Wasser ist für uns Menschen die wichtigste Ressource. Was tun, wenn sie knapp wird?
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Es ist der Tag nach dem wohl heißesten Tag des Jahres in Berlin: 37 Grad waren es hier, trocken ist es ohnehin seit viel zu langer Zeit. Nun regnet es, aber nur wenig. Dieter Gerten schaut aus dem Fenster des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung und weiß: Diese paar Tropfen werden allenfalls verdampfen. Dauerhafte Trockenheit wird uns in den kommenden Jahren begleiten. Warum ist das so?
der Freitag: Herr Gerten, der US-amerikanische Finanzinvestor Michael Burry, der die Immobilien- und später Finanzkrise im Jahr 2008 quasi vorhergesehen hat, stürzte sich danach auf das Thema Wasser. Er sagt, sauberes Trinkwasser sei nie selbstverständlich und obendrein politisch. Auch andere Investoren wie Bill Gates beschäftigen sich mit dem Thema. Wundert Sie das
n sich mit dem Thema. Wundert Sie das?Dieter Gerten: Was man sehen kann, ist: Das Thema spielt in Wirtschaft und Politik aktuell eine gewisse Rolle. Das Weltwirtschaftsforum in Davos gibt jedes Jahr einen Bericht über die größten gesellschaftlichen Risiken heraus, da standen Wasserkrisen in den letzten Jahren ganz oben. Man muss aber schauen, wer sich da aus welchen Gründen jetzt einklinkt. Das will ich aber gar nicht schlechtreden. Offenbar wird erkannt, dass Wasser in vielen Regionen immer knapper wird, dass Milliarden von Menschen keinen regulären Zugang zu Trinkwasser haben und diese oft zusätzlich mit Wasserverschmutzung zu tun haben – und das ist ja schon ein hoch relevantes Thema, bei dem man etwas tun sollte.Dass Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, ist ja nicht erst seit gestern so. Warum denken Sie interessiert das Thema gerade jetzt zunehmend Menschen, selbst oder sogar vornehmlich wenn sie aus Regionen kommen, wo Wasserknappheit eigentlich gar kein Problem ist?Ich bin mir nicht sicher, ob es diesen Trend so gibt. Angefangen hat das Problembewusstsein in den 60er und 70er Jahren, in denen die UNO Programme aufgelegt hat, um die Weltwassersituation überhaupt erst einmal zu erfassen. In den 90er und Nullerjahren hat sich das schon verstärkt, weil die Wasserkrisen immer mehr und immer dringlicher wurden. Ich glaube, das liegt an der zunehmenden Sichtbarkeit des Themas, der Brisanz von Dürren etwa. Das Thema kommt mal hoch, auch hierzulande, wenn wir Dürre haben, deswegen ist es seit 2018 relativ präsent – oder auch bei Flut, wenn das Wasserthema sich auf eine ganz andere Art bemerkbar macht. Ansonsten herrscht auch über lange Zeiträume Stillschweigen und die Wasserproblematik steht nicht so weit oben auf der politischen Agenda, wie sie müsste.Bei den Kampagnen der 90er Jahre muss ich an einen Werbespot denken: Da wurde jemand, der beim Zähneputzen das Wasser laufen lässt, einem Wüstenvolk gegenübergestellt, das die letzten Tropfen aus einer Pfütze schöpft. Aber: Wenn ich hierzulande Wasser spare, ist doch nicht am anderen Ende der Welt auf einmal mehr davon da?Das würde ich so lesen, dass wir hier mit einer eigentlich guten Wasserversorgung leben. Und tatsächlich ist es so: Wenn sie hier zu Hause Wasser sparen, dann kommt das nicht unbedingt einer anderen Region zugute. Dann gibt es aber noch Produkte, die wir konsumieren, die aber in anderen Gegenden hergestellt werden – das ist dann etwas anderes. Dann kann man sich überlegen, wie viel Wasser vor Ort dafür eingesetzt wurde und ob man das nicht hätte anders nutzen können als für die Produktion von Exportgütern. So würde ich eher globale Zusammenhänge darstellen: Ist unser Konsum verbunden mit dem Wasserverbrauch an anderen Orten, dem virtuellen Wasser, das in dem Produkt drinsteckt?Verstehe ich Sie da richtig, dass eine der Hauptursachen für globale Wasserkrisen der zunehmende Wasserverbrauch der Industrie ist?Nein, das ist ein Teil davon und hängt davon ab, über welche Region wir genau reden. Wassermangel hat nicht immer nur damit zu tun, ob man in wasserarmen oder wasserreichen Gegenden lebt, sondern wie viel Wasser genutzt oder übernutzt wird und von wem. Somit kann die Knappheit durchaus dadurch steigen, dass die Industrieunternehmen oder die Landwirtschaft – noch immer der weltweit größte Wasserverbraucher – einen Verbrauch haben, der teils weit über die nachhaltigen Neubildungen von Wasservorräten