Kommandostand Erdloch

USA/Irak Saddam eingebunkert - Erfolg mit Nebenkosten

Die häufigen Pressekommentare, George W. Bush habe durch Saddam Husseins Festnahme die auf November 2004 angesetzte Präsidentschaftswahl "gewonnen", klangen lieblich in republikanischen Ohren. Aber allmählich, nach der Euphorie, dem Triumph, kehrt die Realität zurück. Was tun mit dem abgehalfterten Tyrannen? Wie geht´s weiter? Die Festnahme könnte demoralisierend wirken auf die irakischen Widerständler, desorganisierend kaum. Saddams Erdloch war wohl keine Kommandozentrale. Ob die Sicherheitslage im Irak nun wirklich besser wird, weiß keiner. Präsident Bush gab sich vorsichtig optimistisch: Iraker würden jetzt keine Angst mehr haben müssen vor Saddams Rückkehr, könnten sich also dem freien Irak anschließen.

Der symbolische Wert der Festnahme des starken Mannes wiegt freilich schwer. Im Irak und im Ausland. Endlich einmal gute Nachrichten aus Bagdad. Kritiker behaupteten früher gern, die vielen fehlgeschlagenen Versuche, Saddam zu töten oder festzunehmen, demonstrierten die Unfähigkeit der Besatzungsmächte. Dass Saddam nun "sitzt", müsste dann etwas Anderes demonstrieren. Aus Sicht von Menschenrechtlern bietet sich die Gelegenheit, 23 Jahre der Diktatur aufzuarbeiten. Für die Iraker zweifellos ein schmerzhafter Prozess: Denn außer Saddams Opfern gibt es auch viele Täter, die mitgewirkt haben im Überwachungssystem, in der Armee und in den Folterkammern.

Ein glaubwürdiges Verfahren gegen Saddam lässt sich nicht so leicht bewerkstelligen. Amtierende irakische Richter und Staatanwälte sind wegen ihrer Teilnahme an Saddams Justizapparat kaum geeignet. Das gilt auch für den Gerichtshof, den der Provisorische Regierungsrates zur Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen aus der Saddam-Ära bilden will. Denn der Rat bezieht seine Autorität nur von den Besatzern. Präsident Bush, der Chef von Guantanamo, der sich vor ein paar Tagen noch lustig machte über Kanzler Schröders legitime Bedenken beim Konflikt über Wiederaufbauaufträge, ist auch kein passender Garant eines fairen Verfahrens. Doch der Umgang mit jüngster Geschichte ist von großer Bedeutung für Iraks Zukunft. Die vielzitierte internationale Gemeinschaft muss sich um die Schaffung eines unabhängigen Gerichtshofes bemühen, der unter Obhut der UNO glaubwürdig Saddams Verbrechen untersucht. Auch wenn es ein paar Jahre dauert. Hier hätte George Bush Gelegenheit, ein Bekenntnis zum internationalem Recht abzulegen und einem "fairen Verfahren" Taten folgen zu lassen. Es ist aber zu befürchten, dass es kaum einflussreiche Anhänger eines "fairen" und umfassenden Prozesses geben wird, denn der könnte auch unangenehme Fakten zu Tage bringen.

Etwa über die französische, russische, britische, deutsche und nicht zuletzt US-amerikanische Kooperation mit Saddam, dem einstweiligen ölreichen Bündnispartner gegen bestimmte islamische Trends vor allem im Nachbarland Iran. Der frühere US-Sonderbotschafter und gegenwärtige Verteidigungsminister Rumsfeld war noch im Dezember 1983 bei Saddam zu Gast. Monate zuvor hatte der chemische Waffen gegen iranische Streitkräfte und Kurden eingesetzt. Das US-Außenministerium wusste davon, doch Rumsfeld brachte das nicht zur Sprache. Die Beziehungen sollten verbessert werden. Saddam Husseins Festnahme - ein Ereignis von politischem Rang - hat möglicherweise gar nicht so viel verändert. Abgesetzt war Saddam ja schon vor Monaten, zerschlagen sein Machtapparat. Und nach Bushs Pressekonferenz im Weißen Haus, sieht die US-Regierung die Festnahme auch nicht als Grund, an einen zügigeren Truppenabzug zu denken. Das Verfahren und die "Ermittlungen" gegen Saddam sollen offenbar dazu benutzt werden, um mit neuen Enthüllungen über dessen Gräueltaten den Angriff auf den Irak nachträglich zu rechtfertigen. Bilder des festgenommenen Saddam machen sich gewiss einmal gut in Bushs Wahlwerbung. Aber der Präsident gleitet auf dünnem Eis. Vermeintlich "gute" Bilder von Bush auf dem Flugzeugträger, als er das Ende des Krieges bekannt gab, sind nicht mehr verwendbar.


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