Das Auto galt lange als Inbegriff des amerikanischen Lebensstils. Der Highway symbolisierte Freiheit. Heute versinnbildlicht die Existenzkrise der Autoindustrie den Auslauf des amerikanischen Modells. Die schlechtesten Karten halten dabei die Männer und Frauen an den Fließbändern der Werke in Detroit und anderswo.
Gegen Ende der Regierung Bush quält sich die US-Politik durch Rettungsdebatten und Sanierungsvorlagen. Nach dem jahrzehntelangen Kniefall vor dem Altar der "freien Marktwirtschaft" entwerfen Politiker der Demokratischen Partei, die sich scheinbar so schlagartig bekehrt haben wie weiland der Apostel Paulus auf dem Weg nach Damaskus, eine Art "Mischwirtschaft": Der Staat investiert und darf dafür mit ins Steuer greifen. George W. Bush fällt der Abschied vom "reinen" Kapitalismus schwerer, aber es bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Wirtschaft ins neue Jahr "hinüber zu retten".
Im Namen des "kleinen Mannes"
Für die Banken hat die Regierung bereits vor Wochen 700 Milliarden Dollar bewilligt. Realpolitisch verhaltene Proteste gegen den "Wall-Street-Sozialismus" kamen von links, lautstarke aber von populistisch verkleideten rechten Ideologen, die im Namen des "kleinen Mannes" gegen staatliche Hilfe für die Bosse und Banker mobil machten. Das freilich war nur Vorspiel zur Kontroverse um das Hilfspaket beziehungsweise um Überbrückungsdarlehen für die nach Strohhalmen greifenden Autokonzerne General Motors und Chrysler und die etwas besser situierte Ford Motor Company - obwohl es diesmal um wesentlich weniger Geld geht, vorläufig etwa 15 bis 20 Milliarden Dollar.
Die Ideologen wollen mit Verweis auf die Krise eine Art "Katastrophen-Kapitalismus" (Naomi Klein) ausrufen und radikale neoliberale Reformen durchzusetzen. Eine rechte Minderheit im US-Senat hat deshalb Anfang Dezember das Hilfspaket für die Autobauer blockiert. Man müsse ablehnen, hieß es in einer von der Los Angeles Times veröffentlichten internen E-Mail an republikanische Senatoren, weil sich die Demokraten damit bei den Gewerkschaft für die Unterstützung bei der Präsidentenwahl bedanken wollten. Die Rechten verlangten statt der Hilfsgelder drastische Lohnkürzungen; die Arbeiter sollten ihre Tarifverträge kippen, sie verdienten zu viel und schadeten der Konkurrenzfähigkeit. Eine fragwürdige These, denn Lohnkosten machen nur etwa acht Prozent vom Verkaufspreis eines Pkw Made in the USA aus.
Ron Gettelfinger, Präsident der Automobilarbeitergewerkschaft UAW, kritisiert: Eine Gruppe von Republikanern wollte den United Auto Workers einen "Speer ins Herz treiben" und das mit weitreichenden Folgen. Die 1,1 Millionen Mitglieder zählende UAW, der es über Jahre hinweg gelang, die besten Löhne und Sozialleistungen auszuhandeln, die es in den USA gibt (Fließbandarbeiter bei GM erhalten 27 Dollar in der Stunde), setzt nationale Richtwerte für Tarife. Selbst "gewerkschaftsfreie" Werke in den USA wie die Filialen von BMW, Mercedes, Honda, Toyota und Nissan können deshalb nicht nur Walmart-Löhne zahlen.
Dabei ist Militanz nicht eben das Markenzeichen der UAW. Hunderttausende Mitglieder sind Pensionäre oder arbeiten nicht in der Autoindustrie, sondern in anderen Branchen, in denen die UAW ebenfalls aktiv ist. Nach Angaben der Gewerkschaft sind bei den "Großen Drei" GM, Chrysler und Ford 181.000 Arbeiter zugleich Gewerkschaftsmitglieder, die nun mit zwiespältigen Gefühlen beobachten, ob und wie die UAW einen Tanz mit dem "Klassenfeind" riskiert. Seit Jahrzehnten hat sich diese Gewerkschaft auf höhere Löhne und Sozialleistungen für ihre Mitglieder konzentriert, so dass von den finanziellen Standards her ein insulares Arbeiterparadies entstanden ist, in dem Mitglieder ansehnliche Betriebsrenten erhielten und auch noch während ihrer Rentenzeit krankenversichert waren. (Mehr als eine Million Arbeiter, Familienangehörige sowie Pensionäre sind gegenwärtig bei GM krankenversichert.) Was gut sei für die Industrie, sei auch gut für die Arbeiter, lautete die Maxime. So unterstützte die Gewerkschaft die Autokonzerne selbst bei deren Kampagnen gegen Ökogesetze.
Warten auf die Pläne Obamas
Auf Dauer ging das nicht gut. Ausländische Unternehmen bauten gewerkschaftsfreie Werke in den Südstaaten (Senatoren aus dem Süden sind heute die lautesten Kritiker des Hilfspakets). Die Investoren vorzugsweise aus Deutschland und Japan zahlten weniger, schließlich fühlten sie sich nicht verantwortlich für die hohen Renten- und Krankenversicherungsleistungen der "großen Drei". Ford, Chrysler und GM verloren Marktanteile und reagierten, indem sie Fahrzeugteile vermehrt bei nicht gewerkschaftlich organisierten Zulieferern herstellen ließen und Stellen kürzten: Seit 2004 gingen bei den "großen Drei" immerhin bereits 200.000 Jobs verloren. Die UAW machte daraufhin Zugeständnis über Zugeständnis, die zuletzt so weit gingen, dass Neueingestellte in manchen Firmen gerade einmal die Hälfte des dort üblichen Lohnes erhielten.
Ihr temporäres Heil suchten die US-Firmen bei profitablen SUVs, den Sprit fressenden Geländewagen bis hin zum Hummer. Honda und Toyota entwickelten derweil benzinsparende sowie weniger Reparatur anfällige Pkw und Hybridfahrzeuge. Längst bleiben die großen Schlitten in den Autohandlungen stehen, und die verspätet entwickelten "grünen" Modelle wie das Elektroauto Chevy Volt von GM sind frühestens 2010 marktreif. Man wartet in dieser Situation einmal mehr auf Barack Obama, auf seine Pläne für grüne Jobs sowie klimafreundliche Pkw und fragt sich, ob die wirklich funktionieren.
Möglich wäre viel. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges haben Detroits Autokonzerne mit Dollars aus Washington ihre Produktion binnen weniger Monate erfolgreich auf Panzer und andere Militärfahrzeuge umgestellt.
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