hinausgeht. Besonders problematisch ist das, wenn es an das tiefe Grundwasser geht, das sich in den nächsten Jahrhunderten oder Jahrtausenden nicht erneuern wird.Das ist der Aspekt, den Sie meinen, wenn Sie in Ihrem Buch schreiben: Die Diskussion über Wasserknappheit lenke den Fokus zu sehr auf die Abwesenheit von Wasser und nicht darauf, wer Wasser verbraucht und wofür.Ich benutze „Knappheit“ da immer in Anführungszeichen, da das Wort sonst signalisiert, dass nicht genug Wasser da wäre. Aber dann muss man auch fragen: wofür? Eine neue Denkrichtung wäre, mehr danach zu fragen, wie viel Wasser in einer Region vorhanden ist und wie man das sinnvoll nutzen kann, anstatt von dem Bedarf auszugehen und dann zu schauen: Wo bekomme ich das Wasser dafür her? Bei „Knappheit“ kann sich ein Unternehmen denken: Gut, das Wasser ist hier knapp, wie kann ich also investieren, dass ich Wasser heranziehen kann – neue Staudämme, neue Bewässerungsanlagen? Man muss vor Ort immer einen kritischen Blick darauf werfen, wer diesen Begriff benutzt.Wäre der Bau einer Tesla-Fabrik im brandenburgischen Grünheide für Sie so ein Fall?Das wäre so ein Fall. Die Fabrik ist ja ein immenser Wasserverbraucher, der jetzt der Region aus Wassersicht nicht gerade zugute kommt. Das ist auch unter den Bedingungen des Klimawandels mehr als fraglich, weil wir mit immer weniger Wasservorräten zu rechnen haben.Also „knapp“ ist Wasser nur in einem bestimmten Kontext?Die globale Summe verändert sich tatsächlich nicht oder nur ganz minimal. Es kommt kein Wasser dazu, es geht auch nichts verloren. Es ist also ein Umverteilungsproblem. Natürlich ist der Wasserkreislauf aber gebunden an die atmosphärischen Windsysteme, die Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten, da gibt es bestimmte klimatische Muster, etwa die sommerheißen Subtropen, die chronisch trocken sind, und die immerfeuchten Tropen. Diese Systeme können sich aber verschieben, etwa durch bestimmte Wetterlagen, die wochenlang blockierend wirken – eine Wirkung des Klimawandels.In meiner naiven Vorstellung kann Wasser nur in der Luft, im Boden oder eben innerhalb unserer menschengemachten Wasserkreisläufe existieren. In dieser Logik kann es ja eigentlich nicht sein, dass es irgendwo auf der Welt trockener wird, ohne dass woanders eben mehr Wasser vorhanden ist.So ist es auch im Prinzip. Es ist immer dieselbe Menge, die seit Jahrmillionen zirkuliert. Aber der Klimawandel verstärkt die regionalen Ungleichheiten noch deutlich.Placeholder infobox-1In Ihrem Buch schreiben Sie, man könne durchaus behaupten, wir tränken das Wasser, das schon Dinosaurier getrunken haben.So kann man es versinnbildlichen. Wir trinken auch Wasser, was vielleicht vor einem Jahr noch in Sibirien war, kann alles sein. Das globale Klimasystem sorgt für eine Umverteilung des Wassers. Und wie gesagt: Es gibt bestimmte Muster, die sich wiederholen. Eine Sache ist da zum Beispiel ein Starkwindband in der oberen Atmosphäre – der Jetstream –, das im Prinzip die kalte Arktisluft von der wärmeren Luft Richtung Süden trennt. Dieses Band ist üblicherweise dadurch gekennzeichnet, dass die Temperaturdifferenz zwischen diesen beiden Regionen sehr groß ist. Jetzt ist die Temperaturdifferenz schmaler, dieses Band beginnt zu schwächeln und kann dann auch mal über Wochen über einer bestimmten Region stehen. Das heißt, dass über Wochen Heißluft aus dem Süden über Europa strömen kann und Dürren auslöst oder stärkt, während sich eher feuchte und kühlere Luft woanders niederregnet. Dann gibt es noch verkomplizierende Dinge wie etwa den Fakt, dass wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann, wodurch die Tendenz zu Starkregen steigt, und dass höhere Temperaturen zu mehr Verdunstung führen. Das heißt, viel mehr Wasser geht dann in die Atmosphäre hinein, weswegen Böden dann stärker austrocknen können.Wenn wir also von Trockenheit als Effekt des Klimawandels sprechen, dann hat das damit zu tun, dass mehr Wasser in der Atmosphäre ist und nicht in den Quellen, die wir abschöpfen können?Nicht ganz. Man kann sich das so vorstellen: Es verdunstet mehr Wasser, es gelangt mehr in die Atmosphäre, kommt aber öfter als Starkregen wieder runter, der die Trockenheit kaum mindert und eher Überflutungen herbeiführt –gegebenenfalls an ganz anderen Orten, weil die Windsysteme das Wasser dorthin getragen haben.Im Hinblick auf die