Vor aller Augen

USA Für eine politische Revolution braucht es keine Mehr­heit in der Bevölkerung. Es braucht einen harten Kern und Steigbügelhalter
Ausgabe 41/2018
Kavanaugh (l.) wird den liberalen Richter Kennedy (r.) ablösen. Damit haben die Konservativen im Supreme Court eine Mehrheit
Kavanaugh (l.) wird den liberalen Richter Kennedy (r.) ablösen. Damit haben die Konservativen im Supreme Court eine Mehrheit

Foto: Jim Watson/AFP/Getty Images

Ein Fazit zwei Jahre nach der Wahl von Donald Trump und wenige Tage nachdem der rechte Jurist Brett Kavanaugh im Obersten Gericht Platz genommen hat: Um in den Vereinigten Staaten eine „politische Revolution“ von rechts durchzuziehen, braucht es keine absolute Mehrheit in der Bevölkerung. Es braucht einen harten Kern und Steigbügelhalter, die stets in der Nähe der Macht sein wollen. Auf Letztere kommt es besonders an. Das kennt man aus der deutschen Geschichte.

Republikanische Politiker, die seinerzeit den Showman als vollkommen unakzeptabel verspottet haben, machen nun mit: Sie haben erkannt, dass es dieser Mann trotz seiner Ignoranz meisterhaft versteht, wie man Wut, Hass und Feindseligkeit weckt und legitimiert – und die Wähler entsprechend mobilisiert. Rechts-Christen, die trotz mancher Vorbehalte wegen Donald Trumps Lebenswandel dessen treueste Anhänger sind, verweisen auf die Bibel. Auch Gott habe sündige Menschen benutzt.

Als der US-Präsident bei einer Wahlveranstaltung die Frau verspottete, die Kavanaugh vorwirft, ihr Gewalt angetan zu haben, lachten Tausende. Gelacht hat seinerzeit nach Darstellung von Christine Blasey Ford auch Kavanaughs besoffener Trinkkumpan, als der spätere Oberste Richter die 15-jährige Christine attackiert haben soll.

Trumps Hang zur Polarisierung hat sich bisher – unter dem Strich – zu seinen Gunsten ausgewirkt. Das US-Wahlsystem ist so angelegt, dass der Präsident und seine Partei nicht die Mehrheit der Stimmen brauchen. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Die Reden mancher in der Opposition von angestrebter „politischer Revolution“ haben es schwer gegen die „politische Revolution“, die gerade vor aller Augen stattfindet. Mit ihrem Glauben an die Einzigartigkeit Amerikas und an das Gute im Land haben es viele US-Amerikaner nicht für möglich halten wollen, dass „so jemand“ gewählt wird. Verständlich, doch das war ein großer Fehler. Nun kontrollieren Trumps Republikaner das Weiße Haus, die Mehrheiten im Senat wie im Repräsentantenhaus und mit dem Juristen Kavanaugh auch noch das Oberste Gericht, dessen Richter auf Lebenszeit ernannt werden.

Die Republikaner haben Kavanaugh bei der Ernennungsdebatte als Opfer der Elite klassifiziert, der Liberalen, die sich gegen den Bewerber zusammengerottet hätten. Das passte ins Propagandaschema vom Aufstand gegen die Elite. Trump kennt seine Klientel. Es kann ihm daher egal sein, dass die New York Times jüngst in einem Enthüllungstext detailliert beschrieb, wie er mit einigen Millionen Dollar seines Vaters und durch Umgehung von Steuergesetzen reich geworden ist.

Der Präsident ist einer, der als starker Mann Macht ausübt. Das erfreut sein Volk. Es erfreut auch so manche Interessen in der Wirtschaft und im Bankensektor. Der Einzug von Kavanaugh im Obersten Gericht ist genauso wie die republikanische Steuer- und Regulierungspolitik Grund genug, kalt gestellte Sektflaschen zu öffnen. Kavanaugh trat als Richter an einem Bundesgericht und in seinen Schriften stets gegen jede Regulierung ein.

Es fällt schwer, darauf zu hoffen, dass die Geschichte von Donald Trump und seinen Republikanern ein gutes Ende nimmt. Was hier entfesselt wird, lässt sich nicht mehr so schnell eindämmen. Anfang November wird der US-Kongress neu gewählt. Ein republikanischer Erfolg würde den Trumpismus besiegeln. Die Gefahr ist groß.

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