Freiheit in 140 Zeichen

Privatmeinung Gibt es ein Recht auf Rassismus? Ein Leipziger Professor lotet auf Twitter die Grenzen aus
Ausgabe 07/2016
Hab keine Angst, weißer Mann!
Hab keine Angst, weißer Mann!

Foto: Matt Cardy/Getty Images

Hetze gibt es im Netz bekanntlich genug. Und solange diese nicht justiziabel ist, kann man sich dabei auch auf die Meinungsfreiheit berufen. Doch das schützt noch nicht vor Sanktionen. Rassistische Äußerungen können etwa bei Plattform-Betreibern wie Facebook oder Twitter gemeldet und dann gelöscht werden. Dicker kommt es, wenn die im Netz geäußerte Privatmeinung auf dem Schreibtisch des Chefs landet. Auf Youtube gibt es ein Video mit dem Titel How to: Nazis beim Arbeitgeber melden. Es liefert eine Anleitung dazu, wie man Anhänger fremdenfeindlicher Bewegungen ausmacht und ein vorgefertigtes Schreiben an den Arbeitgeber versendet, das mit „Decken sich diese Ansichten mit Ihren Unternehmenswerten?“ abschließt. Aber steht nicht jedem Menschen seine Privatmeinung zu?

Diese Frage hat jüngst wieder der Fall Thomas Rauschers aufgeworfen, seinerseits Professor für Internationales Privatrecht und Bürgerliches Recht an der Universität Leipzig. Der Jurist hatte nämlich vor Kurzem seine rassistischen Ansichten zur aktuellen Flüchtlingspolitik auf Twitter kundgetan. Er schrieb: „Es ist natürlich, sich zu wehren, wenn die eigene Kultur untergeht. Die ‚Angst des weißen Mannes‘ sollte wehrhaft werden!“ Oder: „Es gibt keinen friedlichen Islam. Dschihad ist der Auftrag dieser Leute.“ Zudem spricht er von den „Banlieue-Horden aus dem Maghreb“ und „marodierenden Banden von Arabern und Afrikanern“.

Um seinen Job muss Rauscher, der zu allem Überfluss auch noch Auslandsbeauftragter der juristischen Fakultät ist, deswegen nicht fürchten. Zwar sind die Äußerungen auf Twitter öffentlich, aber kein Amtsmissbrauch. Das wäre erst der Fall, hätte er Ähnliches in einem Hörsaal gesagt. Die Universität Leipzig, die sich seit den Legida-Demonstrationen deutlich gegen Fremdenfeindlichkeit positioniert hat, findet die Positionen Rauschers zwar „sehr bedauerlich“, betont jedoch dessen Unversehrtheit. Solange jemand so etwas als Privatperson äußere, müsse man sich damit arrangieren.

Wo liegt die Grenze zwischen privat und öffentlich? Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht sagt: Wenn ein „öffentliches Interesse“ vorherrscht, ist die Grenze erreicht. Das ist bewusst schwammig gehalten. Zwar herrscht bei Twitter die Sitte, dass Personen ihre Tweets ausdrücklich als „Privatmeinung“ kennzeichnen, das ist aber in etwa so sinnvoll, wie nach dem Genuss einer Coca-Cola der Firmenpolitik des Konzerns zu widersprechen.

Soziale Medien wie Twitter sind dafür gemacht, eine Öffentlichkeit zu erreichen. Äußerungen im Internet sind genau so lange privat, wie sie keiner liest. Das war bei Rauscher bis vor Kurzem auch noch der Fall. Nachdem ein Mitglied des Studierendenrats seine Tweets entdeckte, stießen die zuvor kaum gehörten Nachrichten auf öffentliches Interesse. Das hat bisweilen einen gefährlichen Rückkopplungseffekt zur Folge: Je krasser, je radikaler die Aussagen, desto mehr wird ihr Autor gehört.

Das Ganze funktioniert allzu oft nach dem Prinzip der selbstverstärkenden Eskalation – auch ein Grund, warum soziale Medien sich so gut als Populismusbiotope eignen. Dabei wird häufig vergessen, dass der Meinungsfreiheit in Deutschland auch Grenzen gesetzt sind. Nicht jeder, der eine „unbequeme“ Meinung kundtut, verkörpert einen aufklärerischen „Anti-Mainstream“. Rassismus basiert auf einer These über die Ungleichheit von Menschen. Diese These mag eine Meinung darstellen – überholt ist sie allemal.

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