraine sei als Nicht-Mitgliedsland verwundbar. Albrights Kritiker erinnern sich an eine Machtpolitikerin, die 1996 in einem Fernsehinterview meinte, der Tod von einer halben Million irakischer Kinder sei es als Preis „wert“, Sanktionen zu verhängen. Im New York Times Magazine bedauerte Albright 2020 ihre Aussage, diese sei „total dumm“ gewesen.
In der Ukraine sterben die Menschen. Die große Frage ist nun, ob und wie Russland dazu gebracht werden kann, den Krieg zu beenden. Unklar bleiben die Ziele, die Biden und die europäischen Verbündeten anstreben, besonders nach der Äußerung „Dieser Mann darf nicht bleiben“, als ob vorhersehbar sei, dass ein Nachfolger „besser“ wäre. Biden hat derzeit beträchtlichen Rückhalt in den USA. Er bewaffnet und sanktioniert und bezieht klar Position gegen Putin, hat aber betont, man wolle keinen dritten Weltkrieg riskieren.
Vereinzelt finden sich in US-Kommentaren Überlegungen, ob und wie man von einer dringenden Waffenruhe zu einem Kriegsende durch Konzessionen kommen könne, die weder die Ukraine noch Russland ganz zufriedenstellen würden. Klare Siege sind kaum vorstellbar. Die Regierung Obama hat Medienberichten zufolge über „backchannel“ mit Russland kommuniziert, um Konflikte in Syrien zu vermeiden. Vielleicht hat Biden etwas geerbt. Die Ukraine ist jedoch eine andere Größenordnung.
Kommentare 11
The dirty Hunter Biden Story- Söhnevon Senatoren (Achtung Plural) und Profitmaking im Politdreck, https://nypost.com/2022/03/18/how-big-tech-media-and-dems-killed-the-hunter-biden-story/Biden selber ein echter Rüstungsfalkehttps://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/joe-biden-112.htmlextra mit links für meine rechten Freunde....
Skandal.
So etwas darf überhaupt noch nach der großen Sedierung im ÖR gezeigt werden. Und das von meinen Gebühren?
Joe Biden hat mit Genuss etwa so viel gemein wie die USA mit Kultiviertheit, Toleranz und Weltoffenheit.
"In Washington gilt Putins Angriff längst als historischer Fehler, der viel Leid verursacht habe und letztendlich Russland selbst schade."
Das was zur Zeit stattfindet, ist ein Wirtschaftskrieg gegen die Russen und alle, die sich nicht dem Diktat der Amerikaner beugen. Das Leid werden wir alle zu spüren bekommen, vor allem die Ärmsten der Gesellschaft, wie gehabt. Den Selbstgerechten ist das aber vermutlich egal, solange sie die Vorstellung ihrer eigenen moralischen Überlegenheit aufrechterhalten können.
Über welche historischen Fehler wurde nicht schon im Zusammenhang mit der Osterweiterung und Ukraine geschrieben? Vielleicht profitiert Joe Biden jetzt – einen besseren "PR Coup" hätten sich weder er noch seine Geheimdienste auch schwerlich ausdenken können. Putin hat den amerikanischen und europäischen Falken sozusagen all ihre feuchten Träume auf einem Silbertablett präsentiert. Der Einmarsch der Russen hat dafür gesorgt, dass auf einmal niemand mehr über die von den USA und der NATO begangenen Kriegsverbrechen spricht und auch Jugoslawien, als Sündenfall der NATO niemanden mehr interessiert. Allerdings kann ich mir auf der anderen Seite auch kaum vorstellen, dass den Russen, das nicht im Vorfeld bewusst war. Vielleicht hat Putin damit gerechnet, dass er ein leichteres Spiel haben würde, aber dafür, dass er davon nicht ausgegangen ist, spricht meines Erachtens die massive Truppenkonzentration in den Wochen vor dem Einmarsch. Ich denke, die Russen wussten, worauf sie sie eingelassen haben, in jeder Hinsicht, aber sie haben aus ihrer Sicht keine Alternative gesehen. Das ist bedenklich, weil der Ton, den sie jahrelang angeschlagen haben kompromissbereit und eher versöhnlich war. Das ist jetzt auf absehbare Zeit vorbei. Ich glaube, es geht um wesentlich mehr als um die Ukraine, auch wenn die natürlich als Zankapfel zentral bleibt. Das, worum es dort aber viel mehr geht, ist nicht weniger, als ein Bruch mit der Politik die die Russen seit Gorbatschow verfolgt haben. Putin und mit ihm die politische Elite das Landes bricht mit "dem Westen" als Option für konstruktive Politik und was das bedeutet, das kann man jetzt noch gar nicht absehen. Tatsache scheint aber zu sein, dass sich große Teile der Welt der einseitigen Sicht auf diesen Krieg, so wie sie in Europa und den USA verbreitet wird nicht anzuschließen scheint. Und das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass vielen Menschen außerhalb der EU/USA bewusst ist, wer die Urheber der Kriege waren, die die vergangenen Jahrzehnte so vielen Menschen das Leben und ihr Zuhause gekostet haben. Die Basis, auf der das geschehen konnte ist immer noch die gleiche: Die Machtstellung des Petrodollar aus der sich ein unipolares System ableitet, das auch für Wirtschaftskriege aller Art gut war und ist. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man sich ernsthaft wünschen kann, dieses System der globalen Ungerechtigkeit möge sich global ein weiteres Mal durchsetzen. Darum geht es in Wahrheit in diesem Krieg, der wie jeder Krieg ein Verbrechen ist, keine Frage.
