Wahrscheinlich war es noch nie so einfach, mit Musik Geld zu verdienen. Klar, Ideen haben muss man schon noch selbst, und ein wenig Equipment. Aber ein Label braucht man nicht unbedingt.
Manchmal muss nicht einmal die Idee sonderlich originell sein: Das Label Sleep Fruits des niederländischen Produzenten Stef Van Vugt bietet auf Spotify Entspannungs- und Einschlafmusik an. Atmosphärische Klänge, Regenrauschen – hunderttausendfach werden diese Tracks gehört. So gut wie jeder „Song“ ist genau 31 Sekunden lang. Was beim Hören dank der lückenlosen Wiedergabe Spotifys nicht auffällt, folgt einem Kalkül: Ab 30 Sekunden können Songs auf der Streamingplattform monetarisiert werden.
Sind die Songs kürzer, werden die Interpret*innen nicht am Auszahlungskuchen beteiligt. Das soll verhindern, dass mit etlichen ultrakurzen Tracks sehr schnell sehr viel Geld verdient werden kann. 31 Sekunden ist die Dreistigkeitsgrenze.
Wer zu den Regengeräuschen nun einschläft – sagen wir mal: acht Stunden lang – streamt so fast 1.000 Tracks in einer Nacht. Der Chef der US-Musikmarketingagentur Venture Music, Dustin Boyer, meinte dazu gegenüber dem US-Rolling Stone, das sei „ungeheuer unmoralisch“. Das Modell von Spotify wird dadurch ausgenutzt. Denn die Einnahmen werden analog zu den Streamanteilen der Künstler*innen – „pro rata“ – aufgeteilt. Streamt jemand etwa ausschließlich Rihanna, fließt sein Geld nicht nur an sie und ihr Label, sondern anteilig an alle.
Der Musiker und Künstler Valentin Hansen drehte den 31-Sekunden-Trick um. Sein Album Crisis – The Worthless Album besteht ausschließlich aus Songs, die unter 30 Sekunden lang sind. Es ist also, wie im Titel erkennbar, monetär wertlos. Vor ein paar Wochen demonstrierte er das auch visuell in einer Galerie in Berlin-Kreuzberg: Etliche Smartphones streamten dort die 30 – übrigens sehr angenehmen – Tracks des Albums und erzeugten keinen Cent. Seine Idee zeigt eindrucksvoll, wie Musik nach wie vor von recht willkürlichen Formatgrenzen beeinflusst wird. Wenn früher die 12-Zoll-Schallplatte ein Stück weit die Albumlänge vorgab, setzt die 30-Sekunden-Grenze heute Minimalanforderungen. Hansen illustriert auch, wie einfach es ist, die Geldströme zu manipulieren.
Ein alternatives Modell wäre übrigens das „user-centric“, das nutzerbezogene Modell. Damit fließt das Geld der Nutzer*innen nur an die, deren Musik von ihnen gestreamt wird. Spotify schließt dieses Modell aber bislang aus. Eigenen Studien zufolge lohne es sich nicht. Warum das so ist, klären wir in einer der folgenden Kolumnen.
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