Kalte Füße

USA Im TV-Duell gegen Hillary Clinton ist Donald Trump untergegangen. Aber reicht das, um die Wähler umzustimmen?
Ausgabe 39/2016
Wer darf es sein: Hillary oder Donald?
Wer darf es sein: Hillary oder Donald?

Bild: Eduardo Munoz Alvarez/AFP/Getty Images

Der Vorhang ist gefallen nach Akt Eins des Trump-Clinton-Fernsehtheaters. Zwei TV-Debatten kommen noch, doch Hillary Clintons Leute sind erleichtert. Sehr erleichtert. Hatten viele doch insgeheim befürchtet, Donald Trump werde seine Rivalin so vorführen, wie er es mit seinen Kontrahenten bei den republikanischen Vorwahlen getan hat. Das Gegenteil war der Fall, Trump ging nach kurzer Zeit die Luft aus.

Große Ideen gab es kaum beim Duell unter dem Bild eines etwas ramponiert wirkenden amerikanischen Adlers. Es hat sich freilich bestätigt: Bei der Wahl von 2016 geht es nicht nur um Personen, sondern um Grundsätzliches. Die Wähler sind selbst bei der Frage, in was für einem Land sie leben, total uneins. Und daraus folgend bei der Frage, in was für einem Amerika sie künftig leben wollen. Die Unsicherheit ist verständlich: Die USA stecken im Umbruch.

Da sind die wirtschaftlichen Erdbeben. Die digitale und globalisierte Revolution hinterlässt ihre Opfer. Vermeintliche Mobilität und Informationsvielfalt haben nicht zu mehr Demokratie und Teilhabe geführt. Immer mehr Bürger, auch viele junge, haben das berechtigte Gefühl, vom amerikanischen Traum ausgeschlossen zu sein. Das fahrerlose Auto bedroht selbst den prekär beschäftigten Uber-Chauffeur.

Und da ist der rapide gesellschaftliche Umbruch. Die Mehrheit der Weißen schmilzt, viele von ihnen empfinden das als Bedrohung. Die männlichen weißen Protestanten, die jahrzehntelang den Ton angaben, sind nur noch eine Gesellschaftsgruppe unter vielen. In den 70er Jahren haben sie sich über die Frauenbewegung und neue Gender-Rollen aufgeregt, heute über die LGBT-Normalität. Und nun auch noch das: Eine Frau will Präsidentin werden.

Leute, die Donald Trump mögen, leben in diesem angeblich bedrohten Amerika. In dieser Welt ist es sinnvoll, eine große Mauer zu bauen und Law and Order zu verlangen, wie Trump das im TV-Duell ausgerechnet in dem Teil tat, als es um Rassenunruhen und Diskriminierung ging. Wer im bedrohten Amerika lebt, kann für einen Kandidaten stimmen, der Chaos anrichtet im abgekarteten „System“. Denn das hat ja nicht gut funktioniert. Trump applaudieren selbst viele, die eigentlich nichts gemein haben mit dem narzisstischen Immobilien-Mogul, der auf Clintons Attacke, dass er womöglich überhaupt keine Steuern zahle, antwortete: „That makes me smart.“

In Clintons Welt dagegen werden viele gesellschaftliche Veränderungen begrüßt. In dieser Welt will man nicht so recht verstehen, warum Wählerinnen und Wähler einem Populisten ihre Stimme geben wollen, der den Wortschatz eines Zwölfjährigen hat, der vor ständigen Lügen nicht zurückschreckt und dessen Wirtschaftskonzept die gesellschaftlichen Gräben nur vertiefen würde.

Trump hat seinen Getreuen bei der Debatte gelegentlich rohes Fleisch vorgeworfen. Ob er neue Wähler dazugewonnen hat, ist fraglich. Und Clinton? Sie hat nun erst mal so manche Anhänger beruhigt, die kalte Füße hatten angesichts jüngster Umfragen. Begeisterung ist allerdings etwas anderes. Es erschien die Hillary Clinton, die man kennt: Mit Reformkonzepten, die erhalten und verbessern sollen, doch grundlegenden Fragen nach der Machtverteilung aus dem Weg gehen – ganz anders als Bernie Sanders. Auf dessen Anhänger kommt es letztlich an: Sie müssen Ja sagen zu Clintons kühlem Pragmatismus, müssen sich durchringen zum Votum für das kleinere Übel – und das schlicht, um noch Schlimmeres zu verhindern.

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