Hetze gibt es im Netz bekanntlich genug. Und solange diese nicht justiziabel ist, kann man sich dabei auch auf die Meinungsfreiheit berufen. Doch das schützt noch nicht vor Sanktionen. Rassistische Äußerungen können etwa bei Plattform-Betreibern wie Facebook oder Twitter gemeldet und dann gelöscht werden. Dicker kommt es, wenn die im Netz geäußerte Privatmeinung auf dem Schreibtisch des Chefs landet. Auf Youtube gibt es ein Video mit dem Titel How to: Nazis beim Arbeitgeber melden. Es liefert eine Anleitung dazu, wie man Anhänger fremdenfeindlicher Bewegungen ausmacht und ein vorgefertigtes Schreiben an den Arbeitgeber versendet, das mit „Decken sich diese Ansichten mit Ihren Unternehmenswerten?“ abschließt. Aber steht nicht jedem Menschen seine Privatmeinung zu?
Diese Frage hat jüngst wieder der Fall Thomas Rauschers aufgeworfen, seinerseits Professor für Internationales Privatrecht und Bürgerliches Recht an der Universität Leipzig. Der Jurist hatte nämlich vor Kurzem seine rassistischen Ansichten zur aktuellen Flüchtlingspolitik auf Twitter kundgetan. Er schrieb: „Es ist natürlich, sich zu wehren, wenn die eigene Kultur untergeht. Die ‚Angst des weißen Mannes‘ sollte wehrhaft werden!“ Oder: „Es gibt keinen friedlichen Islam. Dschihad ist der Auftrag dieser Leute.“ Zudem spricht er von den „Banlieue-Horden aus dem Maghreb“ und „marodierenden Banden von Arabern und Afrikanern“.
Um seinen Job muss Rauscher, der zu allem Überfluss auch noch Auslandsbeauftragter der juristischen Fakultät ist, deswegen nicht fürchten. Zwar sind die Äußerungen auf Twitter öffentlich, aber kein Amtsmissbrauch. Das wäre erst der Fall, hätte er Ähnliches in einem Hörsaal gesagt. Die Universität Leipzig, die sich seit den Legida-Demonstrationen deutlich gegen Fremdenfeindlichkeit positioniert hat, findet die Positionen Rauschers zwar „sehr bedauerlich“, betont jedoch dessen Unversehrtheit. Solange jemand so etwas als Privatperson äußere, müsse man sich damit arrangieren.
Wo liegt die Grenze zwischen privat und öffentlich? Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht sagt: Wenn ein „öffentliches Interesse“ vorherrscht, ist die Grenze erreicht. Das ist bewusst schwammig gehalten. Zwar herrscht bei Twitter die Sitte, dass Personen ihre Tweets ausdrücklich als „Privatmeinung“ kennzeichnen, das ist aber in etwa so sinnvoll, wie nach dem Genuss einer Coca-Cola der Firmenpolitik des Konzerns zu widersprechen.
Soziale Medien wie Twitter sind dafür gemacht, eine Öffentlichkeit zu erreichen. Äußerungen im Internet sind genau so lange privat, wie sie keiner liest. Das war bei Rauscher bis vor Kurzem auch noch der Fall. Nachdem ein Mitglied des Studierendenrats seine Tweets entdeckte, stießen die zuvor kaum gehörten Nachrichten auf öffentliches Interesse. Das hat bisweilen einen gefährlichen Rückkopplungseffekt zur Folge: Je krasser, je radikaler die Aussagen, desto mehr wird ihr Autor gehört.
Das Ganze funktioniert allzu oft nach dem Prinzip der selbstverstärkenden Eskalation – auch ein Grund, warum soziale Medien sich so gut als Populismusbiotope eignen. Dabei wird häufig vergessen, dass der Meinungsfreiheit in Deutschland auch Grenzen gesetzt sind. Nicht jeder, der eine „unbequeme“ Meinung kundtut, verkörpert einen aufklärerischen „Anti-Mainstream“. Rassismus basiert auf einer These über die Ungleichheit von Menschen. Diese These mag eine Meinung darstellen – überholt ist sie allemal.
