Das Ende naht

Krisenvorsorge Die Prepper-Bewegung rüstet sich gegen bevorstehende Katastrophen. Das deutsche Portal „Vorbereiter“ zeigt hierbei rechte Tendenzen
Luftschutzbunker im Gullideckel: Diese Menschen auf einer Illustration von 1938 würde man heute wohl "Prepper" nennen
Luftschutzbunker im Gullideckel: Diese Menschen auf einer Illustration von 1938 würde man heute wohl "Prepper" nennen

Foto: Fox Photos/Getty Images

Weltuntergangsszenarien gibt es viele. Spätestens seit der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament haben sich die Menschen daran gewöhnt, dass die Apokalypse quasi ständig vor der Tür steht. Der Klimawandel, politische Umbrüche, Terror oder auch Migration sind für die sogenannten Prepper (von „to prepare“, vorbereitet sein) Anzeichen der bereits angebrochenen Endzeit. Deswegen bereiten sie sich vor: mit Schutzbunkern, Fluchtrucksäcken, Nahrungsvorräten – aber auch mit Waffen.

Bastian Blum hat die Prepper Gemeinschaft Deutschland gegründet. Auf der Internetseite sammelt er Tipps zur Vorsorge, gibt Material- und Packlisten aus, stellt Survival-Guides und Funkfrequenzen bereit. Im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen in der Szene rüstet er sich weder für den Dritten Weltkrieg noch für eine UFO-Invasion. Blum möchte für sich und seine Familie vorgesorgt haben, vor allem im Hinblick auf Naturkatastrophen wie Orkane oder Überschwemmungen. Er sagt, die Vorsorge helfe ihm dabei, sein Leben entspannt zu genießen. Die Texte auf seiner Website erwecken den Eindruck, als würde ihm die Vorbereitung auch ein wenig Spaß machen und mit Stolz erfüllen: „Prepper for life“ steht da im Emblem, neben dem Strahlenwarnzeichen und der Europaflagge. Es ist eine Art abenteuerliches Pfadfinder-Hobby, für ihn mit einem ernsten Hintergrund.

Bastian Blum und seine Prepper-Gemeinschaft sind nicht die einzigen, die sich für den Ernstfall rüsten. Einige seiner Zeitgenossen fürchten sich weniger vor Naturgewalten, sondern vielmehr vor Menschen. Das Portal „Vorbereiter“ legt seinen Schwerpunkt auf Infos zu haltbaren Lebensmitteln, aber auch auf Möglichkeiten der Selbstverteidigung und des legalen Waffenbesitzes. Die Stimmung in den Infotexten erinnert an den Kalten Krieg: Die Endzeit kommt, es wird Plünderungen geben, Währungs- und Gesundheitssystem werden zusammenbrechen – die Frage ist nur noch, wann. Dann ist jeder Selbstschutz erlaubt. Die Seite gibt Empfehlungen, welches Tomahawk und welche Machete von Amazon die größtmögliche „Abschreckung“ erzeugt. Die meisten empfohlenen Produkte sind zur Zeit ausverkauft.

Vorbereitung mit Pogromrhetorik

Im Impressum steht kein Name. Die Facebook-Seite verzeichnet etwa 4.000 Fans. Einer von ihnen postet das Bild eines SS-Soldaten auf die Seite und schreibt dazu: „Auf die GUTE alte Art und Weise...“ Zwar sind Facebook-Seiten für die ihnen zugetragenen Beiträge nicht direkt verantwortlich, aber: Die politische Tendenz des Portals wird nicht nur durch das Dulden solcher Beiträge bestärkt, sondern auch durch die geteilten Inhalte. Beispielsweise tauchen bei den „Vorbereitern“ auch die Videos des deutschen Börsenmaklers Dirk Müller auf. Dieser reitet bereits seit Jahren auf der Schiene antiamerikanischer Verschwörungstheoretiker. So bezeichnete er in seinem letzten Buch die Griechenlandkrise als von den USA gesteuerte Maßnahme, um den Euro zu destabilisieren. In einem neueren Video beschreibt er die Silvesternacht in Köln als massives Versagen des staatlichen Gewaltmonopols. Deswegen sei es nicht verwunderlich, dass sich viele „ganz normale Bürger“ mit legalen Waffen eindecken. Er ist sich sicher: Früher oder später wird es zum Bürgerkrieg kommen.

Der Dunstkreis solcher Seiten wie „Vorbereiter“ ist ähnlich wie bei vielen anderen neurechten, verschwörerischen Portalen. Das Prinzip ist immer das gleiche. Etablierten Medienkanälen wird Systemnähe und Manipulation unterstellt, „Alternativmedien“, wie der YouTube-Kanal von Dirk Müller, sagen die Wahrheit: das, was die Etablierten sich nicht zu sagen trauen oder was sie nicht sagen dürfen – und das sind in der Regel Katastrophenmeldungen, die nicht selten auf haltlosen Spekulationen oder maßlosen Übertreibungen basieren. Das Prinzip der Informationsblase schränkt die Wahrnehmung der Welt entscheidend ein. Aufgenommen werden nur Informationen, die ins eigene Weltbild passen, unterstützt durch die Algorithmen von Facebook und Co., die wiederum nur ähnliche Artikel vorschlagen. Das erzeugt eine als sehr real wahrgenommene Krisensituation, die nicht zu unterschätzen ist.

Die Macht der Informationsblase

Auch die Facebook-Seite von Pegida bezieht ihre Informationen aus den etablierten Medien nur, wenn sie zum Weltbild passt. Andernfalls wird nach passendem Material gesucht. Deswegen sympathisieren die Kommentatoren dort auch gern mit der nahenden Krise und dem Selbermachen: „Warum ziehen wir nicht einfach selbst Zäune hoch?“, schreibt ein Kommentator zu einem Asylthema. Die Reaktionen auf die Übergriffe in der Silvesternacht in Köln haben bereits eine pogromartige Rhetorik.

Bewegungen wie die „Vorbereiter“ verzeichnen einen kleinen aber konstanten Zulauf. Dass es häufig keine realen Gefahren, sondern nur durch Informationen vermittelte Gefühle sind, die diese Menschen bedrohen, verschwindet hinter der Emotionalität der Angstszenarien. Menschen, die sich wirklich bedroht fühlen, können jede Gewalt schnell mit Notwehr rechtfertigen. Sie damit einfach als Verrückte abzustempeln, unterschätzt das Problem bei weitem. Die verzerrte Realität einer Informationsblase hat zuweilen deutlich mehr Wirkungsmacht als ein Blick aus dem Fenster.

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