Lobhudelei im eigenen Saft

Medien Nachhaltig ohne Verzicht? Bei Ikea glauben sie daran
Ausgabe 50/2017
Ikea ist für den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2018“ nominiert
Ikea ist für den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2018“ nominiert

Foto: Sven Nackstrand/AFP/Getty Images

Der Ikea-Katalog soll mit 220 Millionen Exemplaren das auflagenstärkste Druckerzeugnis der Gegenwart sein, noch vor der Bibel. In einer nicht ganz so auflagenstarken Tageszeitung erschien diese Woche eine Anzeige des schwedischen Möbelhauses: Es freue sich über die Nominierung für den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2018“. Noch nie von diesem Preis gehört? Kein Wunder: Wie bei so vielen Auszeichnungen aus der freien Wirtschaft ist auch der Nachhaltigkeitspreis eine Lobhudelei im eigenen Saft. Manager, Berater und Vorstände in einer Stiftung bestimmen andere Manager, Berater und Vorstände als Jury für einen Preis, der am Ende an Manager, Berater und Vorstände geht, als Partner schmückt man sich mit dem Ministerium für Bildung und Forschung.

Der Preis wird mit einer großen Gala verliehen. 1.200 Gäste reisten dieses Jahr an, wurden versorgt und untergebracht und durften große Show-Acts auf einer eindrucksvoll beleuchteten Bühne bewundern – alles ganz klimaneutral, versteht sich. „Konsequentes Vermeiden von Umweltbelastungen geht immer vor Kompensieren“, heißt es auf der Website der Gala. Es dürfte klar sein, dass ein Mega-Event für einen Umweltpreis unvermeidbar ist.

36,3 Milliarden Euro Umsatz machte der Ikea-Konzern im Jahr 2017, dreimal mehr als vor etwa 15 Jahren. Millionen Schreibtischstühle, Pfannenwender, Zahnputzbecher und Gardinenstangen gehen jedes Jahr über den Ladentisch und landen meist schnell im Müll.

Wer billig kauft, kauft zweimal – das Sprichwort soll daran erinnern, dass eine kluge Kaufentscheidung eine solche ist, bei der das Produkt in der nahen Zukunft nicht durch ein neues ersetzt werden muss. Oft wird der Spruch belehrend gebraucht. Unternehmen sehen das anders: Toll, wenn zweimal gekauft wird – besser noch, wenn es dreimal, viermal, fünfmal wäre. Für den Kapitalismus ist der Lehrspruch eine Verheißung: Wer billig kauft, kauft zweimal!

Wer schon einmal mit einem Expedit-Regal oder einem Lack-Tisch versucht hat umzuziehen, der weiß, dass man auch bei Ikea unter Umständen mehrfach kauft. Ärgerlich ist das meist nur kurz: Ein erneuter Gang durchs Spanplatten-Paradies zwischen Köttbullar und schwedischen Keksen ist doch so viel mehr als ein Einkauf, es ist ein Event. Und am Ende eines solchen Events ist meistens alles neu gekauft, für überraschend wenig Geld. Wenn da nur nicht dieses elendige Klimabewusstsein der Konsumenten wäre. Das macht es nötig, dass der Konsum einen neuen moralischen Klang braucht. Schon seit längerem können Ikea-Kunden deshalb Artikel zurückgeben oder reparieren lassen. Wie kann sich das denn lohnen? Der jährlich steigende Umsatz verrät es: Wer einmal zum Möbelhaus gefahren ist, der isst auch gern dort oder kauft neu. Und reparierte Artikel werden vergünstigt weiterverkauft.

Die Zeitungsseite, auf der Ikea seine Nominierung feiert, ist übrigens im flotten Design einer Geschenkverpackung gehalten. Der Kunde, so der Gedanke, soll das bedruckte Papier gleich wiederverwenden und darin ein Präsent einwickeln. Echtes Umweltbewusstsein ist aber der Verzicht: Nachhaltig wäre es gewesen, wenn eine unsinnige Anzeige für einen unsinnigen Preis gar nicht erst hätte gedruckt werden müssen.

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