Es wird gefeiert in Washington am 20. Januar, dem Tag der Amtseinführung des wiedergewählten George W. Bush. Kritiker mahnten, die größtenteils von Konzernen wie Boeing, Marriott und Microsoft sowie Energieunternehmen und Banken (selbst der Washington Post mit 100.000 Dollar) finanzierten Pompösitäten seien geschmacklos angesichts des Tsunami-Desasters und des Irak-Krieges. Aber der Protest hatte keine Wirkung. Spätestens in vier Jahren wird sich zeigen, ob der Party-Jubel über die "Legitimierung" des konservativen Kurses angebracht war oder ob die Veranstalter die Musik besonders laut aufdrehten, um das Krachen in den Balken nicht zu hören.
Der Präsident hat Grund zum Feiern. Seine politischen Gegner im Kongress sind verunsichert und orientierungslos. Und eine Umfrage von Associated Press (AP) in der Krönungswoche bestätigt, was jeder vorfindet, der ein paar der vielen Talk-Shows in den christlichen Fernsehsendern einschaltet oder mit ganz "alltäglichen" weißen Bürgern spricht, die nicht New York Times lesen, dafür jeden Sonntag in die Kirche gehen, trotz Warnungen vor der Klimaerwärmung einen Pick-Up fahren, vier Stunden täglich fernsehen und vor dem Haus eine Nationalfahne hissen. Es sind nicht nur Geschäftsleute, Unternehmer und die oberen Zehntausend: Ein beträchtlicher Teil der Amerikaner mag den Präsidenten. Laut AP stufen rund zwei Drittel Bush als "sympathisch, stark und intelligent ein". Eine Mehrheit gab an, der Präsident Bush sei "verlässlich und ehrlich". Auch wenn schon jetzt klar ist, dass Bush II zahlreiche Sozialprogramme kürzen wird.
Gegnern der Administration platzt bei diesen Umfragen schier der Kopf: Wisse man doch, dass Bush "gelogen" habe bei seiner Kriegsstimmungsmache wegen Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen. Gerade habe auch die US-Suchkommission ihre Arbeit im Irak eingestellt. Außerdem habe der Geheimdienst CIA Bushs These in Frage gestellt, der Krieg im Irak müsse als Teil des Krieges gegen den Terror durchgestanden werden. Der Irak - so die CIA - sei infolge des Krieges zu einem "Magneten für internationalen Terrorismus" geworden. Gelassen meinte dazu der Präsident in einem Washington Post-Interview: Das amerikanische Volk habe im Wahlkampf "verschiedene Einschätzungen" zum Irak gehört. "Und es hat ... mich gewählt."
Präsident George W. Bush und seine Crew regieren mit einer außerordentlichen Selbstsicherheit. Nach einem Bericht des Journalisten Seymour Hersh laufen im Verteidigungsministerium Vorbereitungen für Angriffe gegen nukleare und chemische Einrichtungen im Iran. Federführend seien die Architekten des Irak-Fiaskos. Der Stabsgefreite Charles Graner, der angebliche Anführer der US-Soldaten, die im Gefängnis von Abu-Ghraib Iraker misshandelten und demütigten, bekam zehn Jahre Gefängnis, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und Verschwörung. Bush Rechtsberater Alberto Gonzales, ein intellektueller Architekt der Folterpolitik, wird neuer Justizminister. Nur eine Minderheit der demokratischen Senatoren legt sich quer. Und in der Öffentlichkeit sind diejenigen in der absoluten Minderheit, die warnen: Mit der Praxis, bei Terrorismusverdacht unbegrenzte Haftzeiten einzuführen, begäben sich die USA auf einen Weg, der dem verkündeten Selbstverständnis vom Leuchtturm für den Rest der Welt zuwider laufe.
Der "Kriegspräsident" Bush will in seiner zweiten Amtperiode die "Eigentümergesellschaft" kreieren, sprich: Die staatliche Rentenversicherung soll teilprivatisiert werden. Arbeiter und Angestellte hätten die Wahl, einen Teil ihrer Abzüge nicht der staatlichen Social Security überweisen zu lassen, sondern auf von Maklern und Bankern gemanagte Konten. Diese Reform sei nötig, denn Social Security stecke in einer "tiefen Krise", sagt Bush - eine Behauptung, der unabhängige Wirtschaftsexperten widersprechen. 1933 hatten republikanische Politiker Präsident Franklin D. Roosevelts neues Social Security-Programm als geradezu kommunistisch abgelehnt. 2005 will Bush das Programm kippen, sei es doch nicht mehr zeitgemäß und widerspreche marktwirtschaftlichen Prinzipien.
Wie gesagt, stellt man die Partymusik etwas leiser, hört man das Krachen im Gebälk des Regierungsgebäudes. Bezüglich Irak mag Bush bei seinen Wählern mit der Rhetorik von "harter Arbeit, Geduld und Demokratie", und dass Amerika nicht den Schwanz einzieht und türmt, Erfolg haben. Vor Ort lassen sich die Realitäten nicht wegreden. Der Kommandeur der US-Bodentruppen räumte ein, dass in vier der 18 irakischen Provinzen, wo etwa ein Viertel der Iraker lebt, keine Wahlen stattfinden können. Das Pentagon hat nicht genug Personal. Hochrangige Generale beklagen sich. 40 Prozent der derzeit 150.000 US-Soldaten im Irak gehören zur Nationalgarde und zur Armee-Reserve. An eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wird nicht gedacht. Findet sich kein Weg, den Sieg zu erklären und die Zelte abzubrechen, könnte Bush in vier Jahren als der Präsident dastehen, der den Irak "verloren" hat. Und in dessen Amtszeit das Kartenhaus der amerikanischen Allmacht auseinander geflogen ist.
In den ersten vier Jahren konnte sich Präsident Bush darauf verlassen, die republikanische Mehrheit im Kongress würde seine Pläne schon abstempeln. In der zweiten Amtperiode muss er befürchten, dass die traditionellen Differenzen innerhalb der Partei zum Vorschein kommen. Bushs extremer Defizithaushalt und das - trotz des rapide an Wert verlierenden Dollars - galoppierende Handelsdefizit beunruhigen viele in der Partei, die früher die Demokraten gern als Verschwender attackiert haben. Auch die Social Security-Debatte beunruhigt Kongressabgeordnete, die 2006 zu Wiederwahl antreten müssen. Den Pensionären greift man nicht ungestraft in den Geldbeutel.
Mit manchen uramerikanischen Widersprüchen ist der Präsident noch nicht zu Rande gekommen. Es beunruhigt viele Republikaner, die stets gegen einen großen Regierungsapparat eintreten, dass unter Bush die krakenartige Riesenbehörde zum Heimatschutz ins Leben gerufen und das Persönlichkeitsrecht beschnitten wurde. Doch bestimmte rechtsstaatliche Prinzipien sind tief verwurzelt: So war es die Regierung Bush, die gemäß dem Freedom of Information Act interne Dokumente über Folter in Guantanamo freigab. Und es sind US-Militärgerichte, die mitten im Krieg Soldaten wegen Gefangenenmisshandlungen verurteilen.
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