sogenannte Nationale Wasserstrategie des Umweltministeriums hat Umweltministerin Svenja Schulze gesagt, wir müssten mehr Wasser im Boden lagern und es nicht in Flüsse und Meere ableiten.Ich weiß nicht, was sie da genau gemeint hat. Ich vermute, das bezieht sich auf eine ganze Menge an verbesserten Wassernutzungsformen in der Landwirtschaft. Da gibt es Verfahren, bei denen der Boden abgedeckt wird, mit Mulch, Stroh oder Plastikplanen. Das dient dazu, in trockenen Regionen mehr Wasser im Boden zu halten. Dann haben die Pflanzen mehr zur Aufnahme und können entsprechend mehr Biomasse aufbauen. Es ist eine Umlenkung von Verdunstungsströmen auf dem Feld, ohne tatsächlich mehr Wasser beizugeben.Aufforstung kann einen Beitrag leisten, die sogenannte Agroforstwirtschaft, bei der landwirtschaftliche Praktiken mit Wiederbewaldung verbunden werden. Das dient dazu, Wasserkreisläufe regional aufrecht zu erhalten. Beschattung und Wassersammlung, etwa in Zisternen, effiziente Bewässerung … da gibt es eine ganze Menge an Maßnahmen, wie man dieselbe Menge an Wasser – aus Pflanzensicht – effizienter nutzen kann. Ich hoffe nicht, dass gemeint ist, dass das Wasser nicht zum Meer fließen sollte. Das sähe ich dann auch kritisch, weil die Flussökosysteme auch eine Menge Wasser brauchen, um ihrerseits intakt zu sein.Glauben Sie denn, dass man solche Maßnahmen auch im großen Maßstab umsetzen kann, zum Beispiel in Millionenstädten?In Städten überwiegt die Industrie-und Haushaltswassernutzung, die möglichst optimiert beziehungsweise minimiert werden sollte. Man sieht da den Trend: Je reicher ein Land, desto effizienter ist die Wassernutzung, weil sich effizientere Verfahren und Systeme geleistet werden. Spülmaschinen und Waschmaschinen nutzen das Wasser etwa sehr viel effizienter als noch vor einigen Jahren, und auch der Eintrag von Schadstoffen ins Wasser ist geringer. Aber es gibt Megastädte mit Riesenproblemen, wo die Kombination verschiedener Maßnahmen helfen kann, aber wahrscheinlich nicht genug ist.Glauben Sie denn, dass man solche Maßnahmen auch im sehr großen Maßstab umsetzen kann, zum Beispiel in Hinblick auf Millionenstädte?Bei Städten gibt es noch die Industrie- und Haushaltswassernutzung, die möglichst optimiert, beziehungsweise minimiert werden soll. Man sieht da den Trend: Je reicher ein Land, desto effizienter ist die Wassernutzung, weil sich da effizientere Verfahren und Systeme geleistet werden. Spülmaschinen und Waschmaschinen nutzen das Wasser etwa sehr viel effizienter als noch vor ein paar Jahren, und auch der Eingang von Schadstoffen ins Wasser ist geringer. Aber es gibt natürlich Megastädte mit Riesenproblemen, wo die Kombination aus den Maßnahmen helfen kann, aber wahrscheinlich nicht genug ist.Was kann man da tun?Es gibt Gegenden, wo es offenbar keinen wirklichen Ausweg gibt, wo viel verzichtet werden muss oder Produkte importiert werden. Der Nahe Osten hätte etwa gar nicht genug Wasser, um die Bevölkerung zu ernähren, wenn die Produkte nicht importiert würden. Aus globalen Simulationen geht aber schon hervor: Wenn die Weltbevölkerung weiter wächst und selbst wenn wir das Wasser effizienter managen oder viel sparsamer damit umgehen, wird sich diese Handelsabhängigkeit noch erhöhen. Wie das tatsächlich funktionieren würde und ob der Handel sich so anpassen kann, liegt jenseits meines Einschätzungsvermögens. Aber es beunruhigt mich, dass das Ergebnis vieler Zukunftsstudien immer ist: Dann müssen wir eben mit virtuellem Wasserhandel alles ausgleichen. Das sind erhebliche Mengen und es ist ziemlich spekulativ, davon auszugehen.Wenn Sie von nachhaltiger Wassernutzung sprechen, meinen Sie vor allem die angesprochenen Maßnahmen. Aber bringt es denn auch etwas, wenn der Einzelne öfter den Hahn zudreht?Es ist immer gut, wenn Sie irgendwo Wasser sparen. Zwar auch nicht allzu viel, das kann einen schlechten Einfluss auf den Druck und die Trinkwasserqualität in den Leitungen haben – aber in dem Ausmaß würden die Leute das, glaube ich, sowieso nicht umsetzen. Es gibt aber andere Fragen: Muss ich den Pool befüllen? Muss ich den Rasen sprengen? Ist Tesla zu gestatten, so viel Wasser zu ziehen, wenn es dann für andere Nutzer knapp werden kann? Solche Fragen der Priorisierung von Wassernutzung kommen nun durch den Klimawandel immer mehr aufs Tapet.
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