Kommentare 3
Lieber Konstantin Nowotny,
gerne weise ich Sie auf einen ziemlich verbreiteten, deswegen nicht richtigeren Sprachgebrauch hin, der mindestens verwirrt: Was Rauschers geäußert hat, ist keinesfalls eine "Privatmeinung", wie der Teaser Ihres Artikels suggeriert, sondern sie ist "außerdienstlich". Ganz korrekt haben Sie dann geschrieben, sie sei "öffentlich". Eine einmal öffentlich geäußerte Meinung ist nie privat, erst recht nicht in dem Sinn, dass sie als Ausdruck der Privatsphäre einen erhöhten Schutz genießen würde.
Ganz im Gegenteil lässt sich sagen: Die veröffentlichte außerdienstliche Äußerung kann und wird Anlass geben, zu fragen, ob die darin zum Ausdruck kommende Meinung für den Arbeitgeber tragbar ist. Das betrifft nicht nur beamtete oder ähnliche Verhältnisse, die u.a. gesteigerte Loyalität oder Neutralität verlangen, sondern auch zivilrechtliche Unternehmen: Wer kann und will sich den/die gegen Fremde Hetzenden als Arbeitnehmer leisten, wenn im selben Betrieb Personen aus 6 Ländern beschäftigt sind?
Eine völlig falsche Aussage treffen Sie allerdings mit der Formulierung "Äußerungen im Internet sind genau so lange privat, wie sie keiner liest". Bereits der allgemeine Sprachgebrauch definiert "öffentlich" nicht als den konkreten Vorgang der Kenntnisnahme durch wen und wieviele auch immer, sondern "für jeden hörbar und sichtbar". Wer im Internet schreibt und den Text lesbar stellt (selbst innerhalb einer geschlossenen Newsgroup oder ebensolchen Gruppe bei FB), hat den Text zur potentiellen Kenntnisnahme frei gegeben. Das ist spätestens der Punkt, an dem jeder sich fragen darf und soll, ob er die ENTER-Taste drückt: Mit allen Konsequenzen.
Beste Grüße, e2m
Ja, das sehe ich genau so.
Man/Frau kann sagen was er/sie will, aber Deutschland hat in jedem Falle ein massives Rassismus-Problem. Herr Augstein hat das in einem früheren Artikel zwar sehr zugespitzt und wenig diplomatisch zur Sprache gebracht und wurde von vielen Kommentatoren scharf angegangen. Der Ton ist streitbar, aber die Fakten liegen auf der Hand. Rassismus ist keine Meinung!
Gerade lese ich nach Hinweis bei -> Spiegel-online die Entscheidung des BGH in Strafsachen zur Ablehnung eines Strafrichters wegen Besorgnis der Befangenheit aufgrund dessen FB-Eintrags (-> BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016, Az.: 3 StR 482/15, Volltext). Interessant und grundverkehrt, dass der betroffene Richter argumentierte, "[i]ch werde mich nicht zu meinen privaten Lebensverhältnissen äußern". Die Kammer, die zunächst über ihn zu befinden hatte, begründete die Ablehnung des Befangenheitsantrages damit, dass "der Internetauftritt des Vorsitzenden [Richters] ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich" betreffe.
Selbstverständlich sieht das der BGH anders, indem er alleine schon in der Sachverhaltsdarstellung betont, der Richter habe im "öffentlich zugänglichen Bereich" seines FB-Accounts gepostet. Und: "Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Straf-verfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig."
Leider ist auch der Spiegel, obwohl der dortige Artikelverfasser (hoffentlich) das Urteil gelesen (und nicht nur bei einer Agentur abgeschrieben) hat, noch immer auf dem Trip, ein "Facebook-Eintrag ist nicht immer Privatsache".