Watergate

USA Von Nixon zu Bush

Allmählich verebbt die Watergate-Nostalgiewelle. Mark Felt, der Vizechef der US-Bundespolizei FBI, hatte sich selber enttarnt als die anonyme Quelle, die vor 31 Jahren der Washington Post bei ihrer Enthüllung des Watergate-Skandals half. Viel Eigenlob seitens der intellektuellen schreibenden Klasse, nur Loyalisten des im August 1974 zurückgetretenen Präsidenten Richard Nixon beschimpften Felt als Verräter. Mit Blick auf die Regierung von George W. Bush ließe sich allerdings die These aufstellen, die durch Watergate zeitweilig aus der Bahn geworfene konservative Bewegung hat am meisten von den Ereignissen gelernt. So viel, dass Präsident Bush bisher Probleme übersteht, die "Watergate" in nichts nachstehen.

"Watergate", das waren Enthüllungen über fünf Einbrecher im Hauptquartier der Demokratischen Partei (vermutlich um die Räume zu verwanzen), die enge Verbindungen hatten zum Weißen Haus und zur Wahlkampagne des Präsidenten Nixon. Die Geschichte löste "eine der größten Verfassungskrisen der modernen US-Geschichte" aus, wie die Washington Post schrieb. Vertuschungsversuche und schmutzige Trick gegen politische Gegner (inklusive illegaler Telefonabhörung). Der Präsident nahm sich das Recht, über dem Gesetz zu stehen. Doch Nixons Kartenhaus fiel auseinander. Kongressausschüsse ermittelten, der Präsident verlor die Kontrolle über das ebenfalls ermittelnde FBI, und Journalisten machten da weiter, wo die Washington Post angefangen hatte. Nixon trat zurück und wurde von seinem Nachfolger begnadigt, angeblich um die Wunden der Nation zu heilen.

George W. Bush dagegen, dessen Vater damals als Vorsitzender der Republikanischen Partei Nixon vertraute, hat sein Haus mit Zement gebaut. Es gibt keine "liberale Presse" und funktionierende Opposition mehr, die Bushs inzwischen unbestreitbare Faktenentstellung zum Thema Irak-Krieg als "eine der größten Verfassungskrisen der modernen US-Geschichte" attackieren würden. Die öffentliche Debatte wird beherrscht von einer konzentrierten Gruppe von Medienunternehmen, die mehr Interesse haben an Michael Jackson als an einem von über 80 demokratischen Angeordneten unterzeichneten Brief an Präsident Bush, der Aufklärung fordert über das kürzlich in der Times of London veröffentlichte Downing Street Memorandum. Darin wird ein hochrangiger britischer Gemeindienstler zitiert, der nach einem Washington-Besuch im Juli 2002 erklärt hatte, Bush wolle Saddam "entfernen". Die geheimdienstlichen Informationen zur Rechtfertigung sollten nachgeliefert werden.

Der progressiven Bewegung fiel Watergate in den Schoss. Der vom Vietnamkrieg angeschlagene Nixon verlor in den siebziger Jahren auch Rückhalt bei den traditionellen republikanischen Wahlspendern. In der Umfrage eines Wirtschaftsmagazins Anfang 1974 sprachen sich 90 Prozent der befragten Direktoren von Banken und Konzernen für seinen Rücktritt aus. George W. Bush hingegen kann sich verlassen auf seine Freunde, die Reichen und Superreichen, die offenbar überzeugt sind, der Präsident habe genug Rückhalt in der Partei und Öffentlichkeit, um Irak zu überstehen. Hinter dem Präsidenten steht eine wohlorganisierte konservative Bewegung, die weit in die Graswurzeln hinunter reicht.

Progressive verstanden es nach Watergate nicht, eine solche Bewegung aufzubauen. Die Macht- und Mehrheitsverhältnissen waren nie so: Die Demokraten und ihre Geldgeber suchten nach staatstragenden Alternativen, und fanden Jimmy Carter, Inbegriff des "neuen" Demokraten. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Nach Carter gab es acht Jahre Reagan (und Nixons Rehabilitierung), dann vier Jahre George Bush der Erste, schließlich das Clinton-Interregnum, in dem gewerkschaftlich und abrüstungsorientierten Demokraten die letzten Zähne gezogen wurden. Und die nun nicht fähig und willens sind, die Frage zu stellen, ob nicht ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bush angebracht wäre.

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