Sogar Noam Chomsky wirbt für Biden

USA Die Demokraten treten stärker und geschlossener auf als 2016. Ihr Gegner hat keinen positiven Stoff mehr für seine Kampagne
Ausgabe 34/2020
Entscheidend wird nicht nur sein, wie sich die Demokraten aufstellen, sondern auch, wie die Amerikaner wählen dürfen
Entscheidend wird nicht nur sein, wie sich die Demokraten aufstellen, sondern auch, wie die Amerikaner wählen dürfen

Foto: Brian Snyder/Pool/AFP/Getty Images

Eines sind sie sicher nicht – siegesgewiss, und das ist klug. Doch stärker und vor allem geschlossener als vor vier Jahren stehen die US-Demokraten mit Blick auf die Wahl am 3. November allemal da. Joe Biden schleppt weniger Gepäck mit sich als Hillary Clinton. Kamala Harris weckt mehr Interesse als Clintons einstiger Vize Tim Kaine. Michelle Obama wie Bernie Sanders kämpfen entschlossen um Stimmen. Und Donald Trump kann bei all seinem Talent zu Lüge und Entstellung nicht glaubhaft versichern, es gehe den USA heute besser.

So weh es den Hotels und Bars am Ort des demokratischen Nominierungsparteitags in Milwaukee tut, dass dieser nur online über die Bühne geht – auf die Kür Bidens mit sehr deutlicher Mehrheit hatte der Modus keinen Einfluss. Trump leidet da mehr – denn seine Hetzveranstaltungen leben von der Nähe zum Jubelpublikum.

Die meisten US-Amerikaner wissen, wen sie bevorzugen. Entscheidend wird sein, ob es Team Biden gelingt, seine Leute zu überzeugen, am Tag der Wahl oder per Brief tatsächlich für Biden zu stimmen. Wählen gehen! Das war Leitmotiv dieser Konvention, denn im Jahr 2020 droht mehr Wahlbehinderung. 2016 waren zu viele potenzielle Demokraten-Wähler zu Hause geblieben. In entscheidenden Bundesstaaten fehlten Hillary Clinton nur wenige Stimmen.

Jetzt, in einer Nation mit mehr als 160.000 Covid-Toten und mehr als 30 Millionen Arbeitslosen, ist es schwer, Hoffnung zu wecken. Gerade hat die Gesundheitsbehörde CDC eine Studie zum psychischen Befinden der US-Amerikaner vorgelegt; der repräsentativen Befragung nach berichten 41 Prozent von psychischen Problemen, darunter Depressionen, traumatische Störungen sowie erhöhter Drogenkonsum, um mit Covid-19 fertig zu werden. Elf Prozent der Befragten und ein Viertel der Befragten im Alter von 18 bis 24 gaben an, sie hätten an Suizid gedacht.

2020 ist nicht 2016. Damals trat das Zerwürfnis zwischen dem sogenannten Establishment um Clinton und dem Bernie-Sanders-Flügel offen zutage. Differenzen bleiben, doch 2020 bringt Trump die Partei zusammen. Sanders, dem einst Halbherzigkeit bei der Unterstützung für Hillary Clinton vorgeworfen worden war, wurde in dieser Woche sehr, sehr deutlich: Es sei eine „absolute Notwendigkeit“, Trump zu besiegen. Es gehe um die Zukunft der Demokratie, der Wirtschaft und des Planeten. Und auch der Linguist und linke intellektuelle Influencer Noam Chomsky hört sich heute anders an als 2016: Es gehe um die Zukunft der menschlichen Gesellschaft, seine persönlichen Gefühle seien irrelevant – „Es ist egal, ob du Biden magst oder nicht“, sagte Chomsky in einem politischen Werbespot, „wir müssen Trump loswerden“.

Der amtierende Präsident hat keinen positiven Stoff für seine Kampagne. Er setzt auf Angstmache vor Immigranten und schwarzen Protestierenden, auf Verwirrung und Lügen zur Pandemie wie zur wirtschaftlichen Lage. Er verspricht Hilfen, die nie realisiert werden – etwa, dass er nach dem Auslaufen eines entsprechenden Moratoriums für Zwangsräumungen die Millionen schützen werde, die wegen der Coronakrise ihre Miete nicht zahlen können. Die ersten Räumungen laufen, Trumps Ankündigung schade wohl mehr als sie nutze, so eine Hilfsorganisation, weil er den „falschen Eindruck“ vermittle, etwas zu tun. Derweil setzt Trump weiter ganz offen darauf, die Briefwahlen zu behindern, schimpft vorab über Fälschung, um hinterher das Ergebnis in Frage stellen zu können.

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