Dass Wahlen in den USA nicht vorbei sind, wenn sie vorbei sind, ist keine umwerfende Erkenntnis. Sie korrespondiert Anfang November 2020 mit der Annahme: Weil es keinen klaren Wahlsieger gibt, der sich unanfechtbar durchgesetzt hat, wird das die Kluft zwischen den Lagern nochmals vertiefen. Donald Trump hat nicht nur die Karten, sondern auch die Fäuste auf den Tisch gelegt. Als Amtsinhaber sind ihm kaum Grenzen gesetzt, seine Macht auszuspielen bis hin zum Einsatz der Nationalgarde, um Unruhen einzudämmen. Überdies haben die Republikaner für den Fall einer Niederlage vorgebaut: Trump hat den Obersten Gerichtshof wie die Bundesberufungsgerichte mit vielen rechtskonservativen Juristen neu besetzt. Er sagt, es gab Wahlbetrug in den demokratisch regierten US-Staaten. Für Biden hat sich eine durch die Republikaner manipulierte Stimmung auf das Ergebnis ausgewirkt. Geht es allein nach den Wählerstimmen, liegt Biden klarer vor Trump, als das vor vier Jahren bei Hillary Clinton der Fall war. Auch das wohl eine Erklärung dafür, dass es so viele warnende Stimmen gibt, die Lage könnte außer Kontrolle geraten.
Unvergessene Bilder
Republikaner fühlten sich seit Langem verfolgt und betrogen vom „tiefen Staat“. Donald Trump hat vor dem 3. November stets behauptet, er könne nur verlieren, sollte bei den Wahlen betrogen werden. Er hat damit das liberale Amerika alarmiert, das in den Editorials beklagt: Noch nie sei die Nation derart gespalten gewesen. Trump habe so viel kaputtgemacht.
Doch so neu ist das Gespalten-Sein nicht. Die 1950er Jahre prägte die Hetze gegen vermeintliche und wirkliche Kommunisten. Es folgte die Auseinandersetzung um den Vietnamkrieg und die „Counterculture“, um die Studenten- und Frauenbewegung. Später gab es kaum Amerikaner, die keine feste Meinung zu einem Präsidenten wie Ronald Reagan (1981–1989) hatten. Und wenn man schon über Spaltung spricht: Bis in die 1960er Jahre hinein herrschte in vielen Teilen der USA ein der Apartheid vergleichbares System.
So richtig zur Demokratie wurden die USA ohnehin erst im Jahrzehnt danach, als unter dem Druck einer Protestbewegung neue Wahl- und Bürgerrechtsgesetze in Kraft traten. Zuvor konnte ein großer Teil der schwarzen Bevölkerung in den Südstaaten überhaupt nicht wählen. Viele Weiße haben dafür gekämpft, diese Zwei-Klassen-Gesellschaft zu erhalten. Das Gedächtnis speichert Bilder von gewalttätigen Protesten vor Wahllokalen und gegen jede Rassenintegration. Ein Echo dieser Zustände sind 2020 die vielen Wahlbehinderungen. In manchen Staaten diskriminieren Wahlgesetze noch heute Afroamerikaner.
Es führt kein Weg vorbei an der Rassendynamik. Seit den 1970er Jahren hat kein demokratischer Präsidentschaftsanwärter die Mehrheit der weißen Stimmen erhalten. Auf Trumps Wahlkundgebungen sah man fast nur weiße Gesichter. Trump schüre „Ängste vor schwarzen und braunen Amerikanern“, meinte Michelle Obama kurz vor der Wahl. Das sei rassistisch, bedeute aber nicht, „dass es nicht funktioniert“. Die Republikaner haben das Problem, dass der Anteil der Weißen an der Wählerschaft abnimmt.
Kaninchen und Schlange
Auch das religiöse Amerika ist gespalten. Laut Demoskopen des Pew Research Center wollten eine Woche vor der Abstimmung 78 Prozent der weißen Evangelikalen für Trump stimmen – schwarze Protestanten zu 90 Prozent und Latino-Katholiken zu 67 Prozent für Biden. Die am schnellsten wachsende „Religionsgruppe“ in den USA sind Menschen ohne religiöse Bindung: Die wählten mehrheitlich demokratisch.
In der letzten Phase des Wahlkampfes hat Trump seine Attacken auf das politische System der USA nochmals verstärkt und seinen autokratischen Anspruch verteidigt: Er sei der Einzige, der Amerikas Probleme lösen könne. Er dominierte die Medien, indem er mit Tweets und häufig unwahren Sprüchen die Themen vorgab. So kritisch und enthüllend die liberalen Medien auch berichteten – sie blieben durch Trump hypnotisiert wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.
