Am 28. Februar absolvierte Donald Trump seinen ersten Großauftritt als Ex-Präsident. Beim Meeting der rechten Kaderschmiede Conservative Political Action Conference (CPAC) in Florida sagte er, was zu erwarten war: Wahl gestohlen, Joe Biden ein Desaster, Kommunismus droht. Inhalte waren nebensächlich. Trump hat Terrain markiert. Er sei und bleibe Chef der Republikanischen Partei. Deren Abgeordnete Elizabeth Lynne „Liz“ Cheney hat den Ring nicht geküsst, sondern verlangt, Trump sollte keine Rolle mehr spielen bei den Republikanern. Die Abweichlerin deswegen als „gemäßigt“ zu feiern, verfehlt das Wesentliche am Machtstreben der 54-jährigen Nummer 3 der Parteihierarchie im Repräsentantenhaus.
Cheney gehört einer Dynastie an, wozu man in den USA derzeit rechnet: die Kennedys, die Bushs, die Clintons und eben ein bisschen auch die Cheneys aus Wyoming im Westen der Nation. Der vulgär über Reichtum prahlende Trump passt nicht ins Bild. Liz Cheney hat bereits im Teenageralter Wahlkampfanstecker verteilt für ihren Vater Dick Cheney, Erdölunternehmer und Abgeordneter aus Wyoming von 1979 bis 1989, später Verteidigungsminister (1989 – 1993) und Vizepräsident (2001 – 2009) von George W. Bush. Als solcher rechtfertigte er das Foltern in Geheimgefängnissen und vertrat die These, der Irak Saddam Husseins verfüge über Massenvernichtungswaffen, was gelogen war. Mutter Lynne Cheney war von 1986 bis 1993 Vorsitzende der staatlichen Kulturförderung National Endowment for the Humanities. Sie beklagte politische Korrektheit und „liberalen McCarthyismus“.
Liz Cheney – verheiratet, fünf Kinder, Ehemann Philip Perry Rechtsanwalt mit Klienten aus oberen Etagen der Wirtschaft – ist seit 2017 Kongressabgeordnete und war bisher ebenfalls Befürworterin der Folter. Selten um scharfe Worte verlegen, hat sie hart interveniert beim Trump-Impeachment wegen des Ansturms auf das Kapitol: Der Präsident habe die Meute nach Washington gerufen „und die Flamme des Angriffs entzündet“. Es habe nie „größeren Verrat“ eines Präsidenten gegeben, erklärte sie. Ein solches Urteil ist schon bemerkenswert für eine Politikerin aus Wyoming, einem der rechtslastigsten Bundesstaaten überhaupt. Trump bekam hier am 3. November 70 Prozent. Ein übersichtliches Gelände, politisch und auch sonst. Mit knapp 600.000 Einwohnern (mehr als 90 Prozent weiß) ist Wyoming gemessen an der Bevölkerung der kleinste US-Staat. Trotz der Tourismuswerbefotos von springenden Antilopen in Graslandschaft (auf Cheneys Homepage grasen Büffel) ist Wyoming der größte Kohleproduzent der USA. Es wird gefrackt, nach Öl und Gas gebohrt. Cheney erhielt bei der letzten Wahl 69 Prozent gegen die Arapaho-Ureinwohnerin Lynette Grey Bull.
Zuletzt ließ sie nach dem Impeachment nicht locker, und das trotz einer Rüge der Partei in Wyoming wie der Entrüstung bei Kollegen in Washington. Bei einer Ansprache im Ronald Reagan Institute, einem dem einstigen Präsidenten gewidmeten Tempel, teilte Cheney aus: Trumps Idee von der gestohlenen Wahl sei gefährlich. Und falsch. Republikaner müssten klarstellen, „dass wir nicht die Partei des weißen Herrschaftsdenkens (supremacy) sind“. Präsidentensohn Donald Jr. flog umgehend nach Wyoming auf der Suche nach Gegenkandidaten bei den nächsten Vorwahlen. Lokale Medien berichteten von wachsender Kritik an Cheney, wenn auch die Verbände der Kohle- und Ölindustrie zu ihr hielten. Die Cheneys kommen, vereinfacht gesagt, aus einer politischen Welt, die freimarktwirtschaftlich denkt, Regierungsvorschriften im Namen der Freiheit kritisiert und die Erwartung hegt, man könne – mit Rückendeckung der Wirtschaft und einem militarisierten Patriotismus – rechtes, kulturkriegerisches Denken einer Mehrheit schmackhaft machen. Trumps Republikaner gehen anders vor: Sie wollen mit Extremismus, verbrämt durch Populismus, an die Macht. Trump als starker Mann vereint statusbedrohte Weiße. Damit gewinnt man republikanische Vorwahlen, auf nationaler Ebene hat es 2020 nicht funktioniert.
Wenn Trump und seine Leute demokratische Gepflogenheiten sabotieren, geht das Cheney zu weit, sofern daraus ein Angriff auf Wahlen und die Verfassung wird. Zudem hat sie offenbar Zweifel an den Erfolgsaussichten des Trumpismus. Die Trennlinien zwischen den beiden derzeitigen Inkarnationen des Republikanertums sind freilich durchlässig: Cheney hat bei den meisten Abstimmungen im Kongress aufseiten Trumps votiert. Der Sozialismus habe die Demokratische Partei im „Würgegriff“, sagte sie auch. Es zeichnen sich schon länger Unstimmigkeiten ab. „America First“, gut und schön, doch Trump war Cheney nicht interventionistisch genug beim Eintreten für US-Interessen. Sie sei „zutiefst beunruhigt über Trumps Verteidigung des russischen Präsidenten“, meinte Cheney einmal. Ein Truppenabzug aus Deutschland sei gefährlich. Nach Medienberichten über angebliches russisches Kopfgeld für Taliban, die US-Soldaten töten, forderte Cheney Auskunft vom Weißen Haus. Trump verurteilte Cheney bei CPAC als Kriegstreiberin.
Cheney hätte gern einen kompetenten Regierungsapparat. Sie warnte bereits im Frühjahr, man solle nicht vom Öffnen der Wirtschaft reden, solange ein Virus die Nation heimsuche. Im Juni tweetete sie ein Foto von Papa Dick Cheney (Herztransplantation 2012) mit weißem Cowboyhut sowie Mund- und Nasenschutz. Maske tragen sei nötig, so Cheney senior, eine im republikanischen Amerika durchaus kontroverse Aussage. Im Magazin Politico stand: Liz Cheney erinnere an die 2013 verstorbene britische Premierministerin Margaret Thatcher. Kein schlechter Vergleich. Cheney hat Ende Februar gegen Joe Bidens Corona-Hilfsprogramm gestimmt.
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