Wenn diese Woche die Welttournee der US-amerikanischen Musikerin Billie Eilish zu Ende geht, werden die Künstlerin und ihr Team insgesamt knapp 80 Konzerte auf vier Kontinenten gespielt haben. 80-mal wurden Licht, Instrumente, Tontechnik auf- und abgebaut, 80-mal wurde das gesamte Material samt Menschen ein- und wieder ausgeflogen. Und dabei hat die 20-Jährige trotz ihres Superstar-Status noch nicht einmal eine wirklich opulente Bühnenshow.
Jedes Jahr werden etliche Künstler*innen, auch solche, die deutlich weniger die Massen ansprechen, mit ihrer Entourage quer über den Planeten geflogen – und emittieren dabei viele Tonnen CO2. Hinzu kommen die Konzerte an sich, zu denen Millionen an Menschen pilgern, um vor Ort dann eine ganze Menge Müll zu produzieren. Keine wirklich nachhaltige Angelegenheit.
Nun ließe sich fragen, ob es nicht ein wenig zynisch ist, wenn Künstler*innen an einen nachhaltigen Lebensstil appellieren, aber gleichzeitig einer regelrecht klima-destruktiven Tätigkeit nachgehen. Aber, aber: So einfach ist es natürlich nicht. Das gleiche Argument könnte für Fußballspiele, Oktoberfeste und andere Massenevents gelten, und natürlich reagieren Veranstaltungsagenturen immer auf eine Nachfrage. Es muss also anders gehen. Aber wie? Weniger veranstalten?
Nein, für „weniger“ ist im Kapitalismus selten Platz. Andere Geschichte. Was aber wohl geht: dasselbe, nur nachhaltiger. Seit einigen Jahren verbünden sich immer mehr Künstler*innen mit Klimaorganisationen, um den CO2-Fußabdruck, der während ihrer Events unweigerlich entsteht, so klein wie möglich zu halten. Billie Eilish arbeitet zum Beispiel mit der NGO Reverb zusammen, die verspricht, die klimaschädlichen Auswirkungen von Musikevents einzudämmen. So sollen auf den von Reverb mitorganisierten Konzerten wiederverwendbare Becher für die Crew genutzt werden, zudem gibt es kostenlose Wasser-Auffüllstationen, recyclebares Merchandising und mehr. Andere gehen weiter: Die britische Band Coldplay soll über einen mobilen Tanzbereich verfügen, der die Schwingungen der Fans in nutzbaren Strom umwandelt.
Die Punkrock-Variante lieferte kürzlich Farin Urlaub von den Ärzten in Berlin ab. Es waren jene Wochen im August, als Die Ärzte und Die Toten Hosen auf dem Tempelhofer Feld gleich mehrere Konzerte spielten, wozu knapp eine Viertelmillion Fans erwartet wurden. „Wir wiederverwerten sogar eure Pisse“, sagte Farin Urlaub auf der Bühne und spielte damit auf die Humustoiletten an, die unter anderem auf dem Open-Air-Gelände am Tempelhofer Feld aufgestellt worden waren. Einmal pinkeln – so erfuhr man es über die NGO Cradle to Cradle (C2C), die sich für Kreislaufwirtschaft einsetzt und mit der Punkband kooperierte – erzeuge bereits ausreichend Dünger für drei Karotten.
Die Konzerte auf dem Tempelhofer Feld sollten ein Testlauf für die klimaneutralen Konzepte sein. Bis November möchte C2C die Ergebnisseauswerten und dann der Branche zur Verfügung stellen. Ob sich Großveranstaltungen langfristig tatsächlich so umgestalten lassen, dass sie der Umwelt eher nützen als schaden, wird sich zeigen.
Für die Fans änderte sich dabei zunächst wenig: Das nachhaltig gebraute Bier schmeckte, die Kompost-Toiletten funktionierten und die gestiegenen Ticketpreise schienen kaum gestört zu haben – immerhin waren drei Termine mit Zehntausenden Besucher*innen restlos ausverkauft. Nach ihrem Nachhaltigkeitsappell intonierte die Berliner Band ihren Hit Deine Schuld, Zehntausende sangen mit: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“
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