So leben die Amerikaner in vollkommen verschiedenen Medienwelten. Trump erntet bei seinen Leuten stets dann enthusiastischen Beifall, wenn er Journalisten beschimpft. Auch deshalb ist heute in den USA Realität nicht mehr gleich Realität. Im Wahlkampf hat Trump versichert, er habe das Coronavirus in Griff, während die Neuinfektionszahlen neue Rekorde aufstellten und manche Krankenhäuser warnten, sie kämen an das Ende ihrer Kapazitäten. Keine Frage, Corona hat Menschen auseinandergetrieben. Die USA sind bei 230.000 Toten angekommen. Ende Oktober lagen mehr als 47.000 Menschen mit Covid-19 in den Kliniken. Tendenz steigend. Und doch waren die meisten Republikaner der Ansicht, Trump mache seine Sache gut beim Kampf gegen das Virus. Seine Infektion machte ihn zum Helden: Er habe sich unter die Menschen gemischt, während Biden „im Keller“ saß. Bidens Leute waren entgegengesetzt motiviert: 82 Prozent der Demokraten sagten bei „Pew“, das Virus sei „sehr wichtig“ für ihre Wahlentscheidung.
Biden hatte erklärt, er wolle der Präsident aller Amerikaner sein. Ähnlich hat sich einst sein früherer Chef Barack Obama geäußert – mit überschaubarem Erfolg. Der alterprobte Politiker war nie der Wunschkandidat junger Amerikaner und progressiver Demokraten. Er versprach im Wahlkampf sowohl die Rückkehr zum Normalen wie einen Neuanfang. Ein Versuch, die widersprüchliche Koalition seiner Spender aus dem Silicon Valley, über demokratische Sozialisten bis hin zu schwarzen Kirchgängern unter einen Hut zu bringen. „Bei der Stimme für Joe Biden geht es nicht darum, ob du mit ihm einer Meinung bist“, so die demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die am Dienstag erneut in den Kongress gewählt wurde. „Es ist eine Stimme, um der Demokratie eine Überlebenschance zu geben.“ Aber die ist im Moment mehr infrage gestellt als gerettet.
Kommentare 10
Es wäre wichtig, jetzt schnell auszuzählen und das Ergebnis von Staaten bekanntzugeben, egal an wen von beiden sie nun gegangen sind.
Dass sich 24 Stunden lang kaum etwas getan hat, ist jedenfalls nicht hilfreich.
dem ist nichts hinzuzufügen. Ich empfinde das Wahlergebnis als sehr niederschmetternd. Es ist verständlich, das Menschen vor komplexen Problemen wie Seuchen, eine schnell veränderte Welt durch Digitalisierung und Klimawandel, der ausgelösst durch extremes Wirtschafstwachstum, doch nur Unzufriedene hinterlässt. Es hilft aber nichts wir müssen die Auseinadersetzung mit den Trumpisten genauso angehen wie den ungelösten Problemen Corona, Klimawandel , Digitalisierung und über allen steht die uralte Frage: Wie schaffen wir ein solidarisches Miteinader ohne uns die Köpfe einzuschlagen. Wir dürfen nicht aufgeben.
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/twitter-loescht-konto-von-steve-bannon-a-be138e50-39ec-4930-9ac3-903495b24a2f
Steve Bannons ausfälle.......
Solange man sich an Trump und den "Trumpisten" abarbeitet, hat man nicht erkannt, dass dies nur die Symptome einer Gesellschaft sind. Das bedeutet: Verweigerung der Ursachenanalyse.
Selbst wenn Biden jetzt gewinnt, werden wir in 4 oder spätesten 8 Jahren den nächsten "Trump" haben. Und der wird dann schlimmer als der jetztige.
Biden hat noch nicht mal den Anspruch irgendwas an den Zuständen zu ändern, die Trump produziert haben. Seine Kampagne ist "turn back time before Trump". 40% der Wähler die Biden gewählt haben, wollen ihn gar nicht. Die wollen nur Trump los werden. Obama hatte immerhin den Aspruch für "Change", Biden nicht. Biden verspricht wieder mehr Krieg, darauf kann man sich aber nicht freuen.
Genau so ist es!!!
