Am 8. November sind Zwischenwahlen. Mit Blick auf ungünstige Umfragewerte leben die Demokraten in Angst vor dem Verlust ihrer hauchdünnen Kongressmehrheiten mit katastrophalen Folgen für Joe Biden. Im Repräsentantenhaus müssten die Republikaner einige wenige demokratische Sitze kippen, im Senat würde einer reichen. Doch machen seit Wochen veränderte Umstände Hoffnung. Die Demokraten sind kämpferischer, die Republikaner haben Probleme mit ihrem Frontmann, dem auf Rache sinnenden Donald Trump.
Ein Faktor für die sich in Grenzen haltende, aber vorhandene Zuversicht ist die Mobilisierung von Wählerinnen gegen die mit dem Segen des Obersten Gerichtes in zahlreichen Bundesstaaten eingeführten Abtreibungsverbote. Dazu kommt das Echo auf d
Echo auf die FBI-Durchsuchung in Trumps Mar-a-Lago. Die dort gefundenen Geheimdokumente lassen sich schwer wegreden. Biden hat nach monatelangen Halbherzigkeiten Klartext gesprochen und die Gefahr der trumpistischen Bewegung benannt: Deren Anhänger seien teilweise nicht erreichbar. Zwei Biden-Ansprachen fanden Beachtung.Ende August sagte der Präsident, Trumps MAGA-Konstrukt von „Make America Great Again“ sei „wie Halb-Faschismus“. Die Geschichte zeige, dass „blinde Loyalität zu einem einzelnen Führer und Bereitschaft zur politischen Gewalt tödlich sind für Demokratie“, so Biden Tage später. Die Republikanische Partei werde „angetrieben und eingeschüchtert von Donald Trump und den MAGA-Republikanern“. Doch wolle man kein Zuschauer sein „bei diesem anhaltenden Angriff auf Demokratie“. Es gebe mehr MAGA-Gegner als Anhänger.Diese Schärfe war neu. MAGA-Gefolgsleute reagierten erwartet aufgebracht auf die „Kriegserklärung“, manche Kommentatoren rümpften die Nase ob des Faschismusvergleichs. Doch Biden sprach offenbar zu seinen eigenen Leuten, die auf eine deutliche Sprache hofften zu Beginn der heißen Wahlkampfphase. Faschismus gilt in den USA als ein Wort, das in höflicher Gesellschaft als zu alarmistisch und potenziell missverständlich vermieden wird. Bei Trump ist das schwieriger und schwieriger geworden. Ist er „nur“ Narziss? Verhinderter Autokrat? Nihilistischer Demagoge? Biden ist auf „Semi-Faschismus“ gekommen. Trumps Bewegung „lebt vom Chaos“, sagt der Präsident. Sie erkenne Wahlergebnisse nicht an, rufe zur Gewalt auf und widersetze sich Gesetzen. Sollte Trump „wegen des Missbrauchs von Geheimdokumenten vor Gericht gestellt werden, wird es Aufruhr in den Straßen geben“, befand der republikanische Senator Lindsey Graham.Sarah Palin fiel durchEs geht bei MAGA um Weiße, vornehmlich weiße Männer, die Status und Privilegien gefährdet sehen. Die Autorin Barbara Ehrenreich ist im August im Alter von 81 Jahren gestorben. Wie kaum eine Publizistin hat sie „von unten her“ über Ungleichheit in den USA geschrieben. Ehrenreich kam lange vor Trump zu dem Schluss, dass der von marktwirtschaftlichen Gesetzen bedingte weiße Abstieg und rassistische Ressentiments eine desaströse Kombination eingehen. Das Gesetz schütze weiße Privilegien nicht mehr, und viele Weiße aus der Arbeiterschicht wollten Privilegien mit „Pseudo-Populisten“ wie Trump verteidigen. Und der feiert MAGA als die größte politische Bewegung in der Geschichte der USA. Er hat nicht ganz unrecht. 74 Millionen Menschen haben 2020 für ihn gestimmt nach vier Jahren Amtszeit, als man wusste, was für ein Mann er ist. Ein beträchtlicher Teil dieser Wähler glaubt bis heute seiner Lüge von den gestohlenen Wahlen. Tausende jubelten jüngst bei einem Trump-Event, als der Ex-Präsident seinen Nachfolger als „Staatsfeind“ geißelte.Die Republikanische Partei sei eine Koalition von zwei Menschentypen, schrieb Historiker Timothy Snyder: Die einen wollten weiterhin profitieren vom amerikanischen System, die anderen das System zerschlagen. Profitiert vom System haben viele Politiker und Wirtschaftsvertreter. Zerschlagen wollen es vornehmlich ressentimentgeladene Wählerinnen und Wähler, darunter die von Ehrenreich Beschriebenen, denen der „Populist“ Trump gar nicht weit genug gehen kann.Bei den Zwischenwahlen im November ist das Zusammenhalten der Anti-Biden-Koalition problematisch. Politico hat berichtet, die Zahl republikanischer Online-Geldgeber sei vom zweiten Halbjahr 2021 auf das erste Halbjahr 2022 zurückgegangen. Trumps Macht ist gefestigt in der Partei, aber wenn es zu den Hauptwahlen kommt, ist MAGA-Rhetorik unentschlossenen Wählern zu viel des Guten. Darauf setzte Biden bei seinem Wahlsieg 2020. Manche Demokraten hoffen, Trump werde sich verstärkt einmischen, denn auch Angst vor Trump hat Biden vor zwei Jahren zum Sieg verholfen. Große Geldgeber sind anscheinend nicht begeistert von manchen Trump-Wunschkandidaten.Das Abtreibungsverbot hat die Politik durcheinandergebracht. Seit vielen Jahren punkten republikanische Politiker als Schützer unschuldiger Babys. Das mobilisiert die konservative christliche Basis. Diese hat Ende Juni einen Riesensieg errungen mit dem Urteil des Obersten Gerichts zum Aufheben des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch. Laut Urteil dürfen die Bundesstaaten Abtreibungsgesetze schreiben; vierzehn der fünfzig haben Abtreibung völlig oder weitgehend verboten. Weitere werden folgen. Viele Millionen Frauen haben den Zugang zu Abtreibung in ihren Bundesstaaten verloren. Nun jedoch zeigen Berichte aus zahlreichen Staaten, dass dieses Urteil Befürworterinnen des Rechts mobilisiert. Frauen melden sich in Rekordzahl bei den Wahlbehörden. Das republikanische Kansas hat bei einem Volksentscheid für das Recht auf Abtreibung gestimmt. Im konservativen Alaska unterlag Sarah Palin Anfang September bei Nachwahlen zum Repräsentantenhaus. Palin ist Darling der rechten Christen, sie war 2008 Kandidatin für die Vizepräsidentschaft und MAGA-Frau, bevor es MAGA überhaupt gab.Und der Benzinpreis ist zuletzt etwas gefallen, auch wenn die Inflationsrate weiter hoch ist. Die Arbeitslosenrate bleibt niedrig. Zudem haben sich die Demokraten irgendwo in der Mitte der Partei zusammengerauft zu einem Klima- und Wirtschaftsplan. Vielleicht könnte es im November reichen, obwohl regierende Parteien normalerweise bei einer Zwischenwahl Einbußen erleiden. Bidens großes Verdienst könnte darin bestehen, „Semi-Faschismus“ in die Schranken gewiesen zu haben.