An der Seton Hall University in New Jersey ist eine neue Studie über CIA-Folter an Terrorverdächtigen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erschienen. Darin erschrecken besonders acht Seiten mit Zeichnungen, angefertigt von einem, der Folter selbst ausgesetzt war. Derweil allerdings grassiert die Verharmlosung derartiger Verbrechen. Umso mehr ist die Grausamkeit auf diesen Bildern erschütternd und lässt sich nicht verbergen hinter einer bürokratischen Sprache über „Zwangsmethoden bei der Vernehmung“ und „erweiterte Verhörtechniken“. Der Zeichner heißt Zayn al-Abidin Muhammad Husayn, auch bekannt als Abu Zubaydah. Der noch immer im Hochsicherheitscamp auf dem US-Stützpunkt Guantánamo eingesperrte Palästinenser hat Selbstporträts angefertigt von sich als Folteropfer nach seiner Festnahme im März 2002 in Pakistan.
Publiziert wurden die Bilder Anfang Dezember im Bericht Wie Amerika foltert, geschrieben von Mark Denbeaux, dem Anwalt von Abu Zubaydah und weiteren Guantánamo-Häftlingen. Man sieht: Ein nackter Mann gezwängt in eine viel zu kleine Kiste, aufgehängt an Ketten, sodass nur die Zehenspitzen den Boden berühren, festgeschnallt auf einer Pritsche, während Wasser auf sein Gesicht geschüttet wird, angekettet mit einem Sack über dem Kopf auf einem Stuhl, der wohl auch als Toilette dient. So sah das CIA-Folterprogramm aus, mit dem der Geheimdienst nach 9/11 Verdachtspersonen in Geheimlagern und -gefängnissen in Osteuropa, Afghanistan und Thailand zum „Geständnis“ zwingen und Informationen sammeln wollte. 2005 gab es erste Medienberichte über die geheime CIA-Internierung. Präsident George W. Bush (im Amt 2001 – 2009) räumte deren Existenz im September 2006 ein. Die CIA habe „alternative Maßnahmen“ eingesetzt, doch: „Die USA foltern nicht.“
Ein Senatsausschuss hat 2014 Einzelheiten der von „ganz oben“ abgesegneten brutalen Verhörmethoden aufgedeckt. Vor den Folterungen wurden Memos geschrieben, Juristen eingeschaltet, Psychologen eingestellt, um das Programm zu legitimieren. Folter bedeutete neben Waterboarding Hungern, Frieren, Nacktheit, Demütigung, Schlafentzug, Schläge. Häufig setzten die Folterer mehrere Mittel gleichzeitig ein. Der Gefangene Gul Rahman fror im November 2002 zu Tode, angekettet halb nackt auf dem Zementfußboden.
In Wie Amerika foltert zitiert der Autor Mark Denbeaux Abu Zubaydah über seine Eingepferchtsein in einer Kiste. „Sobald sie mich so eingesperrt hatten, tat ich alles, um aufzusitzen, doch vergebens, die Kiste war zu kurz.“ Er sei stundenlang in fötaler Position angekettet gewesen. Seine Muskeln hätten sich verkrampft. Wegen der „sehr starken Schmerzen“ habe er „geschrien, ohne es zu wollen“ (made me scream unconsciously). Und zu Waterboarding: „Sie schütteten Wasser auf meine Nase und meinen Mund, bis ich wirklich das Gefühl hatte, dass ich ertrinke, und glaubte, mein Brustkorb würde explodieren ...“
Angeblich war man in der CIA anfangs überzeugt, Abu Zubaydah sei eine bedeutende Figur im Terrorverband Al Qaida. Die CIA habe ihn so entsetzlich misshandelt, „dass die Behörde offizielle Regierungsversicherungen bekam, ihr Gefangener werde den Rest seines Lebens in Isolation und Incommunicado verbringen“, schreibt Denbeaux. Die CIA habe für den Todesfall selbst eine Kremation vorbereitet, um ein „Schweigen über das Grab hinaus“ zu garantieren. Denbeaux hat das alles auch aus der Sicht eines Juraprofessors an der katholischen Seaton-Hall-Universität im Staat New Jersey resümiert.
Auf ewig unter Verschluss
Das CIA-Urteil über Abu Zubaydah war falsch. Dschihadist war er, doch eher als kleineres Rad im Getriebe. 2016 stand er vor dem Periodic Review Board in Guantánamo, der sich mit dem Status der dorthin Deportierten befasst. Bei Abu Zubaydah kam der Ausschuss zu einer wesentlichen Herabstufung seiner Bedeutung. Anfang der 1990er Jahre habe er ein „Fördernetzwerk für Mudschahedin“ betrieben, hieß es, und eine Schlüsselrolle gespielt „bei den Unterstützern und Kommunikationen von Al Qaida“. Nach 9/11 habe er dann Akteure zur Al-Qaida-Führung vermittelt. Laut US-Verteidigungsministerium kam Abu Zubaydah 2006 nach Guantánamo.