FC, bitte sofort zum Löschen dieser brandgefährlichen KRIEGSHETZE antreten!:))
Mir sind die USA eigentlich egal – aber Deutschland holt mit dieser Regierung wiedermal das Stöckchen für die USA! Wenn in Deutschland, das heizen nicht mehr bezahlbar wird, die Chemische Industrie den Bach herunter geht, Arbeitslosigkeit steigt, Mieten nicht mehr zu bezahlen sind, dann werden wir uns nach Politiker sehnen wie Bahr, Brandt und selbst Strauß. ( Die Baerbocks, Gaucks, U.v.d.L.usw. sind gut versorgt ) !!! Das hat nichts mehr mit Politik zu tut, dass ist “ Kamikaze“ ! Denkt an meine Worte!
rechtfertigen bidens umfragewerte die überschrift?
der artikel berichtet dankenswerter weise, dass in den usa der gedanke konjunktur hat, aus der ukraine ein neues afghanistan zu machen. denn das ist es, wenn man ideologisch aufgestachelte (da islamisten, hier neonazis) kampfeinheiten bis an die zähne bewaffnet und ausbildet, das zu tun, was moderate rebellen tun. rebellen, die sich nach getaner arbeit nicht in luft auflösen und vorher entwaffnen werden. die eventuell, man weiß das nie, auch hier eines tages umgelabelt werden müssen in terroristen.
der chef der ukrainischen neonazigruppe c14 prahlte neulich, dass seine leute inzwischen mehr javelins im depot hätten, als jedes land in europa. der war nur 1.500 km unkomplizierte landkilometer entfernt, als er das sagte.*
was der artikel leider nicht tut ist, nach dem europäischen interesse an eben diesem lieblingsszenario von hillary & co zu fragen, das sich da jetzt entfaltet. einem einzigen.
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* yevhen karas, c14 führer. interessanter monolog, auch darüber hinaus:
https://www.youtube.com/watch?v=DOBntnuYCMA
Wenn Biden hohe Umfragewerte haben sollte, dann wohl aus Mitleid.
„Biden ... Rückhalt“
Ja, das Kriegstreiberpack, das die Ukraine schon seit Jahren und seit Biden verstärkt mit milliardenschwerer Militärhilfe aufrüstet, hält dick zusammen.
Anders als bei „Rückhalt“ sieht es aus, wenn man in Google Biden+Zustimmung eingibt. Da findet man derzeit einen Text zu einer aktuellen Umfrage:
https://www.derstandard.de/story/2000134333635/us-praesident-biden-laut-umfrage-nun-so-wenig-beliebt-wie
„US-Präsident Biden laut Umfrage nun so wenig beliebt wie Trump“
Die Meldung stammt von Reuters wurde aber typischerweise von einer Zeitung veröffentlicht, die in einem Nicht-Nato-Land wurzelt.
Bidens Umfragewerte sind schlecht und werden bisher trotz der Ukraine-Katastrophe nicht merkbar besser. Quelle: realclearpolitics.com. Diese Website präsentiert durchgängig Umfrageergebnisse zu den politischen Verhältnissen in den USA, auch schon mit Blick auf die midterms im November 2022. Da sieht es für die Demokratische Partei schlecht aus. Biden droht zur lame duck zu werden.
Joe Biden genießt Rückhalt? Die letzten Umfragen prognostizieren seine Abwahl (41% für Biden, 47% für Trump), da sich fast alle seiner Wahlversprechen als heiße Luft entpuppt haben. Z.B. warten die US-Bürger immer noch auf die versprochene Mindestlohnerhöhung, die schon lange überfällig ist. Der Mindestlohn in seinem jetzigen Elends-Niveau ist lächerlich und bizarr gering. Auch andere Entlastungen der Bürger angesichts der Corona-Krise oder Energiepreiskrise scheitern daran, dass immer einige demokratische Abgeordnete ausscheren, um die Interessen der Superreichen zu schützen.
All die, die sich von Biden in den Vorwahlen ködern lassen haben, dass er einige Dinge umsetzen wird, die Bernie Sanders vorgeschlagen hatte, sind bitter enttäuscht. Auch mit Obamacare sind immer noch in 3 von 4 Fällen der Überschuldung medizinische Gründe ausschlaggebend durch die kaum leistbaren Zuzahlungen. Krankheit bedeutet oft Ruin – im reichsten Land der Welt.
Es war und wird diese Enttäuschung über die Demokraten sein, die Leute wie Trump wieder an die Macht bringen werden. Und die Demokraten werden dann wieder überall woanders die Schuld suchen (die Wähler sind zu dumm, jemand hat die Wahl gehackt u.s.w.), nur nicht bei ihrem eigenen Totalversagen. Sie haben gute Ideen, aber wenn die nie umgesetzt werden mangels friendly fire, dann strafen die Wähler das ab und wandern nach rechts. Und dieses Phänomen (Mitte-Links wird knallhart neoliberal, was enttäuschte Wähler nach rechts treibt) haben wir in vielen Ländern.