Ab in die Produktion mit euch!

#allesdichtmachen In einer „satirischen“ Aktion machen sich prominente deutsche Kulturschaffende über die Corona-Maßnahmen lustig. So viel Mut zum Widerstand verdient Applaus

Mein Name ist Konstantin Nowotny, und ich bin Journalist. Vielleicht ist mein Name auch Jan Josef Liefers, Volker Bruch oder Nadja Uhl – vielleicht bin ich einer von etwa 50 Kulturschaffenden, die an der Aktion #allesdichtmachen teilgenommen haben, bei der sie sich in 1-minütigen Videoclips „satirisch“ und „künstlerisch“ mit den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auseinandersetzen. Es ist eigentlich auch egal, wer ich bin, wichtig ist nur: Ich finde, bei dieser Krise geht es viel zu selten um mich, meine Weinmarke, meine Altbauwohnung, mein schauspielerisches Vorlese-Talent und meine Gefühle. Und wenn es mal um mich geht, dann gibt es immer gleich diesen nervigen Widerspruch, diese Gängelei, diese Kritik. Das ist für mich der Inbegriff einer Diktatur.

Denn seien wir mal ehrlich: Gestritten wird über „Corona“ (ich verwende das als mystischen Ganzheitsbegriff, damit Sie, liebe Leser*innen, genau wissen, was ich meine!) schon lange nicht mehr, wurde es eigentlich noch nie. Es gibt ganz klar eine Einheitsmeinung. Wenn ich die WELT lese, erklärt mir ein Porschefahrer mit dem Freiheitsbegriff eines Siebtklässlers, dass es einfach nicht verhältnismäßig ist, wegen ein paar Zehntausend Toten keine Partys zu feiern. Wenn ich Markus Lanz schaue, erzählen mir dort abwechselnd Virolog*innen, Intensivmediziner*innen und Smudo etwas über komische Zahlen und Apps, von denen ich nichts verstehe. Mal heißt es: Alles dicht machen! Dann wieder: Schweden! Und Leute, die die gut begründete Meinung vertreten, dass dieses Virus von einer jüdischen Weltverschwörung in die Welt gesetzt wurde, die finden in den Medien gar nicht mehr statt. Meinungsfreiheit 2021. Das macht mir Angst, das macht mich wütend, vor allem, weil mich keiner gefragt hat.

Aber das darf man ja nicht sagen

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Leser*innen, aber für mich als Journalist, Schauspieler, Hobbyvirologe zählen am Ende die Ergebnisse. Und für mich sieht das Ergebnis zur Zeit so aus, dass meine Arbeit weitergeht wie bisher, ich bezahlt und gut genährt werde, meine Teakmöbel schön glänzen und mich laufend jemand kritisiert, wenn ich sage, dass wir in einer gleichgeschalteten Meinungsdiktatur leben. Und ich sage Ihnen: Diese Form der Kritik, das ist für mich symptomatisch für eine gleichgeschaltete Meinungsdiktatur.

Nach einem Jahr ist mir das nun aufgefallen, und das auch nur, weil die Lieferando-Fahrer*innen, die mir täglich mein Essen bringen, irgendwie so komisch aussehen. Sie faseln irgendwas von „Betriebe schließen“ und „ZeroCovid“ und sie schwitzen immer so eklig, sind ganz fahl im Gesicht. Das muss von diesem Impfstoff kommen, oder von diesem albernen Maskengetrage. Ich halte davon ja nichts. Ich nehme seit Monaten wie gewohnt meine Globuli, meditiere täglich eine Stunde im Rattan-Sessel und damit geht es mir gut. Daran könnten sich diese Simulant*innen auf den Intensivstationen und das weinerliche Krankenhauspersonal mal ein Beispiel nehmen, aber wenn ich sowas sagen würde, dann werde ich gleich wieder als Querdenker, Faschist oder Schwurbler diffamiert. Dann werden vielleicht die vielen alten Menschen in diesem Land – sofern sie noch leben – meine grandiosen Filme nicht mehr sehen wollen, dann lädt mich vielleicht erst recht keiner mehr in eine Talkshow ein, und das ist für mich ganz klar Cancel Culture.

Wenn man seine Meinung hier noch wirklich sagen dürfte, dann würde ich jetzt sagen: In einer vernünftig eingerichteten Welt würden alle, die bei #allesdichtmachen mitgemacht haben, in die Produktion geschickt werden. „Satirisch“, versteht sich. Kunst ist das. Kunst ist aber auch, Sachen nicht konkret zu nennen, sondern sich nur „damit auseinanderzusetzen“. So machen es seit jeher die ganz Großen wie Thomas Mann, der ist ja auch nie zum Punkt gekommen. Denn nur so darf man als Künstler auch wieder zurückrudern, wenn die Kunst nicht so gut ankommt, wie Heike Makatsch, die ihr Video bereits zurückgezogen hat oder Jan Josef Liefers, der nochmal klargestellt hat, dass das alles nicht so gemeint war, wie es gemeint war.

Kunst, das ist auch immer die Kunst des Unwissens, Kunst des Nichtwissenwollens. Ich sehe mich da in einer Tradition mit George Orwell, Bertolt Brecht, Michael Wendler oder Homer. Die wussten nämlich: Freiheit ist die Freiheit, sagen zu können, dass man nichts mehr sagen kann, oder so. Und die sind auch alle wieder zurückgerudert nach ihrer Odyssee, so hab ich das zumindest mal im Feuilleton gelesen und mein porschefahrender Klassenkamerad meinte, so war es.

Leider leben wir aber in einem Land, in dem man seine Meinung nicht mehr sagen darf, sondern höchstens schreiben, auf der Seite Eins der Printmedien, in offene Briefen an die Kanzlerin oder eben auf Twitter. Einfachen Leuten wie mir bleibt da nur noch eine groß angelegte Hashtag-Aktion oder der Bierkasten auf einer Demo. Aber bitte nicht diese Alarmstufe Rot-Demos mit ihren politischen Forderungen, ich lasse mich davon nicht vereinnahmen. Ich bin Künstler und das heißt auch: Wenn mir nicht permanent applaudiert wird und das Publikum frohlockend die Reichskriegsflagge schwenkt, dann ist das unter meinem Niveau. Nur das ist für mich gelebte Demokratie, auch wenn ich mich mit diesen Leuten natürlich nicht gemein machen möchte, so wie ich mich überhaupt mit gar nichts gemein machen möchte außer mit mir selbst. Und wer weiß, wie ich das morgen alles sehe?

Im Übrigen sehen das in meinem Umfeld auch alle so, ich habe auf Facebook gefragt. Da meinten zwar einige, dass die Situation derzeit zu ernst sei, um darüber Satire zu machen, aber die habe ich einfach blockiert, diese Systemlinge, Untertanen, Merkel-Jünger. Was wissen die schon von Kunst?

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