Verurteilen sie nur seinen Rassismus, kommen die Gegner des Präsidenten nicht voran. Man sollte nicht ruhig bleiben, doch was bringt das wirklich? Die Attacken auf Alexandria Ocasio-Cortez, Ayanna Pressley, Rashida Tlaib und Ilhan Omar – Abgeordnete, links, weiblich, jung, nicht weiß – zementieren Trumps Basis. Gleiches geschieht bei den Twitter-Tiraden gegen den schwarzen Parlamentarier Elijah Cummings, in dessen mehrheitlich afroamerikanischem Wahlkreis angeblich „kein Mensch“ mehr leben wolle. Das Viertel im Großraum Baltimore sei voller Ratten.
Trotz aller Empörung: Trump kann nicht mehr schockieren als bei seinem ersten Wahlkampf, den er mit Angriffen auf die „Vergewaltiger“ und „Drogendealer“ aus Mexiko einläutete. Man kennt das, er spricht den Teil des weißen Amerika an, der Angst hat, Vorteile zu verlieren. Das hat im Wesentlichen funktioniert. Seine Leute halten zu ihm. Inzwischen wird der hetzerische Ton verschärft. Auch das geht anscheinend.
Trumps Partei ist die der rechten Weißen. Dass sich der Bürgermeister von Baltimore aufregt, kann dem Präsidenten egal sei. Baltimore wählt ohnehin demokratisch. Dass seine Beleidigungen auf Abscheu stoßen, ist Trump offenbar auch recht; es sorgt dafür, dass ein von ihm angestoßenes Thema sich festsetzt im Fernsehen und in den Talkshows. So kann man übersehen, dass derzeit auch der Vorwahlkampf bei den Demokraten läuft.
Einwenden ließe sich: Zahlenmäßig reicht das nicht am Wahltag im November 2020. Die Trump-Getreuen sind eine Minderheit. Doch die hat ihm 2016 zum Sieg verholfen. Das könnte in 15 Monaten durchaus wieder so sein. Trump schafft es, der wirtschaftlichen Elite zu dienen und gleichzeitig aufzutreten wie ein Mann aus dem Volk. Ein weißer Mann aus dem weißen Volk. Rassismus und Feindseligkeit gegenüber Migranten wie Flüchtlingen sind Kern dieses Populismus.
Und Trumps Anhang ist hoch motiviert, was sich bei den Demokraten noch nicht mit Bestimmtheit sagen lässt. Deren TV-Debatten erinnern an Game-Shows. Bernie Sanders und seine Leute scheinen tatsächlich zu glauben, dass die Amerikaner eine politische Revolution wollen. Joe Biden träumt von guten alten Tagen. Und derweil drohen noch mal vier Jahre mit diesem Mann.
Kommentare 1
Das strukturelle Problem der spätkapitalistischen Gesellschaften ist die Unfähigkeit, die gesellschaftlichen Widersprüche zu integrieren. Diese Gesellschaften verlieren ihre Mitte, polarisieren sich. Solange die Politik der Stärke erfolgreich ist, solange gibt es eine rechte strukturelle Mehrheit. Da können Sanders, Warren und die junge Garde hauptsächlich weiblicher „linker“ Demokraten derzeit nichts ausrichten. Dennoch ist es nötig, daß diese Politiker ihren Kurs durchhalten, denn sie repräsentieren die einzige Richtung einer progressiven Erneuerung der amerikanischen Gesellschaft, wenn der Spuk des US-Imperialismus einmal vorbei ist.
Solange die Politik Scheinerfolge produziert, wird es keine Mehrheiten gegen das Prinzip der Machtpolitik geben. Allerdings ist der Erfolg der Machtpolitik der Mißerfolg der Gegner, und das läßt die Gegnerschaft anwachsen, bis sich das Imperium überdehnt hat. Bisher sind alle Imperien irgendwann untergegangen, es gibt mE kein Beispiel, daß ein Imperium freiwillig seine Dominanz auf der Basis von Macht abgebaut hat und sich als Imperium erhalten konnte. Der Glauben an Dystopien, in denen die Menschen dauerhaft manipuliert, überwacht, mit Macht beherrscht werden können (und der Zwang notwendigerweise immer weiter gesteigert werden muß), wird nicht von historischer Erfahrung gestützt.
Es wäre natürlich schön, wenn Europa auf Gegenkurs gegen imperiale Machtpolitik, also gegen die USA, gingen, wahrscheinlicher aber werden die Herrschenden unbeirrbar an der Komplizenschaft mit Amerika festhalten. So dauert es länger und wird für Amerikaner und Europäer schmerzlicher. Und für einige kleinere Widerstandsnester ruinös, aber, wie gesagt, wir werden den Preis bezahlen müssen. In der ökologischen Krise manifestiert sich das Desaster, jedoch die psychosozialen Verwüstungen dürften die schlimmeren Lasten sein, die auf zukünftige Generationen zukommen.