Realpolitische Ratlosigkeit

US-Wahlkampf Donald Trump und Hillary Clinton streiten beim Thema Syrien vor allem über den Umgang mit Russland
Ausgabe 41/2016
Trump und Clinton bei ihrer umstrittenen TV-Debatte am 9. Oktober 2016
Trump und Clinton bei ihrer umstrittenen TV-Debatte am 9. Oktober 2016

Foto: Win McNamee/AFP/Getty Images

Bei der zweiten Clinton-Trump-TV-Debatte, nach der man sich erst einmal die Hände waschen oder gleich duschen wollte, sprachen die Kontrahenten zwischen den persönlichen Attacken überraschend viel über Syrien. Doch ist es schwierig, die Bedeutung der Kandidatenworte einzustufen. Clinton war auf Schuldzuweisung bedacht. Das „Leiden der Kinder in diesem katastrophalen Krieg“ sei größtenteils auf russische Aggression zurückzuführen. Man müsse Syriens Regierung und Russland „zur Verantwortung ziehen für ihre Kriegsverbrechen“. Als Außenministerin habe sie sich für Flugverbotszonen ausgesprochen. Diese Auffassung vertrete sie noch heute (im Gegensatz zu Präsident Obama). Sie befürworte zudem Special-Forces-Einheiten, die in Syrien im Einsatz seien. US-Bodentruppen nach Syrien zu entsenden, wäre jedoch ein schwerer Fehler.

Die Forderung nach einem Flugverbot gehört in den USA zum Standard-Repertoire vieler Kritiker, die Obama Untätigkeit vorwerfen. Selten wird indes detailliert beschrieben, wie es überwacht werden soll. Donald Trump hält nichts von Flugverbot. Er versicherte am Sonntag, er möge den syrischen Präsidenten „Assad überhaupt nicht, aber Assad tötet den IS. Russland tötet den IS. Und der Iran tötet den IS. Und diese drei sind wegen unserer schwachen Außenpolitik zusammengekommen“. Clinton wisse nicht einmal, wer die syrischen Rebellen seien. Der republikanische Kandidat distanzierte sich selbst von seinem Vize, Mike Pence. Er teile dessen Ansicht nicht, die USA müssten russischen Provokationen mit amerikanischer Stärke begegnen und sollten bereit sein, militärische Mittel gegen militärische Ziele des Assad-Regimes einzusetzen.

In den USA ist die Syrien-Debatte im Kern eine Russland-Debatte. Das passt zum Wahlkampf. Clinton sagte im Schlagabtausch mit Trump, noch nie habe „eine ausländische Macht“ – sprich Russland – „so angestrengt versucht, den Wahlausgang zu beeinflussen. Und glauben Sie mir, sie tut das nicht, um mir zu helfen“. Clinton stützte sich auf eine Erklärung des Heimatschutzministeriums und des Direktors der nationalen Nachrichtendienste zwei Tage vor der Debatte, Russland wolle die Wahlen durch Datenklau beeinflussen. Es geht um offenbar gehackte, stellenweise recht peinliche Interna der Demokratischen Partei, die von Wikileaks veröffentlicht worden sind. Ohne Zustimmung „höchstrangiger Beamter“ in Moskau seien solche Attacken nicht möglich gewesen, versicherte die gemeinsame Erklärung. Trump wiegelte ab. Vielleicht gebe es gar kein Hacking. Clinton und ihre Leute machten Russland verantwortlich, „weil sie meinen, sie könnten mich mit Russland anschwärzen“.

Obama will nichts riskieren

Außenpolitik ist bei US-Wahlen selten ein bestimmender Faktor. Im Wahlkampf 2016 verpuffen sachliche Debatten, wenn ein Kandidat seiner Kontrahentin mit Gefängnis droht. Und bei Trump bleibt häufig unklar, was er genau will. Bei der Fernsehdebatte schlug er für Syrien „Sicherheitszonen“ vor, die von den Golfstaaten finanziert werden sollten, die hätten Geld im Überfluss. Und er plädierte für mehr Atomaufrüstung. Die US-Nuklearstreitkräfte seien stark zurückgeblieben. „Russland ist nuklear modern. Wir sind alt. Wir sind müde. Wir sind nuklear erschöpft. Das ist sehr schlecht.“

Präsident Obama bleibt noch gut ein Vierteljahr im Weißen Haus und er will offenbar nicht viel riskieren beim Thema Syrien. In seiner Regierung überwiegt realpolitische Ratlosigkeit und die Einsicht, dass Amerika nicht bestimmen kann, was dort passiert. In einem Bilanz-Interview für das Magazin Vanity Fair meinte Obama jüngst, Syrien belaste ihn. Er frage sich, was er hätte anders machen können, schließe sich jedoch Vorhaltungen nicht an, mehr Waffen für die Rebellen oder ein gezielter Angriff wären entscheidend gewesen. Meist vertraue er seinen Entscheidungen, doch dann gebe es Probleme wie Syrien, bei denen er gern „Einsichten auf anderer Ebene“ gehabt hätte. Ein Winston Churchill oder ein General Dwight Eisenhower wären vielleicht auf andere Pläne gekommen.

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