Typisch Joe Biden, könnte man sagen: Beim Konflikt um die Obergrenze für Staatsschulden hat er Konzessionen gemacht, um eine exemplarische Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Aus Sicht seiner Anhänger ist der Deal problematisch, doch bei Weitem nicht so schlecht wie befürchtet. Auf Konfrontation gehen mit den Republikanern, wäre etwas ganz anderes gewesen.
So gibt es zu Beginn der Woche eine vorläufige Einigung über die Schuldenobergrenze, sagen sowohl das Weiße Haus als auch die Führung der Republikaner. Demnach ließe sich der mit dem 5. Juni drohende Zahlungsausfall abwenden. Ob das tatsächlich so ist, zeigt sich erst, wenn der Senat mit seiner knappen demokratischen Mehrheit und das Repräsentantenhaus mit der knappen republikan
republikanischen Mehrheit darüber abstimmen. Die seit mehr als hundert Jahren existierende Schuldenobergrenze für Staatsausgaben (derzeit 31,4 Billionen Dollar) ist einzigartig. Der Kongress darf Auslagen und Steuergesetze beschließen ohne Rücksicht auf die Verschuldung, muss dann aber alle paar Jahre mit Extra-Gesetzen noch höhere Verbindlichkeiten als bis dato erlaubt genehmigen.Republikaner nehmen das gern zum Anlass, die Regierung zu attackieren und ungeliebte Programme infrage zu stellen. Zu Beginn der diesjährigen Verhandlungen forderten sie tiefgreifende Kürzungen beim Klimaprogramm und bei Sozialausgaben. Demokraten hatten Grund zur Sorge. Im Repräsentantenhaus sitzen rechtslastige Abgeordnete, deren Übervater Donald Trump gefordert hat, Republikaner sollten „bei der Schuldengrenze keinen Deal machen, wenn sie nicht alles bekommen, was sie wollen! Gebt nicht klein bei.“2024 ist Präsidentschafts-Wahlkampf in den USABiden machte auf Staatsmann. Über die Schuldenobergrenze gebe es keine Verhandlungen, sagte er anfangs. Amerika zahle seine Schulden. Alles andere bringe eine Katastrophe mit unvorhersehbaren Folgen. Dann hat Biden doch verhandelt. Herausgekommen ist ein 99-seitiger Gesetzentwurf, der die Schuldenobergrenze in den kommenden zwei Jahren aussetzt. Das heißt, der Wahlkampf um die Präsidentschaft könnte 2024 ohne erneutes Tauziehen stattfinden. Im Gegenzug werden Teile des Haushalts eingefroren, also de facto wegen der Inflation gekürzt.Das betrifft Sozialprogramme für die untersten Einkommensschichten, jedoch weniger stark, als es die Republikaner wollten. Die Militärausgaben steigen. Nicht Teil des Deals sind von Republikanern verlangte Kürzungen beim Klimaschutz. Doch gibt der Gesetzentwurf der Fracking-Industrie einen Zuckerkuss, denn er bestimmt ausdrücklich, dass die Behörden umgehend eine 500 Kilometer lange Pipeline für gefracktes Naturgas in den Appalachen-Bergen von Virginia und West Virginia genehmigen müssen. Mehrere weitere fossile Programme sollen vorangetrieben werden.Die Verhandlungen über Haushaltskürzungen waren nicht die einzige Strategie, die Biden zur Verfügung stand. In den letzten Wochen wuchs der Druck aus dem progressiven Spektrum, er solle sich auf einen Grundsatzstreit einlassen, mit dem Argument, die Schuldenobergrenze sei nicht verfassungskonform, denn in der Verfassung stehe, die Staatsverschuldung dürfe nicht infrage gestellt werden. Biden hat das ausgeschlagen, stattdessen die Demokraten vor die Wahl gestellt, einem alles in allem annehmbaren Gesetz zuzustimmen oder auf Crash zu setzen.Beim Verfassen dieses Textes war noch nicht klar, ob die Republikaner Trumps Hoffnung auf Chaos erfüllen würden.