Seit dem Amtsantritt von Donald Trump hat sich in den USA eine breite Opposition zu Wort gemeldet. Was jedoch nicht heißt, sie sei stark genug, das Weiße Haus zu erschüttern. Gefährliche Ideologen umgeben Trump. Auch wenn einer, Sicherheitsberater Michael Flynn, zu Wochenbeginn wegen seiner Russlandkontakte vor Trumps Amtsantritt zurücktreten musste. Flynn vertrat die Ansicht, der Islam sei eine „politische Ideologie“, die vorgebe, eine Religion zu sein.
Keine Frage, der Präsident hat viele Millionen Fans. Obwohl die Edelladenkette Nordstrom Ivankas Handtaschen zum Verdruss von Papa aus dem Regal nimmt und Saturday Night Life brillante Parodien präsentiert. Das progressive Amerika, das bunte, trifft sich nicht mehr beim Kaffee, sondern bei Kund
e, sondern bei Kundgebungen. Politiker-Telefonnummern sind gespeichert im Handy. Im News Feed auf den kleinen Monitoren erscheinen Action Alerts. Gemeinsam etwas tun, das ist besser als Prozac gegen politische Depression. Hunderte Initiativen sind entschlossen zum großen Nein. Nach Trumps Wahlsieg erklärten manche demokratische Politiker, es gebe Gemeinsamkeiten mit dem Präsidenten. Wegen des Drucks von unten kann man Anpassung inzwischen vergessen.Folie Tea PartyVor zehn Jahren schrieb Autorin Naomi Klein das Buch Schock-Strategie und vertrat die These, Machthaber nutzten Katastrophen für normalerweise nicht realisierbare Vorhaben. Die neuen Mächtigen in Washington regieren mit einem desorientierenden Schockieren und täglich neuen Executive Orders, etwa zum Abbau von Umwelt-, Arbeits- und Finanzvorschriften. Der Industrieverband National Association of Manufacturers ist erfreut, die Aktien boomen.Trump macht auf „Shock and Awe“, obwohl die USA in keiner existenziellen Krise stecken. Und doch wird vom Präsidenten eine Mega-Krise suggeriert, von der sich offenbar viele Anhänger haben überzeugen lassen. Flüchtlinge strömten ins Land, sagt Trump (doch 2016 nahmen die USA gerade einmal 85.000 auf). Die Krankenversicherung Affordable Care Act sei ein totales Desaster (doch noch nie waren so wenige Amerikaner ohne Versicherungsschutz wie heute). Die Kriminalität nehme überhand (doch die Mordrate ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr).Der Schlagabtausch mit dieser Regierung beginnt mit der Frage, was Fakten sind. Mit „den Medien“ liegt Trump im selbsterklärten Krieg und hat sie in die Rolle einer Opposition gedrängt. Das hat Logik. Kritische Geister mögen spotten über „alternative Fakten“. Das Trumpland dagegen schätzt sie, denn wenn „die Medien“ wirklich so schlau wären, hätten sie nicht behauptet, so einer wie Trump könne nie Präsident werden. Es zirkulieren Umfragen, dass nur 15 Prozent der Trump-Wähler Zeitungen und Fernsehsendern trauen.Der Widerstand steht vor drei großen Aufgaben: Trump Sand ins Getriebe streuen, die Zivilgesellschaft mobilisieren und eine wählbare Alternative vorweisen. Im November 2018 finden Kongresswahlen statt. Das Sandstreuen läuft. Spontane Flughafen-Meetings dramatisieren Trumps Einreisesperren. Es gibt Kritik von Kirchen, Hilfsverbänden, Regierungen mehrerer Bundesstaaten und letztendlich die Gerichtsurteile, die Trumps Maßnahme vorläufig außer Kraft setzen.Der Name ist nicht so griffig wie Tea Party. Viele in der neuen Opposition, Menschen oft ohne politische Erfahrung, machen sich Gedanken unter dem Stichwort indivisible (unteilbar). Der praktische Leitfaden für Widerstand gegen die Trump- Agenda tauchte Mitte Dezember online auf bei indivisibleguide.com, verfasst von ein paar früheren Mitarbeitern demokratischer Politiker. Kein großer Strategieplan, sondern mehr Taktik: Trumps Gegner müssten „unteilbar“ zusammenstehen. Die Tea Party habe vorgeführt, wie eine Minderheit zu Macht gelange, lokales Organisieren sei entscheidend. Abgeordnete und Senatoren, die wiedergewählt werden wollen, seien beeinflussbar. Indivisibleguide.com zählt inzwischen mehr als 4.500 Gruppen. In Grand Rapids, einer Industriestadt in Michigan, die Trump knapp gewonnen hat, sind laut Fernsehberichten ein paar hundert Leute in einer Kirche zusammengekommen zum ersten Treffen. „Wir haben viel von unserer Demokratie als selbstverständlich angesehen und jetzt wird uns klar, dass wir für sie arbeiten müssen“, so Organisatorin Claire Bode im TV-Sender WZZM. In North Carolina demonstrieren Zehntausende gegen restriktive Wahlgesetze. Und im Landkreis Prince George‘s bei Washington halten Rechtsanwälte Informationsveranstaltungen ab für Migranten ohne Papiere. In den Obama-Jahren dösende Aktivisten ringen mit der Frage, wie Schwarz und Weiß zusammenkommen können. Im konservativen Franklin County in Tennessee wehren sich ein paar Dutzend Menschen mit Fahnen gegen den zum Arbeitsminister bestellten Fast-Food-Milliardär Andrew Puzder und so weiter.States Rights, das Konzept vom Recht der Bundesstaaten gegen die Macht der Zentralregierung, wird in den USA häufig von Konservativen genutzt, gegen Bürgerrechte, gegen die Gesundheitsreform, gegen Umweltauflagen. Momentan ist es umgekehrt: Demokratisch regierte Staaten (freilich stellen Demokraten nur 16 der 50 Gouverneure) stellen sich quer, darunter Kalifornien und New York bei Klimaschutz und Immigration. Federführend bei der Klage gegen die Einreisesperre war der Bundesstaat Washington.Zermürbende UngewissheitIn 22 der 25 größten Städte regieren demokratische Bürgermeister. Trumps Deportationen brauchen die Kooperation von örtlicher Polizei. Die meisten der Bürgermeister lassen ihre Beamten nicht mitmachen. Seit Tagen schimpft der Präsident über die Gerichte. Wegen eines konsenswilligen Kongresses mit republikanischer Mehrheit fällt es der Judikative zu, Trump auszubremsen bei verfassungswidrigem Verhalten. Wie das geschieht, ob und wo Brüche auftreten in Trumps Koalition, ist nicht absehbar. Es gibt Anzeichen. Der Protektionismus schmerzt manchen Konzern. Die Facebooks und Googles waren gar nicht glücklich mit der Einreisesperre. Der gut 400.000 Mitglieder zählende Verband der Irak- und Afghanistan-Veteranen ist empört, dass die Restriktionen Iraker treffen, die mit der US-Armee gekämpft haben.Es ist eine Zeit zermürbender Unsicherheit. Trump hat vielen Menschen wehgetan mit seiner Einreisepolitik. Die Opposition kann nicht wissen, worauf sie sich vorbereiten muss, wie der Mann seine Geld- und Machtgier ausleben wird. Und wer sich alles ermutigt fühlt im rechten und rassistischen Amerika. Ob „ein bisschen Autokratie“ eine Mehrheit der US-Bürger wirklich stört.