Trump und Biden sind nicht etwa charismatisch/faszinierende Lichtgestalten, denen die Anhängerschaft blind folgt, sondern miserable bis katastrophale systemische Ergebnisse ihres parteiinternen dynamischen Interaktionsgeschehens. Das weist deutlich darauf hin, was wir von den USA zukünftig zu erwarten haben. Ein ehrlicher historischer Rückblick könnte hilfreich sein. Stattdessen feiern unter dem Beifall geneigter Medien Kriegsverbrecher ihr Revival und sprechen Empfehlungen zur Präsidentschaftskandidatur aus. – Wenn das nicht erbärmlich ist.
Die frühere First Lady Michelle Obama hat vernichtende Kritik an US-Präsident Donald Trump geübt und zur Wahl von dessen Herausforderer Irakkrieg-Befürworte Joe Biden aufgerufen. "Donald Trump ist der falsche Präsident für unser Land", sagte die Ehefrau von Ex-Präsident Barack Obama in ihrem Redebeitrag für den Parteitag der Demokraten in Milwaukee (Wisconsin).
Sensationsberichterstattung verliert die Maßstäbe, die frühere First Lady Michelle Obama ebenfalls. Wie viele Menschenleben hat die völkerrechtswidrige Kriegs-Politik Ihres Mannes gekostet? Hat sie da eine Träne vergossen? Ihr eigener Mann, in Vortäterschaft von Herr Trump hat Elend ohne Ende geschaffen. Während dessen Zeit als Präsident der USA kümmerte sich die frühere First Lady lieber um Gemüseanbau im Garten des Weißen Hauses. –
Laut Überblick des Council on Foreign Relations warf Obama alleine im Jahr 2016 26.171 Bomben ab. Das sind 72 Bomben jeden Tag. Er bombardierte die ärmsten Völker der Erde, in Afghanistan, Libyen, dem Jemen, Somalia, Syrien, dem Irak, Pakistan. – Hervorragende Referenzen! JOE BIDEN WAR SEIN VICE!
Und sie gibt heute Empfehlungen für die demokratische Kandidatenkür aus? – Ausgerechnet!
Und der Warlord selbst? Barack Obama knöpft sich seinen Nachfolger Donald Trump vor. In zahlreichen Reden vor der US-Wahl 2020 attackiert er den US-Präsidenten.
…
Auch Kriegstreiber und Lügner Powell sprach vor dem Parteitag der Demokraten, um den Irakkrieg-Befürworter Joe Biden zu unterstützen.
Der frühere republikanische US-Außenminister und Ex-General Colin Powell, ein Republikaner wie Donald Trump, sprach vor dem Parteitag der Demokraten. 2016 stimmte er für die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton.
»UNSER LAND BRAUCHT EINEN OBERBEFEHLSHABER, der sich um unsere Truppen kümmert, genauso wie er es mit seiner eigenen Familie tun würde«, sagte Powell während seiner Rede.
Das nur zur Erinnerung und dazu, welches Kaliber hier beworben wird.
Vollkommen richtig !
Im Artikel fehlte noch daß in der "demokratischen"ära Clinton (da war Biden mit dabei) die Schwarzen mit dem tollen Gefängnissystem beglückt wurden. Generell ist es so, daß hier zwar die "Demokraten" als die Guten dargestellt werden, aber ihr Regime ist nicht minder Menschenfeindlich.
Oder auch Ablenkung. Und wenn ich dann sehe, wie Biden vor den TV-Sendern davon fantasiert, wie die Welt die USA um ihre Demokratie beneiden würde (der meint es wohl auch so!), dann kann man sich nur an den Kopf fassen.
Dann passt diese kleine Satire hier, obwohl von der Sache her voll zutreffend.
So ist es. Seine Co-Kandidatin rühmt sich auch damit, verstärkt Minderheiten in den Knast gebracht zu haben.
Die mediale "Lichtgestalt" Biden war auch maßgebend für die Abkehr der Demokraten vom New Deal zum hard-core Neoliberalismus verantwortlich. Hat also die Abgehängten mit produziert, die jetzt natürlich Trump wählen.
Er wollte auch JEDES der wenigen Sozialprogramme der U.S.A automatisch nach 5 Jahren auslaufen lassen, sofort der Kongress nicht jedes Mal dagegen stimmt. Jüngere Beispiele für Policy von Biden ist z.B. ein Gesetz was überschuldeten Studenten die Privatinsolvenz verwehrt.
Ganz ehrlich...ich habe mehr Angst vor der jetzigen Präsidentschaft Bidens, als damals vor Trump. Der ging zumindest mit dem Anspruch "weniger Krieg", "hol die Truppen nach Hause" ins Oval Office. Bei Biden fürchte ich das Gegenteil