Präsident Obama (2009 – 2017) wollte das Lager auflösen, schaffte das aber nie. Er hat der CIA das Foltern verboten. Am „Aufarbeiten“ der Vergangenheit war er nur begrenzt interessiert. Der größte Teil des Senatsberichts blieb geheim. Obama hätte eine Freigabe autorisieren können. Man müsse vorwärts blicken, nicht zurück, ließ er wissen. Und John Brennan, damaliger CIA-Direktor (2013 – 2017), verteidigte seine Behörde. Ihre Verhörmaßnahmen hätten dazu beigetragen, „Terroristen zu fangen und Leben zu retten“. Derzeit ist Brennan ein Kritiker von Donald Trump, dem er hochverräterisches und korruptes Verhalten vorwirft. Manchen Impeachment-Befürwortern gilt er als Held.
Noch ist niemand aus der CIA zur Rechenschaft gezogen worden. Nur der Ex-CIA-Beamte John Kiriakou landete im Knast. Er hatte 2007 im US-Sender ABC bestätigt, dass die CIA zum Waterboarding gegriffen habe. Er selbst sei nicht beteiligt gewesen. Jahre später wurde Kiriakou beschuldigt, er habe einem Reporter den Namen eines CIA-Beamten verraten, was eine Strafe von 30 Monaten Haft nach sich zog.
Nun Donald Trump. Er betont, Guantánamo müsse offen bleiben für „üble Typen“ (bad dudes). Seine CIA-Direktorin heißt Gina Haspel (der Freitag 14/2018). Die Karriere-Geheimdienstlerin war laut Medien zuständig für das CIA-Geheimgefängnis in Thailand, wo Abu Zubaydah misshandelt worden ist. Sie soll dort jedoch erst nach den Folterungen an ihm eingetroffen sein. Später hat sie angeblich auf direkten Befehl ihres Vorgesetzten Order gegeben, CIA-Videos von Verhören zu vernichten.
Das Foltern ist ein Stück weit normalisiert worden in den USA. Das Internationale Spionagemuseum, ein Touristenmagnet in Washington, stellt Verhörtechniken vor. Ausgewogen freilich. Der frühere CIA-Mann Jose Rodriguez (Haspels Boss beim Löschen der Videos) sagt in einem dort laufenden Film, die CIA habe „das Heimatland verteidigt und amerikanische Leben gerettet“. Gekontert wird das von einem Ex-Nachrichtendienstoffizier der Marine: Das Foltern sei nicht richtig für Amerikaner. „So sind wir nicht.“
Das Verhörprogramm der CIA wurde von den Psychologen Bruce Jessen und James Mitchell entworfen. Jessen hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Mitchell verteidigt seine Tätigkeit nach wie vor und fühlt sich missverstanden. Kürzlich war er Gast im Fox-News-Kabelsender und wurde als jemand vorgestellt, der „zahllose Terrorangriffe“ verhindert habe. Mitchell beschwerte sich, seine Kritiker entstellten seine Arbeit und deuteten Interpretierbares auf die für ihn ungünstigste Weise. Genauso würden nun auch Trumps Gegner gegenüber dem Präsidenten verfahren, befand Mitchell. Was wiederum den Fox-Moderator sagen ließ: Mitchell sei unter den Beschuldigungen stärker geworden. Möglicherweise könne der Präsident davon lernen.
Trump hat im Mai einen US-Offizier begnadigt, der 2009 von einem Militärgericht zu 25 Jahren Haft verurteilt worden war. Leutnant Michael Behenna habe einen irakischen Kriegsgefangenen beim Verhör erschossen, so die Begründung. Das Weiße Haus rechtfertigte die Gnade, Behenna habe großen Beistand gefunden in der Army und in der Öffentlichkeit. Vor Wochen begnadigte Trump auch Leutnant Clint Lorance, schuldig gesprochen 2013. Er hatte befohlen, in Afghanistan auf unbewaffnete Zivilisten zu schießen. Neun von Lorance’ einstigen Untergebenen hatten gegen ihn ausgesagt.
Abu Zubaydah ist heute 48 Jahre alt. Seine Chancen, Guantánamo irgendwann zu verlassen, sind nicht gut. Zum Prozess wird es schwerlich kommen. Unter Folter Erpresstes darf nicht verwendet werden. Auch würde es dem Angeklagten Raum geben, über die CIA-Gräuel zu sprechen.
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