Am Sturz der Regierung von Venezuela hat der Präsident anscheinend ein bisschen das Interesse verloren. Mit Nordkorea ist fast alles in Butter. Erst hatte der dortige Machthaber Donald Trump angeblich zum Geburtstag gratuliert. Dann war es im Nu zur historischen Begegnung Trumps mit Kim Jong-un in Panmunjom, in der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea, gekommen – inklusive Bildern vom Spaziergang an der Demarkationslinie.
Zuletzt bestritt der frühere Immobilientycoon Trump die detaillierte Darstellung einer Journalistin, er habe sie Mitte der 1990er im Umkleideraum eines Luxusgeschäfts in Manhattan sexuell attackiert. Die Autorin E. Jean Carroll wolle nur ihr Buch verkaufen. Und sie sei nicht „sein Typ“, sagte Trump dem Informationsdienst thehill.com.
So sind die Zustände in den USA. Der Mann droht mit Krieg gegen den Iran und hält die Welt zum Narren mit Twitter-Botschaften. Er zündelt, um dann rettend den Feuerlöscher zu holen. Scheinbare Kursschwankungen dramatischer Art, Lügenfluten und angeblich rasch widerrufene Entschlüsse haben einen Schutzwall errichtet. Man weiß nicht mehr, was stimmt bei Trump, wann man sich wirklich aufregen soll. Es ist geradezu belanglos, wenn Faktenprüfer Lüge Nummer zehntausend und noch was aufspüren. Dass eine Frau den Präsidenten der USA der Vergewaltigung beschuldigt, schockiert nicht mehr. Insgesamt haben bereits mehr als 20 Frauen Trump Übergriffe vorgeworfen. Der bestreitet alles und will Carroll nie begegnet sein. Dass ein Foto von den beiden existiert, who cares?
Vielleicht hat der Mann gewonnen. Es fällt schwer, zwischen Realität und alternativer Realität zu unterscheiden, ein Symptom einer autoritätslastigen Regierung. Es geht ja nicht um eine große Strategie, die Trump mutmaßlich gegen den Iran durchsetzen will. Dies ließe sich politisch in Frage stellen – es geht Trump um Trump, ums Gewinnen oder um das, was er zum Sieg erklärt. Die Kritik, er handle „widersprüchlich“, zieht nicht, denn aus Trumps Sicht können die USA Strafmaßnahmen gegen den Iran erlassen, mit einer Vernichtung drohen, „wie man sie noch nie gesehen hat“, Cyberattacken anordnen und davon sprechen, man könne den Iran „wieder groß machen“.
Gesunder Menschenverstand
Trump hat im Vorjahr Nordkoreas Kim Jong-un ebenfalls über großartige Wirtschaftsaussichten in Kenntnis gesetzt. Dessen Land könne Weltklasse-Hotels an seinen großartigen Meeresstränden bauen. Im Juni teilte Trump mit, er habe einen Geburtstagsbrief (der Präsident wurde am 14. Juni 73 Jahre alt) von Kim erhalten, und meinte: „Ich denke, etwas wird passieren, das sehr positiv sein wird.“ Bei einem Interview mit dem Time Magazine zeigte er das mutmaßliche Schreiben von Kim und bedrohte einen Reporter, der knipste: Wenn ein Foto von diesem Papier erscheine, wandere er in Gefängnis. Kurz darauf wurde Trump dann zum ersten US-amerikanischen Präsidenten, der während seiner Amtszeit nordkoreanischen Boden betrat.
Der Untersuchungsbericht von UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard über den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi durch saudische Agenten lässt Trump augenscheinlich kalt, trotz der grausigen Details über die Verpackung der Körperteile in Plastikbeuteln. Saudi-Arabien „kauft Güter im Wert von 400 Milliarden Dollar von uns“, sagte Trump in der Sendung Meet The Press. Das bedeute ihm viel. Außenminister Mike Pompeo stattete dem saudischen König und Kronprinz Mohammed bin Salman in der letzten Juniwoche einen offiziellen Besuch ab. Er wolle eine „globale Koalition schaffen gegen den Iran“.
Die Opposition in den USA kommt nicht zurecht mit alldem. Reden der demokratischen Präsidentschaftskandidaten erwecken nicht unbedingt den Eindruck von Dringlichkeit angesichts einer im Iran drohenden Katastrophe. Friedensbewegung ist keine in Sicht. Die demokratische Führung im Kongress kam einen Tag vor dem befohlenen, dann angeblich zehn Minuten vor Ultimo zurückgezogenen US-Militärschlag ins Weiße Haus zum Iran-Briefing. Man habe ihnen nichts davon gesagt, berichteten im Sender ABC Chuck Schumer und Nancy Pelosi, Chef der Demokraten im Senat bzw. Sprecherin des Repräsentantenhauses.
„Ich bin ein Mann mit gesundem Menschenverstand“, sagt der Präsident. Außenpolitische Experten, Diplomaten in Wartestellung in den Think-Tanks, beklagen gern, Trump vergeude Glaubwürdigkeit und amerikanisches Prestige. Doch handelt es sich um ein Prestige, das der Präsident gern zerstört hat. Prestige will Trump allein für Trump. Wer weiß, warum er die Militäraktion gegen den Iran kurzfristig abgesagt haben soll? Vielleicht weil schneller Erfolg nicht garantiert war knapp anderthalb Jahre vor den Wahlen, der Stillstand in Venezuela ist ärgerlich genug. Trump soll Mitarbeiter gerüffelt haben, die vorgaben, die Sache mit dem Maduro-Sturz in Caracas könne zügig erledigt werden. Manche in der Demokratischen Partei verlangen ein Amtsenthebungsverfahren, nur gibt es keinerlei Anzeichen, Trumps Republikaner würden da irgendwie mitziehen. Trotz aller Verrücktheiten: Der Präsident bedient sein Klientel in Wirtschaft und Gesellschaft. Und dass er nun eine Notbremse gezogen haben soll beim Iran, bestärkt die Illusion seiner Parteigänger, er sei doch nicht ganz so gefährlich.
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